Liebe ist (nicht) nur ein Wort

Zum Valentinstag ein passendes Buch? Zum Tag der Liebe, und auch für die Zeit danach, kann ich Ihnen, liebe Leser*innen, „Lempi“ empfehlen. Lempi? Lempi heisst Liebe. Lempi ist aber auch der Name einer wundervollen Frau im gleichnamigen Roman der zauberhaften finnischen Autorin und Sprachlehrerin Minna Rytisalos. Sie zeigt in ihrer Geschichte, was alles Liebe sein kann.

Ist Liebe nur ein Wort? Noch vor zehn Jahren beschwor Bestseller-Autor Johannes Mario Simmel seine Leserschaft, in Sachen Liebe mehr als vorsichtig zu sein. Sein Roman „Liebe ist nur ein Wort“ wurde verfilmt und ging um die Welt. Buch und Film waren damals ein wahrer Schocker für alle Verliebten: Der 21-jährige Student Oliver verliebt sich Hals über Kopf in die um zehn Jahre ältere Bankiersgattin Verena. Oliver und Verena beginnen eine heftige, aber kurzlebige Affäre. Oliver durchschaut nicht rechtzeitig genug das Netz aus Intrigen, das Verena um ihn herum spinnt. Für die reiche Dame ist Liebe nur ein Wort. Oliver zerbricht an der unerfüllten Liebe und begeht Selbstmord.

Eine neue Sicht von „Liebe“. Seither hat sich in der Romanliteratur einiges getan. Entsprechend der gesellschaftlichen Öffnung und der Umgestaltung traditioneller Werte, gehen Autor*innen auch mit dem Begriff „Liebe“ freizügiger um. In ihren Geschichten begegnen wir der Liebe als einem vielgestaltigen, kaum fassbaren Phänomen. Stellvertretend empfehle ich Ihnen, liebe Leser*innen, den zauberhaften Roman „Lempi – das heisst Liebe“ der Autorin Minna Rytisalo (Hanser 2018, 224 Seiten). Minna Rytisalo ist eine 44-jährige Sprachlehrerin aus Lappland. Der grossartige Roman über die Spielarten der Liebe ist in blumiger und wortgewaltiger Übersetzung nun auch in deutscher Sprache erhältlich. In diesem Roman vermitteln drei Menschen ihre ganz eigene, unterschiedliche und besondere Auffassung darüber, was Liebe sein und bedeuten könnte.

Liebe ist eine Himmelsmacht. Der Himmel hängt voller Geigen für den jungen Bauer Viljami. Die Welt erscheint ihm frisch und blank poliert, als die junge Frau mit dem Namen Lempi im kleinen Dorfladen ihm schöne Augen macht. Lempi heisst auf finnisch Liebe. Und sie beginnt „das herrliche Spiel Liebe“ mit dem jungen Bauern Viljami. Als sie sogar zu ihm auf seinen abgeschiedenen Bauernhof zieht, scheinen die Beiden das unendliche Glück gepachtet zu haben. Doch es ist die Zeit zwischen 1939 und 1945, der Krieg rollt über das Land hinweg, und plötzlich ist nichts mehr, wie es war. Das „herrliche Spiel Liebe“ ist ausgespielt, Viljami findet sich als Soldat wieder, Finnland wird zum Schauplatz der Schlachten zwischen Deutschland und der Sowjetunion. Viljami überlässt Lempi, seine grosse Liebe, der Obhut der Magd Elli.

Liebe ist ein Privileg. Für Elli, für die Magd, ist die Liebe ein Privileg reicher Leute. Die Liebe ist ihrer Auffassung nach nur vornehmen Leuten vorbehalten, zu denen auch Lempi gehört. Nun bricht Lempi in die bäuerliche Welt ein, die eigentlich ganz allein ihr, Elli, der Magd, gehören sollte. Deshalb sieht Elli in Lempi eine Rivalin. Elli beschliesst, Lempi zu töten, ganz einfach mit dem Messer oder mittels schwarzer Magie. Nach dem Mord an Lempi möchte sie selbst die Rolle der Bäuerin übernehmen. Heimkehrer Viljami befällt eine Todessehnsucht, als er vom Hinschied seiner geliebten Lempi erfährt. Die Intrigantin Elli versucht ihn zu umgarnen und für sich zu gewinnen.

Liebe ist eine schwierige Angelegenheit. Eine dritte Sicht von „Liebe“ bringt Lempis Zwillingsschwester Sisko ins Spiel. Für sie ist die Liebe ein Spiel, das ohne grosse Gefühle auskommt. So hat sie die Liebe als Braut an der Seite eines deutschen Soldaten erlebt. Nach dem Krieg zieht sie die Verachtung ihrer Landsleute auf sich, weil sie weiterhin als „Soldatenhure“ durch die Lande zieht. Der kühl berechnenden Liebesdienerin gelingt es , den Bauern Viljami für sich zu gewinnen und der Mörderin Elli eine Abfuhr zu erteilen. Doch obschon die Siegerin in diesem intriganten Spiel, sieht sie die Liebe letztlich doch als „irgendwie eine schwierige Angelegenheit“.

Liebe ist nicht nur ein Wort. Die Liebe kann eine Himmelsmacht sein wie für den Bauern Viljami, der Himmel hängt dann voller Geigen. Die Liebe kann aber auch so furchtbar ungerecht sein, wie für Elli, die Magd, die zur Mörderin wird. Immer aber bleibt die Liebe wohl irgendwie eine schwierige Angelegenheit, wie für Sisko, die Soldatenhure, die in der Liebe ein Spiel sieht, das ohne grosse Gefühle auskommt. Doch leider gibt es am Schluss dieser Geschichte eine Tote. Die Tote heisst Lempi. Und „Lempi“ heisst Liebe.

Was ist Liebe? Zu allen Zeiten haben sich Dichter und Schriftsteller über die Liebe ihren Kopf zerbrochen. Für einige ist die Liebe ein Märchen. Oftmals ist die Liebe aber ein Märchen, das nicht mit „Es war einmal“ beginnt, sondern damit endet. So ist es in der Liebesgeschichte der Autorin Minna Rytisalos. Für Johannes Mario Simmel war Liebe nur ein Wort. Für den Dichter Adalbert von Chamisso (1781-1838) funktionierte die Liebe wie die Musik. Er schrieb: „Liebe ist kein Solo. Liebe ist ein Duett. Schwindet sie beim einen, verstummt das Lied.“

Text und Foto (Symbolbild): Kurt Schnidrig