An diesem Freitag, 10. November, steigt die 27. Schweizer Erzählnacht in allen vier Landesteilen. Sie steht unter dem diesjährigen Motto „Mutig, mutig! – Courage! –  Coraggio! –  Curaschi!“ Als ich damals, im Jahr 1990, als erster nationaler Projektleiter die Erfolgsgeschichte der Schweizer Erzählnacht einläuten durfte, war ich Professor für Deutsch am Oberwalliser Kindergärtnerinnenseminar und gleichzeitig Präsident des Vereins Kinder- und Jugendmedien Wallis. Damals hatte sich die Schweizer Erzählnacht aus der Oberwalliser Märlinacht heraus entwickelt, die ich zusammen mit meinen Seminaristinnen seit den 80er-Jahren in bis zu 30 Oberwalliser Gemeinden organisiert hatte.

Seither wird die Schweizer Erzählnacht jedes Jahr vom Schweizerischen Institut für Kinder- und Jugendmedien SIKM mit seinen Kantonalsektionen durchgeführt. Der Walliser Kantonalsektion, dem Verein Kinder- und Jugendmedien Wallis, stehe ich seither als Präsident vor, mir zur Seite stehen zur Zeit zwei meiner ehemaligen Schülerinnen, Aurélie Barat und Océane Zorn. Die Schweizer Erzählnacht gehört mittlerweile zu den grössten Kulturanlässen der Schweiz. 2016 fanden schweizweit 665 Veranstaltungen mit rund 70’000 Teilnehmenden statt, wie das SIKJM auf seiner Internetseite bekannt gibt. Ein nationaler Anlass von dieser Grösse zu managen, fällt nicht leicht, so dass das SIKJM zusätzlich UNICEF Schweiz und Bibliomedia Schweiz zur Mithilfe bei der Organisation der Schweizer Erzählnacht ins Boot geholt hat.

Wenn ich auf die bisherigen Erzählnächte zurückblicke, dann geschieht dies mit einem Gefühl von tiefer Dankbarkeit. Dankbar bin ich allen Weggefährtinnen und -gefährten, die Jahr für Jahr mithelfen, geschichtenhungrige Kinder, Jugendliche und Erwachsene am zweiten Freitag im November während einer langen Erzählnacht glücklich zu machen. Das gemeinschaftliche Erleben von Geschichten in einem anregenden Rahmen ist eine einfache, aber sehr wirksame Form der Leseförderung und bietet Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen lustvolle Zugänge zum Lesen.

Im Oberwallis geht die Erzählnacht in diesem Jahr an sechs Orten über die Bühne. In Bitsch sind sowohl Erwachsene wie Kinder beteiligt. Mit einem „Mut-Legekreis“ und einem Brainstorming zum Thema „Mut“ stimmen sich die Bitscher auf die abenteuerliche und spannende Nacht ein, die um 19.30 Uhr beginnt und morgens 09.00 Uhr mit einem leckeren Frühstück endet. Die Nacht beginnt mit einem Vorlese-Parcours der Eltern. Die Erzählnacht-Besucher beantworten Fragen zu den gehörten Geschichten, um sich Schlüssel zu verdienen, welche sie später zu einem Schatz führen werden. Selbst inszenierte Theater, Sketche, Zaubereien und Mutproben gelangen während der Nacht zur Aufführung. Projektleiterin in Bitsch ist Bernadette Zenklusen. Die Bitscher Erzählnacht ist öffentlich. 

Andere Erzählnächte im Oberwallis richten sich an ein bestimmtes Zielpublikum. In Fiesch bieten Lehrpersonen vier verschiedene, altersgerechte Ateliers zum Motto „Mutig, mutig!“ an. Angesprochen sind die 5H / 6H. Projektleiterin ist Beatrice Lambrigger. In Mörel richtet sich die Erzählnacht mit den Schwerpunkten lesen, erzählen und spielen an die Schülerinnen und Schüler der 1. – 4. Klassen. Im Schulhaus Ornavasso in Naters widmen sich die Jugendlichen der 5H / 6H der Lektüre „Fliegender Stern“ von Ursula Wölfel und veranstalten dazu Spiele und ein kleines Theater. In der Gemeindebibliothek Naters ist ein rund 2-stündiges Programm mit verschiedenen Posten zum Thema „Mutig, mutig!“ zu erleben. In Niedergesteln richtet sich die Erzählnacht an die 3. / 4.-Klässler und dauert bis gegen Mitternacht.

Freuen wir uns auf die 27. Erzählnacht am kommenden Freitag! Klein und Gross in der ganzen Schweiz werden literarischen Heldinnen und Helden in kühne Abenteuer folgen und vielleicht auch über den eigenen Schatten springen mit dem Schrei auf den Lippen: „Mutig, mutig!“

Text und Foto (Archivbild): Kurt Schnidrig