Wenn die Seele aufschreit

Viele Menschen üben völlig überflüssige Jobs aus. Warum nur sind so viele bereits nach halb gelebtem Leben bereits ausgebrannt und psychisch krank? Schriftsteller, vorab in den USA, denken in ihren Büchern offen nach über die Bedeutung der Arbeit für den Menschen. Trotz des Einsatzes von Maschinen ziehen die meisten Menschen kaum Befriedigung aus ihrer Arbeit. Insbesondere der Finanz- und Informationssektor bringt besonders viele Bullshit-Jobs hervor. Die sinnlose Arbeit ist für die Betroffenen eine enorme psychische Belastung. In seinem Buch „Bullshit-Jobs“ schildert der US-Autor David Graeber, wie die Lohnarbeit den modernen Menschen zerstört. Dabei sollte ja die Arbeit unserem Dasein einen Sinn geben.

Da schreit die Seele laut auf. Viele Menschen üben Jobs aus, die sind ein direkter Angriff auf alles, was uns zu Menschen macht. Beispiele für solche Bullshit-Jobs gibt es haufenweise. Da ist etwa die Personalassistentin Judy, sie gibt offen zu, dass sie dafür bezahlt wird, sich zu langweilen. Oder da ist die Portfoliokoordinatorin Ophelia, die kein Ahnung hat, was sie eigentlich tun soll. Und da ist Kurt, der bei einem Subunternehmer eines Subunternehmers der deutschen Bundeswehr angestellt ist. Er muss oft mit einem Kollegen Hunderte Kilometer fahren, nur um dort einen Computer von einem Zimmer ins andere zu tragen und ein paar Formulare auszufüllen. Bullshit-Jobs auch auf höchster Ebene: Chloe ist Dekanin einer Universität, und sie verbrachte zwei Jahre damit, „Arbeit für mich selbst und andere zu erfinden“. Im Buch von David Graeber machen Menschen ihrem Ärger über ihre sinnfreie Tätigkeit Luft.

Eine kafkaeske Arbeitswelt. Das Adjektiv „kafkaesk“ steht für Situationen und diffuse Erfahrungen der Angst, Unsicherheit und Entfremdung, sowie für das Ausgeliefertsein an anonyme und bürokratische Mächte. „Kafkaesk“ bezeichnet auch alles Absurde, vor allem auch die Ausweg- und Sinnlosigkeit des Arbeitslebens, die bei den Betroffenen Schuld und innere Verzweiflung auslöst. Der Begriff leitet sich aus der Grundstimmung einiger Werke Kafkas ab, in denen die Protagonisten einer undurchschaubaren Arbeitswelt ausgeliefert sind, die von Komik und Tragik fremdbestimmt ist. In diesem Sinn definiert der Autor Graeber in seinem Buch: „Ein Bullshit-Job ist eine Form der bezahlten Anstellung, die so vollkommen sinnlos, unnötig und gefährlich ist, dass selbst derjenige, der sie ausführt, ihre Existenz nicht rechtfertigen kann, obwohl er sich im Rahmen der Beschäftigungsbedingungen verpflichtet fühlt, so zu tun, als sei dies nicht der Fall.“

Braucht es ein Umdenken? Persönlich mag ich Autoren wie David Graeber. Literaten, die wissen, wovon sie schreiben. Sein Vater kämpfte im spanischen Bürgerkrieg und wurde dort zum Anarchisten. Seine Mutter spielte die Hauptrolle in der Musikrevue der „International Ladies‘ Garment Workers‘ Union“. Ihr Sohn David wuchs also in einem sehr politischen Umfeld auf. Bereits seit seinem 16. Altersjahr bezeichnet er sich als Anarchist und als Kritiker des Kapitalismus. Sein politisches Engagement kostete Graeber den Lehrvertrag an der renommierten Yale-Universität, was er selbst so kommentierte: „Ich schien meine Arbeit zu sehr zu lieben.“

Irgendetwas läuft vollkommen falsch. Viele Menschen meinen heute, sich in einer kafkaesken Welt zu befinden. Manche plädieren für ein grundlegendes Umdenken. „An dem, was wir aus uns gemacht haben, ist irgendetwas vollkommen falsch. Es wäre mir lieb, wenn mein Buch zu einem Pfeil wird, der ins Herz unserer Zivilisation zielt.“ (David Graeber in: Bullshit-Jobs).

Text und Fotos: Kurt Schnidrig. Buch-Cover: www.klett-cotta.de