Der Wir-Faktor an Weihnachten

An Weihnachten rückt die Welt etwas näher zusammen. Weihnachtsgrüsse durfte ich kürzlich aus New York verschicken. Egal, ob man nun vor dem grossen Christbaum im New Yorker Bryant Park steht (Bild) oder vor dem grossen Christbaum auf dem Sebastiansplatz in Brig, die Weihnachts-Wunderwelt sieht auf der ganzen Welt ähnlich aus. Das Weihnachts-Fest vergrössert den Wir-Faktor. Wir sind die Welt.

Psychiater berichten besonders zur Weihnachtszeit, dass den Menschen heute vielfach das Wir-Gefühl fehlt. Jede und jede kämpft sich irgendwie durch den Alltags-Dschungel. Viele sind nur ungenügend eingebunden in einen sinnstiftenden sozialen Kontext. Es fehlt an einem gemeinsamen Sinn und an gemeinsamen Werten. Stattdessen dominiert der tägliche Kampf um Anerkennung und Status. Was fehlt, das ist der „Wir-Faktor“. Was auch fehlt, das ist die psychische Widerstandskraft, die Fähigkeit, mit der Rolle als Einzelkämpfer in dieser Welt klar zu kommen. Die Psychiater sprechen von fehlender „Resilienz“.

„Resilienz“ ist die Fähigkeit, auch unter widrigen Umständen sich durchzukämpfen. Resilienz ist die psychische Widerstandskraft, die uns befähigt, stressbedingte Erkrankungen und gesellschaftliche Belastungen besser und leichter ertragen zu können. Doch leider steckt unsere westliche Gesellschaft heute in einer „Resilienzkrise“. Der Psychiater Gregor Hasler diagnostiziert die Auswirkungen dieser Resilienzkrise in seinem Buch: Eine namenlose Angst und depressive Anzeichen wie innere Unruhe, Schlafstörungen, Schuldgefühle, depressive Verstimmungen, geringes Selbstwertgefühl, Energiemangel, Probleme beim Fokussieren von Gedanken. Was vielfach fehlt, das ist ein Gemeinschafs-Gefühl, das ist das Vertrauen in das Wohlwollen der Mitmenschen, das ist der Wir-Faktor.

Das Buch „Der Wir-Faktor“ des Psychiaters Gregor Hasler ist ein engagiertes Plädoyer für mehr persönliche Begegnungen und für mehr menschliche Nähe. Der in Bern wirkende Gregor Hasler geniesst in der Fachwelt als Arzt und Forscher grosse Anerkennung. Weil der Mensch ein Bedeutungs-, Anerkennungs- und Belohnungswesen ist, sei die Verstärkung sozialer und sinnstiftender Tätigkeiten von grösster Bedeutung, schreibt der Psychiater in seinem Buch. Sich gemeinsam für ein grosses und hehres Ziel engagieren, sowas stärkt das Wir-Gefühl. Denn wir sitzen alle in einem Boot, wir sind die Welt.

We are the world  ist ein Lied, das von Michael Jackson und von Lionel Ritchie geschrieben wurde. Es erschien auf dem Album „USA for Africa“ aus dem Jahr 1985. Die Single zählt zu den meistverkauften Singles aller Zeiten und verkaufte sich insgesamt über 20 Millionen Mal. Das Lied kam zustande mit dem Ziel, Geld zu sammeln für die Opfer der Hungersnot in Äthiopien. Die Idee dazu hatte ursprünglich Harry Belafonte, der sich vom Band-Aid-Klassiker „Do They Know It’s Christmas“ inspirieren liess, und der eine amerikanische Version von Band Aid mit dem gleichen Prinzip gründete.  Die Idee dahinter war und ist die gleiche: Zumindest an Weihnachten soll die ganze Welt näher zusammenrücken:

„We are the world, we are the children / We are the ones who make a brighter day so let’s start giving / There’s a choice we’re making we’re saving our own lies / It’s true we’ll make a better day just you and me.“

Ein frohes Weihnachtsfest mit viel „Wir-Faktor“ wünsche ich allen meinen Leserinnen und Lesern aus nah und fern.

Text und Foto: Kurt Schnidrig