Frankfurter Nächte sind heiss

Auf der Frankfurter Buchmesse treffen sich die Macher der Branche. Sie ist der weltweit bedeutendste Handelsplatz für Bücher, Medien und Verträge. Doch es gibt während der Buchmesse auch noch die Frankfurter Nächte. Und die sind heiss. Buchmesse und Partys, das gehört zusammen. Von der Comic-Party bis zum literarischen Tanzen reicht das Angebot. Für einmal habe ich – nebst der harten Literatur-Arbeit am Tag – das literarische Rahmenprogramm während der Frankfurter Nächte in Augenschein genommen (Bild). Es ist schon erstaunlich, was sich alles mit Literatur als Aufhänger anstellen lässt…

Das Literarische Tanzen etwa ist für mich ein ganz neues Feeling. Die Frankfurter nennen es „Dancing Littéraire“. Dabei stehen Autorinnen und Autoren von „Francfort en français“ auf der Bühne und verwandeln sich für eine Nacht in DJ’s.  Literaten wie Valérie Zenatti, Sylvain Prudhomme, Gwenaëlle Aubry lassen es sowohl literarisch als auch musikalisch krachen. Die Schriftsteller präsentieren ihre für diesen Abend verfassten Texte, Kurzgeschichten oder Gedichte. Jeder Text endet mit dem Titel eines Hits, den der DJ sofort auflegt.

Ab aufs Tanzparkett geht es auch zum Abschluss des Lesefestivals Open Books. Das ist die grosse Messeparty für die Fach- und Leserwelt und für alle, „die auch was mit Medien machen“. Da fühlt sich einer wie ich angesprochen, bin ich doch immerhin akkreditiert als rro-Literaturexperte. Ich freue mich auf die Musik, denn die kommt ausschliesslich von Autoren, Lektoren und Verlegern. Die Veranstalter versprechen „allerbestes Dideldumdei“ und „Fussmassage für Tanzmuffel“.

Sie sehen, liebe Leser, an der Frankfurter Buchmesse geht es nicht nur ums Lesen, Zuhören und Reden, sondern auch ums Sehen und Gesehenwerden. Dazu ist die Bar der Nobelherberge Frankfurter Hof eine gute Adresse. Die Bar verwandelt sich kurz vor Mitternacht in eine Autoren-Bar. Was Rang und Namen hat bei der schreibenden Zunft trudelt da zur Geisterstunde ein. Kein Platz allerdings hat es für die „Nur-Leser“. Für diese gibt es aber viel Prominenz zu bestaunen, und nicht nur solche mit Literatur im Gepäck.

Prominenz gibt es auch auf dem Messegelände zu bestaunen und zu hören, bevorzugt auch des Nachts. Zum Beispiel Udo Lindenberg. Auch er hat es getan. Auch er hat ein Buch geschrieben. Der Sänger, der mit seinem Panikorchester Rockgeschichte geschrieben hat, präsentiert ein starkes Buch mit einem starken Titel. Es heisst „Stärker als die Zeit – Die Stadiontour“. Noch lauter als Udo Lindenberg gibt sich Till Lindemann, der Frontmann der Formation „Rammstein“. Auch er hat es getan. Auch er schrieb ein Buch, zusammen mit Joey Kelly von der Kelly-Family. Der Titel des Gemeinschafts-Werks heisst: „Yukon – mein gehasster Freund“.

Den wollte ich unbedingt sehen und erleben: Den Krimi-Erfolgsautor Dan Brown. Er liest aus seinem neuesten Roman „Origin“. Doch leider lässt sich bei diesem Lärm der Rätselkrimi von Dan Brown kaum entschlüsseln. Zu Gast an der Buchmesse ist nämlich auch Brian May, der Gitarrist der Gruppe „Queen“, die mit  Songs wie „We are the Champions“ die Erde erbeben lässt. Wer es beschaulicher und ruhiger mag, der muss sich an die Bergsteiger-Legende Reinhold Messner halten oder an „Tatort“-Kommissarin Adele Neuhauser. Beide sprechen darüber, was sie geschrieben haben.

Nach Sonnenuntergang laden die Verbrecher und deren Ermittler im Haus des Buches zur Krimi-Nacht . Im Schutze der Nacht geben sich gleich acht Krimi-Autoren mit ihren neuesten Storys ein Stelldichein. Wer eine literarische Steigerung erleben möchte, dem ist „Literatur im Römer“ zu empfehlen. Die wichtigsten deutschsprachigen Romane des Spätsommers und des Herbstes stehen in diesem In-Lokal im Mittelpunkt.

Und ach ja, Bücher gibt es an der Frankfurter Buchmesse in grossen Mengen zu bestaunen. Zu erwerben allerdings sind die Bücher dort nicht. Wer geht schon an die Frankfurter Buchmesse, um Bücher zu kaufen? Dabei hätte so manches Buch das Potenzial, der Leserin oder dem Leser eine heisse Nacht zu bereiten… und dies ganz ohne Party und ohne Dancefloor.

Text und Foto: Kurt Schnidrig