Literarischer Bummel durch Zürich

Zürcher sind der Zeit immer weit voraus. Am 10. Dezember war Zürcher Silvesterlauf. Kein Mensch weiss, warum der Lauf ins neue Jahr schon vor Mitte Dezember stattfindet. Der Lauf auf den schneebedeckten Strassen geriet dieses Jahr aber immerhin saisongerecht zu einem „Rutsch“ ins neue Jahr. Keine Chance für uns Walliser Landeier, sich an der Rutschpartie durch Zürichs Strassen auch nur einen Blumenstrauss, vergiss einen Platz auf dem Podest zu ergattern. Was tun? Zürich kann schön sein. Und Zürich hat viele Geschichten zu erzählen.

Literarisch schön und interessant aufgemacht, gibt es jetzt Zürcher Geschichten in einem neuen Online-Magazin zu lesen. Zürcherinnen und Zürcher erzählen in „HelloZurich“ originelle Zürcher Geschichten in Deutsch und Englisch. Da gibt es spannende Fotoreportagen, Geschichten von aussergewöhnlichen Menschen, Berichte, Kolumnen, Interviews und Meinungen in allen Schattierungen. „HelloZurich“ gefällt durch schlichtes Design und mit starken Bildern.

Statt zum Silvesterlauf starten wir zu einem (auch literarischen) Bummel durch Zürich. „HelloZurich“ dient als Reiseführer. Ausgangspunkt ist das schwimmende Salon Theater Herzbaracke auf dem Zürichsee. Vor über zwanzig Jahren baute Federico Pfaffen das Theaterschloss auf dem Zürichsee. Hier sollen die Servierdamen noch rauschende Röcke tragen und allzeit ein warmes Lächeln auf den Lippen haben, ist unserem Reiseführer „HelloZurich“ zu entnehmen. Auf der Bühne treffen Geschichtenerzähler auf Zauberer, und zu hören gibt es hemdsärmelige Seemannslieder oder mitreissenden Blues.

Vom schwimmenden Salontheater geht’s weiter zur alternativen Cafébar Zähringer. Seit 1981 wird das Zähringer im Kollektiv geführt. Deshalb hat das Café tatsächlich 15 Chefs, denn alle, die hier arbeiten, sind gleichzeitig Chef und Angestellte. Politische Ziele formulieren wollen die Mitglieder des Zähringer-Kollektivs jedoch nicht, es genügt, dass sie einfach politisch links sind. Punkt. So steht es zumindest im „HelloZurich“ geschrieben.

Toll sind auch die Geschichten über Zürcher Originale. Da gibt es zum Beispiel den Fritz Schneiter. Der steht seit 50 Jahren am Limmatquai und verkauft Blumen. Seine Karriere als „Rosenkavalier“ hat er schon mit siebzehn begonnen. Er sagt klar und deutlich – und nicht etwa durch die Blume – wie wichtig seine Blumen sind, besonders dann, wenn es um die entscheidenden Momente im Leben geht. In grossen Eimern mit Wasser stehen adrett gebundene Sommerblumen-Sträusse.

Heinz Hofer gilt als der Coiffeur ohne freie Termine. Will man „HelloZurich“ Glauben schenken, dann ist der Coiffeur verschwiegener als der Pfarrer nach der Beichte, und dies trotz all der Geschichten, die er von seiner Kundschaft aufgetischt bekommt. Schon seit 1970 ist Heinz Hofer mit seinem Coiffeur-Geschäft „Haar-Schopf“ am Neumarkt die erste Adresse für modische Haarschnitte.

Schläuche flicken ist das, was der Kreis-5-Veloladen von Enrico Mounayer am häufigsten macht. Enrico ist aber auch gerne bereit, eigenhändig von ihm zusammengebaute Zweiräder zu verkaufen. Und er verkauft garantiert keine E-Velos. Dagegen soll Enrico eine Schwäche haben für alte Exemplare mit hochwertigem Zubehör, ist im „HelloZurich“ nachzulesen.

Unseren literarischen Bummel durch Zürich beschliessen wir im Kafi Paradiesli bei Katja Graber. Die sympathische Wirtin empfängt ihre Gäste gerne mit einem Stück weissem Schokoladenkuchen. Bei Katja fühlt man sich wie im Paradies. Es ist ruhig im Kafi Paradiesli und die laute Stadt ist weit weg. Im „HelloZurich“ ist nachzulesen, dass Katja sich die Namen ihrer Stammgäste partout nicht merken könne. Auch ein Spickzettel habe da nichts gebracht. Aber das mache sie mit Freundlichkeit wieder wett. Davon können wir uns jederzeit überzeugen. Man darf sich duzen. Kinder spielen nebenan. Und Katja experimentiert mit ihrem weissen Schokoladenkuchen.

Silvesterlauf ist’s in Zürich und es ist Mitte Dezember. Da passt ja bestens ins Bild, dass auch der Zirkus Conelli schon sein Weihnachtsprogramm präsentiert (Bild). Die Zürcher sind eben ihrer Zeit immer weit voraus. Mit dem Silvesterlauf, mit dem Weihnachtszirkus. Vor allem aber mit der literarisch interessanten Idee eines Online Magazins mit Zürcher Geschichten. „HelloZurich“ mit seinen aussergewöhnlichen Geschichten ist eine originelle Einladung zu einem literarischen Bummel durch Zürich.

Text und Foto: Kurt Schnidrig