Böse Mädchen kommen überall hin

Good girls go to heaven, and bad Girls go everywhere. Das Zitat stammt von der US-amerikanischen Filmschauspielerin und Drehbuchautorin Mae West, die im Hollywood des vorigen Jahrhunderts zu den bestbezahlten Filmstars gehörte. Mit dem Zitat von Hollywood-Star Mae West bewirbt in diesem Frühjahr der Schweizer Diogenes Verlag ein Buch, das zeigen soll, dass auch Hollywood-Diven auf ihre Weise die Schranken des Anstands durchbrachen. Auch Hollywood-Diven verstiessen gegen alle Gebote und gegen die herrschende Moral. Das skandalumwitterte Buch heisst „Die Sünde der Frau“. Geschrieben hat das Buch eine Frau, die Bestseller-Autorin Connie Palmen.

Die Sünde der Frau im Hollywood des vorigen Jahrhunderts soll darin bestanden haben, dass Stars wie Marilyn Monroe, Marguerite Duras, Jane Bowles oder Patricia Highsmith sich gegen ein „normales Frauenleben“ auflehnten. So wie Eva, die erste Frau im Sündenfall, lebten die weiblichen Künstlernaturen auf den Gebieten von Film, Kunst und Literatur nach eigenen Gesetzen. Sie liessen sich von keinen moralischen Leitplanken einschränken. Böse Mädchen kommen überall hin, will heissen: Gut ist, was frei, souverän und selbständig macht. Gut ist, was die eigene Karriere befeuert. Zu Beginn stand bei den weiblichen Stars die Originalität, es folgte der Ruhm und dann die Selbstzerstörung. Tatsächlich war der Preis, den sie für Selbstbestimmung und Unsterblichkeit bezahlten, sehr hoch.

Hollywood-Star Mae West lebte ein Leben als „femme fatale“. In New York aufgewachsen, wurde sie auf den Varietébühnen des Big Apple schnell zum Star. Sie schrieb als Drehbuchautorin zahlreiche umstrittene Broadway-Bühnenstücke. Das Stück „Sex“ bescherte ihr wegen „Obszönität auf der Bühne“ gar einen Aufenthalt im Gefängnis. Die Skandale waren höchst förderlich für ihre Karriere. Aufgrund ihrer Filme „Night After Night“ und „Ich bin kein Engel“ avancierte sie zur bestbezahlten Diva der Traumfabrik. Die Sittenwächter schnitten immer wieder ganze Szenen aus ihren Filmen heraus. Sie brillierte auch als Sängerin mit Liedern von Interpreten wie Percy Sledge („When a Man Loves a Woman“). Als Inbegriff der Femme fatale proklamierte sie die Freiheit der Liebe und die Gleichheit der Geschlechter.

Die US-amerikanische Schriftstellerin Patricia Highsmith lebte nach dem Motto: „Der Zweck heiligt die Mittel“. Sie sprach offen in Interviews von ihrer Faszination für das Böse und dessen Sieg über das Gute. Ihre populärste Romanfigur war Tom Ripley, ein amoralischer, hedonistischer Krimineller, der auch vor Mord nicht zurückschreckte. Nichtsdestotrotz landeten die Werke der Patricia Highsmith auf der Vorschlagsliste für den Literatur-Nobelpreis.

Trotz der Abgründe und der moralischen Verwerflichkeit vieler weiblicher Künstlernaturen des letzten Jahrhunderts ist deren Bewunderung bis heute ungebrochen. Ihnen gilt unser tiefes Verständnis und unser Mitleiden.

Text und Foto (Symbolbild): Kurt Schnidrig