Iris von Roten – Feministin oder femme fatale?

Heute Sonntag hätte Iris von Roten zum 100. Mal ihren Geburtstag feiern können. Sie ist zu einer Art Ikone der Frauenbewegung geworden. Dies zu Unrecht, wie ich finde. Iris von Roten hätte eine solche Zuordnung zeitlebens abgelehnt. Das Bild der „Feministin“ wird ihr aufgezwungen durch den Film von Regisseur Werner Schweizer. Der Film thematisiert die Beziehung zwischen Iris von Roten und ihrem Ehemann Peter von Roten. Wie Iris von Roten mit ihrem Buch „Frauen im Laufgitter“ zur öffentlichen Skandalfigur gemacht wurde – dies ist bloss ein Nebenthema im Film „Verliebte Feinde“. Der Film bedient sich beim gleichnamigen Buch des Historikers Wilfried Meichtry, welcher den Nachlass der von Rotens, bestehend aus 1288 Briefen, durchforstete. Wer jedoch Iris von Rotens Biographie studiert und vor allem ihr Buch liest, dem erscheint Iris von Roten viel eher als eine „femme fatale“ denn als eine Feministin. Iris von Roten verkörperte einen Frauentypus, der durch Attraktivität, durch eine grossen Brise Berechenbarkeit und durch erotische Anziehungskraft Männer in seinen Bann zieht.  Sie war eine provokative Frau, die das Frauenbild zwar neu definiert, die jedoch kaum etwas gemeinsam hat mit heutigen Feministinnen vom Schlage einer Alice Schwarzer. Sie war vielmehr eine femme fatale. Der Mythos der „femme fatale“ zieht sich durch Kunst und Literatur bereits im beginnenden 19. Jahrhundert. Die „femme fatale“ ist literarisch sehr präsent, erstmals bei Théophile Gautier und seiner „Carmen“, mit der er den Prototyp der femme fatale schuf. Ohne diese Vorlage hätte sicherlich auch Wedekind nicht seine Inspiration für Lulu bekommen. Sie fasziniert durch ihre Erotik, Intelligenz und durchdachte Manipulation. Heute würde man sie als ein „Vamp“ bezeichnen. Iris von Roten als „femme fatale“ zu bezeichnen, mag gewagt erscheinen. Von der Literaturbetrachtung her scheint mir diese Sichtweise jedoch zutreffender zu sein. Und auch sympathischer. Zur Vorbild-Feministin taugt Iris von Roten mit Bestimmtheit nicht, auch wenn die Historienschreiber und Filmemacher sie gerne dazu machen.