Vor mehr als vierzig Jahren machte das Sachbuch „Dummheit ist lernbar“ den Dorfschullehrer Jürg Jegge aus Embrach zum Medienstar. Doch eigentlich hatte er seine Thesen bloss abgekupfert bei grossen Reformpädagogen wie Comenius, Rousseau und Pestalozzi. Sie forderten eine Pädagogik „vom Kinde her“. Die Vorgaben dieser grossen Pädagogen waren eine Steilvorlage für den „schlechtesten Lehrer von Embrach“. Damals liess sich Jürg Jegge gern zitieren mit folgendem Satz: „Das Buch hat mich innert weniger Monate vom schlechtesten Lehrer von Embrach zum gefragtesten Pädagogen der Schweiz gemacht“, erzählte er freimütig dem Intelligenzblatt (NZZ 17.09.2006). In Embrach sei er, der Sonderschullehrer, für viele „eine Pumpi“ gewesen. Und es habe Leute gegeben, die die Strassenseite wechselten, um ihn nicht grüssen zu müssen.

Tatsächlich rüttelte das Buch an den Grundfesten der Pädagogik. Heute wissen wir, dass ein abgekupfertes Buch aus einem schlechten Lehrer nicht einen guten Lehrer machen kann. Mehr als vierzig Jahre nach seinem Bucherfolg ist Jürg Jegge durch das Buch eines missbrauchten ehemaligen Schülers vom Sockel geholt worden, auf den ihn die Medien damals gestellt hatten. Die Opfer im „Fall Jegge“ sind in erster Linie die missbrauchten Schüler. Zu Jegges Opfern gehören aber auch die vielen wirklich guten Lehrpersonen. Denn Jegges Sakrileg besteht darin, dass er das Vertrauen in den Berufsstand der Lehrperson zerstört hat. So gesehen ist Jegges Missbrauch auch ein Missbrauch des Vertrauens in die Lehrerinnen und Lehrer. Jegge hat genau das Gegenteil dessen erreicht, was er in Form seines hochgejubelten Sachbuchs ein halbes Jahrhundert lang verkaufte. Ein Bucherfolg kann aus dem „schlechtesten Lehrer von Embrach“ keinen neuen Pestalozzi machen.

Aber noch schlimmer: In diesen Tagen missbraucht Jegge die grossen Reformideen von Comenius und Rousseau, um den Missbrauch an seinen Schülern zu motivieren. Das ist eine grenzenlose Dummheit. Dummheit ist ein weites Feld. Vielleicht ist Dummheit wirklich lernbar. Sicher ist, dass Dummheit vor niemandem Halt macht. Auch nicht vor dem schlechtesten Lehrer, der durch ein Buch zum Star wurde.