„One Book, One Upper Valais“

Kürzlich stand ich auf dem Times Square in New York. Eine der zahlreichen Lichtreklamen blinkte unaufhörlich den Slogan „One Book, One New York“. Darauf angesprochen, erklärte mir eine junge New Yorkerin: Die Bürger New Yorks sollen lesen – und zwar alle das gleiche Buch. „One Book, One New York“ heisst das Projekt des Bürgermeisters Bill de Blasio. Die Millionenmetropole New York soll sich zu einem Lesezirkel zusammenschliessen. Alle Bürger sollen das gleiche Buch lesen – und anschliessend darüber diskutieren. Die 8,5 Millionen Bürger von New York können über ein Buch abstimmen, das dann in diesem Frühling alle parallel lesen. Anschliessend sollen sie bei öffentlichen Veranstaltungen in allen fünf Stadtteilen über das Buch diskutieren. Die Organisatoren müssen aus fünf Büchern eine Vorauswahl treffen.  Wie ich nun also da auf dem New Yorker Times Square stand, ständig beblinkt von der Lichtreklame „One Book, One New York“, da hatte ich eine Blitzidee. Wir covern ja sonst auch alles von den Amerikanern. Warum also nicht auch mit dieser schönen US-Leseförderungs-Idee im Gepäck zurück ins Oberwallis reisen? Mit „One Book, One Upper Valais“ liesse sich die Lesekompetenz im Oberwallis gezielt verbessern. Das Ganze wäre auch mit viel Spass verbunden und die Pädagogen würden ob dem geglückten „Social Learning“ in Jubelstürme ausbrechen. Den New Yorker Slogan in amerikanischem Englisch würde ich aber schon beibehalten: „One Book, One Upper Valais“. Tönt gut. Welche fünf Bücher sollen den Oberwallisern aber zur Auswahl vorgelegt werden? „Der Walliser Totentanz“ von Werner Ryser? „Die Reise der Seele“ von Marie Métrailler? „Die Schachspirale“ von Oskar Freysinger? „Endstation Belalp“ von Mirjam Britsch? Oder Goethes Reise durchs Oberwallis im aktuellen Roman „Der weisse Freitag“ von Adolf Muschg? Sie sehen, ich habe alle meine Titelvorschläge mit Fragezeichen versehen. 2002 war nämlich ein vergleichbares Projekt in New York gescheitert, weil die Organisatoren sich auf keinen Titel einigen konnten. Das gleiche Debakel könnte dem Projekt „One Book, One Upper Valais“ blühen. Aber berauschend finde ich diese Idee trotzdem. Nicht nur dann, wenn ich auf dem New Yorker Times Square stehe.