Magische Silvesternacht

Wenn die Sektkorken knallen, dann haben gute Vorsätze Konjunktur und so manche Silvestergeschichte nimmt ihren Anfang. Das Feiern des neuen Jahres hat eine lange Tradition.  Die Silvesternacht bildet den Rahmen für so manche magische Geschichte. In der aktuellen internationalen Literaturszene findet sich die Silvesternacht als zauberhafter zeitlicher Rahmen in der fantastischen Geschichte  „Das Wolkenschloss“ von Kerstin Gier. In der Deutschwalliser Literaturszene lud die Autorin Patricia Aschilier mit ihrem Taschenbuch „Das Quartett“ vor wenigen Tagen zur Vernissage. Sie erzählt, wie eine Silvesternacht das Leben von vier Frauen entscheidend verändert, ich durfte Passagen aus ihrem Buch vortragen (Bild). Die aktuelle Literatur kann sich dabei auf eine lange Tradition berufen.

Bräuche und Geschichten zum Jahreswechsel haben eine jahrtausendealte Tradition. Das heidnische Kulturgut konnte sich dem kirchlichen Einfluss grösstenteils entziehen. Geblieben ist die Magie der Silvesternacht mit verführerischen Bräuchen und Geschichten, die mit ausgelassenen Feiern und Feten zelebriert werden. Bereits die alten Germanen feierten den letzten Tag des alten Jahres ausgelassen und vor allem lautstark, dies vor allem um die bösen Geister zu vertreiben. Heute fliegen um Mitternacht Raketen und Kracher in den Himmel, früher benutzte man Peitschen und Dreschflegel. Den „guten Rutsch“ darf man sich auch dann wünschen, wenn es – wie heute – kaum Glatteis gibt und Tauwetter herrscht. Der „gute Rutsch“ hat nämlich nichts zu tun mit einer Schlitterpartie: Er geht zurück auf das hebräische „Rosh“, das „Kopf“ oder „Anfang“ bedeutet. Einen guten Rutsch wünscht man sich am gehobenen Silvesterball ebenso wie an der feuchtfröhlichen Hüttenparty. Zwei Beispiele aus der aktuellen Literaturszene mögen den Sachverhalt illustrieren.

Ein berühmter Silvesterball findet im „Wolkenschloss“ statt aus dem gleichnamigen Roman von Kerstin Gier. Das Wolkenschloss ist ein magischer Ort hoch oben in den Schweizer Bergen. Es handelt sich dabei um ein altehrwürdiges Grandhotel, das in die Jahre gekommen ist und viel von seinem einstigen Glanz verloren hat. Doch wenn der Silvesterball ansteht, dann reisen die Gäste aus aller Welt an. Dann knistert und funkt es unter den riesigen Kronleuchtern und in den endlosen Korridoren vor Magie und vor Mystik. Zum Personal gehört auch die junge Frau Fanny, der trotz all dem Trubel nicht entgeht, dass sich die Gäste an der Silvesterfeier seltsam benehmen. Viele sind nicht das, was sie vorgeben zu sein. Hinter den dicken Samtvorhängen werden eifrig geheime Pläne geschmiedet. Und warum nur nimmt sich ein Gast die Mühe, die Fassade hochzuklettern, statt die Treppe zu nehmen? Fanny taucht ein in mystische Abenteuer und riskiert dabei ihr Herz zu verlieren… „Das Wolkenschloss“ ist ein bisschen Krimi, ein bisschen Fantasy-Geschichte, ein bisschen Liebesroman.

Eine Silvesterparty in einer Hütte läuft in „Das Quartett“ völlig aus dem Ruder. Die Autorin Patricia Aschilier erzählt die Geschichte von vier Frauen, die sich ewige Freundschaft geschworen haben: die temperamentvolle Katharina, die schüchterne Sara, die überhebliche Monika und die lebenserfahrene Ines. Die vier Frauen feiern ausgelassen die Silvesternacht. Als dann plötzlich vier Männer in der Hütte auftauchen, kommt es zu Übergriffen und zu Handlungen, die für ein Leben lang Folgen nach sich ziehen werden. Die Vorkommnisse dieser Silvesternacht müssen verarbeitet werden. Jahre später treffen sich die Frauen nochmals in der Silvesternacht und nochmals dient die Hütte von damals als Schauplatz. Die Autorin erzählt eine hoch spannende und auch psychologisch gut motivierte Geschichte.

Die Silvesternacht – ein Höllenspektakel?  „Das Quartett“ und „Das Wolkenschloss“ legen den Schluss nahe, dass am 31. Dezember vieles aus dem Ruder laufen kann. Ein wahres Höllenspektakel kann daraus resultieren. Schon unsere Vorfahren, die Germanen, fürchteten die Silvesternacht und veranstalteten deshalb lieber gleich selber ein „Höllenspektakel“. Sie zündeten Holzräder an, die sie brennend ins Tal rollen liessen, um die Dunkelheit und die bösen Geister damit zu vertreiben. Magische und mystische Bräuche haben sich bis heute erhalten. Dazu gehört das Bleigiessen. Die gegossenen Figuren sollen uns Hinweise geben auf Ereignisse im neuen Jahr. An Silvester ist auch das Kartenlesen angesagt oder das Lesen aus dem Kaffeesatz. Das Ziel von all diesen Tätigkeiten ist immer dasselbe: Wir möchten so gerne wissen, was uns die Zukunft bringen wird. Das „Höllenspektakel“ lassen wir uns auch was kosten. Unsere Nachbarn, die Deutschen, haben kürzlich die Zahlen offen gelegt: Sie lassen sich das „Höllenspektakel“ in der Silvesternacht rund 100 Millionen Euro kosten…

Text und Foto: Kurt Schnidrig