Die Bienen-Mensch-Apokalypse

Viele Sachbücher über die Bienen sind in den vergangenen Monaten erschienen. Ausgelöst hat den Hype zuerst der Film „More than Honey“. Umweltaktivisten heizten das Thema dann zusätzlich auf mit einem erfundenen und falschen Zitat von Einstein. Das Ergebnis sind vor allem Sachbücher für Kinder, die voller Fehler sind. Die Bücher wurden in Windeseile produziert, aus fremden Sprachen schlecht übersetzt und viel zu wenig durchdacht. Jetzt musste die Fachfrau Eva Sprecher seitens des Zentralvorstands von „BienenSchweiz“ die grössten Irrtümer richtig stellen. Sie tat dies in der Zeitschrift des Schweizerischen Instituts für Kinder- und Jugendmedien.

Fehlerhafte Bücher über Bienen. In vielen Fällen handelt es sich bei den fehlerhaften Büchern um Übersetzungen aus dem Englischen, dem Polnischen oder dem Schwedischen. Aus dem Englischen übersetzt ist beispielsweise das Buch von Charlotte Milner mit dem Titel „Das Buch der Bienen“. Das Positive vorweg: Das Buch ist ansprechend gestaltet und es motiviert schon die Kleinsten unter uns zum Schutz der Bienen. Dann muss man da aber lesen, dass die Bienen mithilfe von „Spuckeblasen“ Honig machen, was zweifellos eine missglückte Übersetzung aus dem Englischen ist. Auch werden im Buch unter Hilfsmassnahmen lediglich sogenannte Wildbienenhotels mit Pflanzenstängeln erwähnt, was so nicht stimmt. Die Mehrzahl der Wildbienen nisten nämlich nicht in Stängeln, sondern in sandigem oder lehmigem Boden. Fehlerhaftes findet sich auch im Buch „Schau, was machen die Bienen“ von Katarzyna Bajerowicz, aus dem Englischen übersetzt von Sandra Margineanu. Da wird beispielsweise auf eine Abbildung hingewiesen: „Siehst du, wie lang ihre Zunge ist“, dabei ist auf der Abbildung gar keine Zunge zu sehen, sondern nur ein langer Rüssel. Es finden sich darin auch falsche Formulierungen, zum Beispiel dass Bienen „aus Pollen neuen Honig machen“. Auch Bücher, die aus dem Polnischen übersetzt wurden, sind fehlerhaft. So wie das Buch „Bienen“ von Piotr Socha. Der Autor behandelt zwar viel Wissenswertes von der Anatomie bis zur Geschichte der Imkerei und bis zu den Trachtpflanzen und zu den Bienenprodukten. Er verwendet jedoch den Begriff „Wildbienen“ missverständlich und die in Wirklichkeit nach unten hängenden Weiselzellen schauen in den Abbildungen nach oben.

Und was sagte nun Einstein wirklich? Er soll folgende Mahnung der Menschheit hinterlassen haben: „Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben.“ Der Satz wurde von vielen Medien zitiert und weiterverbreitet, darunter auch von vielen Umweltaktivisten und Grünen. Irgendwie verständlich. Was nämlich könnte man sich mehr wünschen, als das grösste Genie des 20. Jahrhunderts für die eigenen Kampagnen einspannen zu können? Und immerhin war Einstein nebst Physiker und Nobelpreisträger auch noch Bienenkundler. Als das Zitat erstmals auftauchte, war Einstein bereits tot. Das Albert-Einstein-Archiv in Jerusalem musste bereits 2007 endgültig klarstellen, dass es keinerlei Hinweise darauf gebe, dass Einstein diesen Satz jemals gesagt habe. Trotzdem wird bis heute die sogenannte „Einsteinsche Bienen-Mensch-Apokalypse“ gerne immer wieder mal ins Feld geführt.

Die Einsteinsche Bienen-Mensch-Apokalypse. Wenn die Biene einmal von der Erde verschwindet, hat der Mensch nur noch vier Jahre zu leben. Natürlich ist dieses Zitat – von wem auch immer – aus ehrenhaften und aktivistischen Überlegungen heraus entstanden. Natürlich sind die Bienen bedroht, insbesondere von Parasiten wie der Varroamilbe. Trotzdem sind die Bienen aber derzeit nicht vom Aussterben bedroht. Die Einstein untergeschobene Bienen-Mensch-Apokalypse gibt einen Zeitraum von vier Jahren vor. Warum aber gerade vier Jahre bis zum Untergang der Menschheit? Wie sollte Einstein dies berechnet haben? Und die Prophetie zieht noch weitere Kreise: „Keine Bienen mehr, keine Bestäubung mehr, keine Pflanzen mehr, keine Tiere mehr, kein Mensch mehr.“ Kann diese Kette der Vernichtung stimmen? Bereits beim ersten Glied der Kette stellen sich Fragen. Ist die Biene wirklich allein zuständig für die Bestäubung sämtlicher Pflanzen unseres Planeten?

Wer bestäubt was? Jedes gute Biologie-Buch gibt darüber Auskunft, wer alles an der Bestäubungs-Arbeit beteiligt ist. Neben den Bienen gibt es da noch eine ganze Menge andere Bestäuber. Bei vielen wichtigen Pflanzen wie Weizen, Mais, Reis, Roggen, Hafer, Hirse und Gerste übernimmt der Wind die Bestäubung. Die Hälfte aller Kalorien, welche die Menschen auf der ganzen Welt brauchen, liefern schon Weizen, Mais und Reis, deren Bestäubung der Wind übernimmt.  Als tierische Bestäuber betätigen sich neben den Bienen auch noch viele andere Insekten und Krabbler. Geschätzte 50 Prozent der Bestäubungsarbeit übernehmen Fliegen, Käfer, Schmetterlinge und Motten, und sogar die fleissigen Ameisen lassen sich als Bestäuber einspannen.

Panikmache oder Aufklärung? Selbstverständlich sind die Bienen verantwortlich für Vieles, was auf unseren Tisch kommt. Dazu gehören vor allem die Früchte und das Gemüse. Ohne sie gäbe es zwar Vieles nicht, unser Tisch wäre aber wohl trotzdem noch gedeckt mit Grundnahrungsmitteln. Wäre diesbezüglich nicht eine gezieltere Aufklärung angebracht? So ehrenhaft manchmal Panikmache auch zu sein scheint, sie löst leider oftmals nur Hoffnungslosigkeit, Pessimismus und Zukunftsangst aus.

Text und Foto: Kurt Schnidrig