spirituell und esoterisch

Von Rezensenten leidenschaftlich in der Luft verrissen, von einer riesigen Fangemeinde umworben: Gestern ist der spirituell-esoterisch veranlagte Brasilianer Paulo Coelho 70 Jahre alt geworden. Heute erscheint sein neuester Roman „Die Spionin“. In seinen Romanen predigt er die spirituelle Selbstfindung unter dem Motto: „Verwirkliche Deinen Traum“. Geboren 1947 in Rio de Janeiro, lebt er heute mit seiner Frau Christina in Genf.

Internationale Bekanntheit erlangte Paulo Coelho mit seinem Roman „Der Alchimist“. Er machte Coelho zum erfolgreichsten Bestsellerautor weltweit. Seine Bücher werden in über 80 Sprachen übersetzt, sie erscheinen in 170 Ländern und verkauften sich bis dato über 210 Millionen Mal. Dabei sind die Vorwürfe seitens der Literaturkritik happig. Paulo Coelho gilt als literarisch-esoterischer Guru und als einer, der das komplexe moderne Leben auf ein paar einfache Wahrheiten reduziert. Doch das alles ficht Millionen von Leserinnen und Leser auf der ganzen Welt nicht an. Sie leben ihren Traum mit ihm, mit Paulo Coelho.

Zu seinem 70. Geburtstag erscheint „Die Spionin“ als Taschenbuch. Die Geschichte handelt von der „schönsten Meisterspionin aller Zeiten“, von Mata Hari. Mit bürgerlichem Namen hiess sie Margarethe Zelle. Als verführerische Tänzerin und vermeintliche Spionin Mata Hari gelangte sie zu Weltruhm. Sie galt als „femme fatale“, die sich selbst als exotische Tänzerin und Künstlerin neu erfand. In Paris „konnte sie ausleben, was erlaubt und Sünde war“. Als Mata Hari verdrehte sie mächtigen Männern gehörig den Kopf. Nach dem Ausbruch des ersten Weltkriegs liess sie sich auf ein gefährliches Doppelspiel ein und wurde als Spionin des Hochverrats angeklagt. Am 15. Oktober 1917 – vor genau hundert Jahren also – wurde Mata Hari von einem zwölfköpfigen Exekutionskommando erschossen.

Paulo Coelho wird auch in seinem neuen Roman seinem Ruf als spirituell-esoterischer Guru gerecht. Er reichert die Lebensgeschichte der Mata Hari mit viel Fiktion und Fantasie an. „Die Spionin“ ist einerseits die Geschichte von einer attraktiven und verführerischen Frau. Es wäre dies aber kein Roman von Coelho, würde er nicht auch die seelischen Untiefen und die inneren Motive von Mata Hari ausleuchten.

Paulo Coelho schlüpft in die Haut seiner Protagonistin und lässt sie in einem letzten Brief aus dem Gefängnis ihre aussergewöhnliche Lebensgeschichte selbst erzählen. Es ist die Geschichte vom Mädchen Margarete Zelle aus einem holländischen Kaff, das zur exotischen Tänzerin Mata Hari wurde. Tief in ihrem Herzen war sie jedoch eine einsame Frau, die ein Leben lang ihre grausame Kindheit zu verarbeiten hatte, dazu einen Missbrauch in der Schule, eine zum Scheitern verurteilte Ehe und schliesslich den tragischen Verlust ihrer Kinder.

Man kann zu Paulo Coelho und zu seinem spirituell-esoterischen Touch stehen, wie man will. Man kann ihn ablehnen oder annehmen. Zum Glück gibt es jedoch für die Literatur keine Normen und Qualitätsvorschriften. Können sich 210 Millionen Leserinnen und Leser weltweit irren? „Die Spionin“ ist jedenfalls eine Mutmachergeschichte, eine Aufforderung, mutig seinen eigenen Weg zu gehen, abseits von allen Konventionen.

Persönlich finde ich den neuen Paulo Coelho absolut lesenswert. Die Geschichte über eine verführerische Tänzerin, die sich als Mata Hari neu erfand und die sich als „Kriegerin“ allen Widerständen des Lebens entgegenstellte, hat mich fasziniert.

Zum Bild: spirituell-esoterischer Touch à la Coelho.  Foto: Kurt Schnidrig