Martin Suters zerbrechliche Erotik

Wieder ein neuer Allmen-Krimi von Martin Suter. Bereits ist es der fünfte Krimi des Zürcher Bestseller-Autors. In „Allmen und die Erotik“ geht es um frivole Zerbrechlichkeiten. Zuoberst auf der Wunschliste zweier prominenter Diebe steht eine erotische Figurengruppe aus Porzellan. Das Kunstwerk aus Meissen trägt den Namen Der indiskrete Harlekin. Die erotische Figurengruppe ist das kunstvolle Werk eines Meisters aus dem Rokoko. Die eindeutig zweideutigen Figuren sollen aus einer Porzellanmanufaktur entwendet werden. „Allmen und die Erotik“ ist ein sehr verkaufsfördernder Titel. Ganz zu überzeugen vermag Martin Suter mit seinem neusten Buch jedoch nicht. Man sehnt sich wieder zurück nach seinen früheren Romanen mit gesellschafts- und medizinkritischen Handlungen.

Ein Krimi fast ohne Spannung. „Allmen und die Erotik“, Suters aktuellem Roman, fehlt es an Spannung. Zwar kann der frühere Werbetexter auch in seinem neusten Buch mit seiner Eloquenz punkten. Aber der neue „Allmen“ ist inhaltlich zu einfach, zu belanglos, zu flach. Worum geht es? Allmen ist in seinem Job als Wiederbeschaffer von geraubter Kunst erfolglos. Weil er jedoch auf seinen grossspurigen Lebensstil nicht verzichten möchte, erinnert er sich an seine Vergangenheit als Kunstdieb. Die angenehme „Fremdfinanzierung“ seines aufwändigen Lebensstils läuft vorerst gut an. Als Allmen jedoch beim Stehlen eines wertvollen Objekts in einer Galerie gefilmt wird, gerät sein lukratives Leben als Einbrecher in Schieflage. Ein zwielichtiger Typ namens Krähenbühler ist es nämlich, der Allmen beim Diebstahl gefilmt hat. Prompt wird Allmen vom Ganoven Krähenbühler erpresst und zu einer geschäftlichen Zusammenarbeit gezwungen. Allmen soll Kunsteinbrüche begehen, damit Krähenbühler gegenüber den Geschädigten als Sicherheitsexperte auftreten kann. Bei dieser Gelegenheit möchte Krähenbühler den Opfern teure Bewachungssysteme andrehen. Bei einem der Einbrüche geraten Allmen und Krähenbühler an wertvolles Meissner Porzellan. Darunter befindet sich auch ein sehr erotisches Stück. Die erotischen Figurenkomposition mit dem Namen „Der indiskrete Harlekin“ gehört der scheinbar süssen Unschuld Jasmin, in die sich Allmen verguckt. Der überraschende und originelle Bucheinstieg, wo sich Allmen plötzlich dem Erpresser gegenüber sieht, lässt auf eine spannende Handlung hoffen. Diese verläuft jedoch ohne Komplikationen. So gestaltet sich die Story schlussendlich als unverfänglich und belanglos.

Eine optische Erzählweise. Kritiker – vorab in Deutschland – lassen keinen guten Faden an Martin Suters Erzählstil. Sie monieren, Suter könne fast nur knappe Hauptsätze formulieren. Diese würde er dann mit Aufregendem aufpeppen. Doch da ist mehr als reine Effekthascherei. Als ehemaliger Besitzer einer Werbeagentur weiss Suter, wie man beim Schreiben aussagekräftige Bilder im Kopf der Leser entstehen lassen kann. So gesehen, eignen sich Martin Suters Bücher bestens auch als Drehbücher für Literaturverfilmungen. Wohl auch aus diesem Grund hat das ZDF bereits zwei Folgen aus der Allmen-Buchserie verfilmt. Suters Erzählstil ist eine visuell ansprechende Prosa.

Zurück zur „neurologischen Trilogie“? Es ist kein Geheimnis, dass viele Martin-Suter-Fans sich nach dem Stil der früheren Suter-Romane zurücksehnen. Martin Suter schaffte Ende der Neunzigerjahre den Durchbruch mit den Romanen Small World, Die dunkle Seite des Mondes und Ein perfekter Freund. In diesen ersten Romanen spielt die Krimihandlung eine untergeordnete Rolle. Dafür geizt der Autor nicht mit gesellschafts- und medizinkritischen Rahmenhandlungen. Suter selbst bezeichnet diese drei Romane als „neurologische Trilogie“, weil der Protagonist darin mit Identitätskrisen zu kämpfen hat. Die „neurologische Trilogie“ hat Martin Suter zum Bestseller-Autor werden lassen.

Ein persönliches Gespräch mit Martin Suter habe ich zu seinem 70. Geburtstag veröffentlicht. Es kann nachgelesen werden in meinem Blog vom 27.02.2018. Mit Martin Suter habe ich mich unterhalten, als er in Brig seinen bis anhin besten Roman vorstellte, es ist dies „Die dunkle Seite des Mondes“ (Bild oben). Wegen der frühen Romane kann Martin Suter überall im deutschsprachigen Raum auf eine treue Leserschaft bauen. Wer die Allmen-Bücher gelesen hat, der wünscht sich, dass doch bald wieder ein richtiger Suter-Roman erscheinen möge. Daran kann auch die verkaufsfördernde Erotik nichts ändern. Und ein indiskreter Harlekin aus Porzellan erst recht nicht. Früher war bestimmt nicht alles besser. Bei Martin Suter aber schon.

Text und Foto: Kurt Schnidrig