Horrorgeschichten stärken die Psyche

Horrorgeschichten können unsere Psyche stärken. Wer Geschichten liest, die Angst auslösen, der tut etwas für seine Psychohygiene. Beim Lesen eines Thrillers werden Ängste in einem geschützten Rahmen freigesetzt. Wir empfinden beim Lesen von Psychothrillern zwar Angst und Schrecken, wir haben jedoch immer die Möglichkeit, auszusteigen und das Buch zu schliessen. So funktioniert das Lesen von Thriller-Literatur wie ein Training gegen Ängste, auch gegen wirkliche Ängste im realen Leben. Sollte es im Leben wirklich mal brenzlig werden, sind wir psychisch bereit. Bedingung ist, dass die Thriller-Literatur von realen Ereignissen ausgeht, so dass wir uns als Leser gut einfühlen können.

Thriller-Autor Sebastian Fitzeck lässt sich von wirklichen Ereignissen inspirieren. Dabei schreckt er nicht davor zurück, allseits bekannte Katastrophen in seine Psychothriller einzubauen. Alle waren wir geschockt vom Germanwings-Absturz in Südfrankreich. Am 24. März 2015 befanden sich 150 Passagiere in einem Airbus der deutschen Fluggesellschaft Germanwings. Das Flugzeug war in Barcelona gestartet und sollte in Düsseldorf landen. Der Co-Pilot, Andreas Lubitz, leitete über den französischen Alpen bewusst den Sinkflug ein und liess die Maschine an einem Bergmassiv zerschellen. Andreas Lubitz litt an Depressionen und wollte sich so das Leben nehmen. Er riss alle 150 Passagiere mit sich in den Tod. Von diesen schrecklichen Ereignissen liess sich Thriller-Autor Sebastian Fitzeck inspirieren. Entstanden ist der Psychothriller „Flugangst 7a“.

Die Germanwings-Katastrophe traumatisierte viele Flugreisende. Zwar unternimmt man heute viel, damit keine physischen Bomben an Bord eines Flugzeugs gelangen können. Es lässt sich jedoch wenig ausrichten gegen Menschen, die einen „psychologischen Sprengsatz“ in sich tragen. Ein depressiver und suizidgefährdeter Pilot wirkt wie ein psychologischer Sprengsatz, den man weder mit einem Detektor noch mit irgend einem anderen Gerät aufspüren kann. Wer sich in ein Flugzeug begibt, dem bleibt nichts anderes übrig, als sich den Menschen anzuvertrauen, die das Flugzeug pilotieren. Um dieses Vertrauen aufbauen zu können, braucht es eine starke Psyche. Die Psyche lässt sich nur stärken durch das moderate und kontrollierte Erleben von Angstzuständen.

Allzu starke Parallelen zur Katastrophe darf ein Thriller-Autor nicht ziehen. Das Leid der Opfer darf niemals zu Unterhaltungszwecken missbraucht werden. So beschreibt der Autor in „Flugangst 7a“ vor allem, was in den Köpfen der Passagiere bei einer derartigen Katastrophe vor sich geht. Um dem Leser viel Einfühlungsvermögen zu ermöglichen, führt der Autor die Figur eines Psychiaters ein. Dieser fliegt von Buenos Aires zurück nach Berlin, weil seine Tochter da ein Kind erwartet. Der Psychiater leidet unter extremer Flugangst. Aus diesem Grund hat er sich akribisch auf den Flug vorbereitet. Er hat nicht nur die Baupläne des Flugzeugs studiert, er hat sogar die Absturzstatistiken durchgerechnet. Doch trotz allen Sicherheitsvorkehrungen tritt ein Ereignis ein, mit dem der Psychiater als Fluggast nicht gerechnet hat. Während des Fluges erhält er den Anruf einer ehemaligen Patientin, die im gleichen Flugzeug sitzt. Sie verlangt von ihm, dass er das Flugzeug zum Absturz bringe, sonst sei seine Tochter in Lebensgefahr…

Der Psychothriller „Flugangst 7a“ soll für die Leserin und für den Leser eine sogenannte Blitzableiter-Funktion haben. Der Thriller lenkt vom Alltag ab, er nimmt uns mit in ein Flugzeug hoch über den Wolken, er liefert uns aus in die Hände einer Erpresserin. Als Leser identifizieren wir uns mit dem leidenden Protagonisten, und wir stellen uns zusammen mit ihm die Frage: Sollen wir der Erpresserstimme gehorchen und wollen wir das Flugzeug zum Absturz bringen? Zusammen mit dem Protagonisten durchleben wir die Ängste und den Horror, ausweglos eingesperrt im Passagierraum eines Flugzeugs.

Als Leser erleiden wir jedoch nicht umsonst die Angst und den Horror. Wir leiden mit, wir fühlen uns ein, wir entwickeln Empathie. So stärken wir unsere Psyche, so pflegen wir unsere Psychohygiene. Nur so sind wir psychisch und mental bereit, falls es wirklich mal brenzlig werden sollte in unserem Leben.

Text und Foto (Symbolbild): Kurt Schnidrig