Begegnungen in Leukerbad

Spannende Erinnerungen an das Literaturfestival: Eine Begegnung mit dem türkischen Bestseller-Autor Murathan Mungan

Das Literaturfestival Leukerbad lockt. Vom 28. bis zum 30. Juni bieten 23 Autorinnen und Autoren aus 16 Nationen in Lesungen und Gesprächen viel Interessantes aus der Welt von Roman, Erzählung und Gedicht. Als Einstieg in das Festivalwochenende geht’s dieses Jahr auf eine literarische Wanderung von Erschmatt nach Leuk. Lesungen und Gespräche an ausgefallenen Orten zaubern Sommergefühle zwischen Buchdeckel: Abendlesungen in der Walliser Alpentherme, im Spa Leukerbad oder als Highlight die Mitternachtslesung auf fast 2500 Metern, auf dem Gemmipass. Nationale und internationale Autorinnen und Autoren lesen und diskutieren in Hotelbars, im Alten Bahnhof oder im Reha-Zentrum. Ein spektakuläres Schaulaufen für alle an Literatur Interessierten.

Unvergessliche Begegnungen. Persönlich freue ich mich auf spannende Begegnungen. Im vergangenen Jahr etwa ergab sich ein Gedankenaustausch mit dem türkischen Bestseller-Autor Murathan Mungan (Bild oben). Er ist der grosse Hoffnungsträger der aufgeschlossenen jungen und liberalen Leserschaft in der Türkei. Murathan Mungan öffnet der wilden und ausschweifenden westlichen Popkultur im Land am Bosporus schreibend ein Türchen. Wer wie Mungan den Mut aufbringt, die östlichen Mythen mit der freizügigen westlichen Kultur zu mischen, der zeigt in einer Stadt wie Istanbul viel Mut.

In Erinnerung geblieben: Regisseurin Guo Xialolu. Sie sagt: „Ich bin China“.
(Foto: Kurt Schnidrig)

Der Blick über den eigenen Gartenzaun hinaus. Was ich am Literaturfestival Leukerbad jedes Jahr aufs Neue schätze, das ist der Blick über den heimischen Gartenhag hinaus in die weite Welt. Autorinnen und Autoren aus Deutschland, Grossbritannien, Griechenland, Russland, den USA oder aus den Arabischen Emiraten gastieren dieses Jahr in Leukerbad. In Erinnerung geblieben ist mir die Begegnung vor Jahresfrist mit der Chinesin Guo Xiaolu. In China musste sie erfahren, dass mit mutigen und provokativen Werken in diesem Land ein Weiterkommen unmöglich ist. Die chinesische Zensur verunmöglichte die Realisation eines eigenen Films. Ihren Traum vom eigenen Film erfüllte sie sich nun in der Schweiz: Mit dem Streifen „She, a Chinese“ gewann sie am Internationalen Filmfestival in Locarno den Goldenen Leoparden.

Auch einheimisches Schaffen. Das diesjährige Literaturfestival erlaubt auch einen Streifzug durch das einheimische Schaffen. Der Leuker Rolf Hermann, als Lyriker, Erzähler und Spoken-Word-Autor bekannt, ist in Leukerbad ein gern gesehener Gast. Der Berner Pedro Lenz ist ein Kultautor für alle Mundart-Fans. Seine Erzählung „Der Goalie bin ig“ läuft mittlerweile auch als Spielfilm in den Kinos. Auch wieder mal in Leukerbad ist das literarische Urgestein Adolf Muschg. Der ehemalige Germanistik-Professor an der Universität Zürich und Büchner-Preisträger ist ein Protagonist der traditionellen Schweizer Literatur.

Auch Frauenliteratur und Frauenthemen sind in Leukerbad angesagt.
(Foto: Kurt Schnidrig)

Gibt es typische Frauenliteratur? Die Frage nach spezifischen Frauenthemen ist verfänglich. Allzu leicht verfällt man in eine unsägliche Diskussion über Frauen- und Männerbilder und über traditionelles Rollenverhalten. Dieses Jahr am Literaturfestival mit dabei ist die Autorin Gianna Molinari. Sie schreibt Literatur für Menschen auf der Flucht, und mit ihrem Romandebüt hat sie es auf die Longlist des deutschen Buchpreises geschafft. Aber eben: Die Thematik der Flüchtlingsströme sollte heutzutage Menschen jeglichen Geschlechts mobilisieren und dürfte nicht nur zur reinen Frauenliteratur gehören.

Unter freiem Himmel oder in Zelten lässt sich vortrefflich debattieren…
(Foto: Kurt Schnidrig)

Selber mitdiskutieren. Das Literaturfestival Leukerbad ermöglicht den Besucherinnen und Besuchern mitzudiskutieren, zum Beispiel im Rahmen der Gesprächsreihe „Perspektiven“. Da lässt sich unter freiem Himmel oder in Zelten vortrefflich debattieren über Erinnerungskultur, über Frauenrechte oder auch über die Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben im arabischen Raum. Auch junge Texte finden ihren Platz in Leukerbad. Zum ersten Mal ist heuer Leukerbad ein Etappenort der Grand Tour. Auf der Grand Tour reisen junge Lyriker durch ganz Europa, nun machen sie erstmals Station in Leukerbad. Auch dies eine Möglichkeit, über den Tellerrand der hiesigen Literatur hinweg zu schauen.

Text und Fotos: Kurt Schnidrig