Die frisch gekürten Maturandinnen und Diplomandinnen werden nun wieder über die Bühnen stolzieren. Ein grosser Tag im Leben eines jungen Menschen. Geschafft! Die Freuden und Leiden eines ganzen Schülerlebens mit im Gepäck. Für die Diplomübergabe ist nun noch das richtige Outfit wichtig. Sie lachen? Dann möchte ich Ihnen die Kurzgeschichte von Peter Bichsel zum Thema „Tragen“ erzählen:

„Ihres Charmes bewusst, bewegte sie sich den ganzen Tag in ihrer Lieblingsbluse, der bläulichen mit dem Rundkragen, schlug ein Bein übers andere, den Notizblock auf dem Knie, und stellte sich vor, wie der Rundkragen über das Deux Piece in Anthrazit fällt. Abends erschrak sie vor dem Spiegel, als sie sah, dass sie den ganzen Tag die weisse getragen hatte mit den Spitzen und dem grossen Auslegekragen. Da lachte sie. Auch wenn es ihr kein Trost war, dass sicher niemand bemerkt hatte, dass sie sich einen ganzen Tag falsch bewegt hatte.“ (Peter Bichsel: Zur Stadt Paris, S. 22). 

Kann man sich in einem Kleid richtig oder falsch bewegen? Ich denke schon. Die Wissenschaft kennt vielfältige Formen irrationalen Verhaltens. Die wissenschaftliche Disziplin, die sich mit derartigen Themen befasst, heisst Verhaltensökonomik. Die Verhaltensökonomik ist ein relativ neues Gebiet, das sowohl Aspekte aus der Psychologie wie aus der Ökonomie einbezieht.

Vieles, was uns bewegt und beschäftigt, ist irrational und unerklärlich. Im Buch „Denken hilft zwar, nützt aber nichts“ zeigt der Autor Dan Ariely, warum wir immer wieder unvernünftige Entscheidungen treffen. Darunter fallen die unterschiedlichsten Themen, sie reichen von unserer Abneigung, für das Alter Geld zurückzulegen bis zu unserer Unfähigkeit, im Zustand sexueller Erregung klar zu denken.

Noch ein Beispiel. In den kommenden Tagen werde ich als Aktiver an einem Konzert mitsingen. Verlangt ist eine schwarze Kleidung mit buntem Einstecktüchlein für die Männer, die Damen werden einen ebenso bunten Schal tragen. Werden wir uns damit auch richtig bewegen? Wissen über irrationales Verhalten ist wichtig für unser Handeln und für unsere Entscheidungen im Alltag. Wir handeln nicht nur irrational, sondern vorhersagbar irrational. Die Verhaltensökonomik meint, unser Konzert-Outfit werde wohl zum Gesamterfolg beitragen:   Schwarze Kleidung wirkt festlich und klassisch. Einstecktüchlein der Männer und Schal der Damen werden aus Sicht der Verhaltensökonomik ein Gefühl der Zusammengehörigkeit und der Einheit generieren. Glück gehabt!

Zum Bild: An Diplomfeiern und Konzerten ist Verhaltensökonomik von entscheidender Bedeutung. Archivfoto: Kurt Schnidrig.