Literatur im Online-Magazin

Prof. Dr. Mario Andreotti ist Mitherausgeber der „experimenta“. Charles Stünzi arbeitet als Redaktor, Lektor, Scout und Autor für das Online-Magazin.

Die „experimenta“ ist ein unabhängiges Onlinemagazin für Literatur und Kunst. Soeben ist eine Sommer-Doppelausgabe erschienen. Professor Andreotti – wir kennen ihn von seinen fundierten literarischen Vorträgen auch im Oberwallis – befasst sich im Editorial mit dem Wandel, den das Bild des Autors in der Gesellschaft erfahren hat. In der Sommerausgabe ist auch Charles Stünzi gleich mit sieben Beiträgen vertreten, was nach seinen eigenen Worten einer „repräsentativen Werkschau“ seines Schaffens gleichkommt.

Der Literaturbetrieb gebärdet sich immer irrationaler. Zu dieser Schlussfolgerung gelangt Herausgeber Mario Andreotti in seinem Editorial. Der literarische Markt konzentriere sich heute immer stärker auf einige wenige Titel, während die überwiegende Mehrheit der Bücher, unabhängig von ihrer literarischen Qualität, in der Versenkung verschwinden würden, schreibt Andreotti. Und weiter: „Man kann mit einem mittelmässigen Roman den Durchbruch schaffen oder eine Perle nach der anderen schreiben und damit gar nichts erreichen.“ Welche Zutaten braucht es aber, damit ein Roman zum Bestseller wird? Andreotti findet keine allgemein gültige Antwort auf diese Frage. Er stellt stattdessen rein rhetorische Fragen: Ist es der Roman, der sich autobiografisch lesen lässt? Oder ist es jener, der Elemente einer Kriminalstory enthält? Oder ist es gar ein Roman, der mit irgendwelchen Verschwörungstheorien schwanger geht? Oder ist es schlichtweg die gut und süffig geschriebene Romanstory? „Niemand weiss das im Voraus“, resümiert Mario Andreotti. Was ein Bucherfolg werde, das bestimme heute ganz allein der Markt und das grosse Leserpublikum.

Prof. Dr. Mario Andreotti ist Mitherausgeber des Online-Magazins „experimenta“. Wann ist ein Buch erfolgreich?, fragt er in der neusten Ausgabe.
(Archivbild: Kurt Schnidrig)

Muss man als Autor ein Hochstapler sein? Wenn ich Mario Andreottis These zu Ende denke, bietet sich auf seine Frage nach dem Erfolg diese Antwort an: Als Künstler ist man immer Hochstapler! Wenn nur noch der Markt über Erfolg oder Misserfolg bestimmt, wenn die literarische Qualität nicht (mehr) ausschlaggebend ist, droht der Literaturbetrieb ins Showbusiness abzudriften. Lukas Bärfuss, Büchner-Preisträger, gab kürzlich der NZZ das Folgende zu Protokoll: „Als Künstler ist man immer Hochstapler! (…) Mein Handwerk ist nicht objektiv messbar. Auch der Büchner-Preis, so gross und schön er auch sein mag, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Zukunft vielleicht von mir sagen wird: Das war alles Brunz!“ (NZZ am Sonntag, 14. Juli 2019, S.16). Tatsächlich hat Professor Mario Andreotti in der „experimenta“ ein höchst spannendes Thema aufgegriffen, das möglicherweise auch über die künftige Ausrichtung des Literaturbetriebs entscheiden wird. Lukas Bärfuss glaubt im Übrigen nicht daran, dass ein Autor über Begabung verfügen muss. „Begabung? Daran glaube ich nicht. Ich glaube an Leidenschaft.“ Was allerdings genau unter Leidenschaft zu verstehen ist, das wiederum würde Gesprächsstoff liefern für eine abendfüllende Literaturdebatte.

Charles Stünzi ist als Redaktor in verschiedenen Funktionen bei der „experimenta“ tätig.
(Archivbild: Kurt Schnidrig)

Charles Stünzi, Redaktor bei „experimenta“. Gleich in mehreren Funktionen ist Charles Stünzi bei der „experimenta“, dem deutschen Online-Magazin für Literatur und Kunst, tätig, nämlich als Lektor, Scout, Rezensent und Autor. Bereits für die Juni-Ausgabe hat er das Editorial sowie ein Sonett verfasst. In der neusten Ausgabe, der Sommerausgabe (Juli/August), ist er gleich mit sieben Texten vertreten: einer Buchbesprechung über die religiöse Alterslyrik von Hannes Taugwalder, mit fünf sehr unterschiedlichen Gedichten und mit einer Fabel. Zur Fabel – seiner einzigen – sagt Charles Stünzi, dass sie – neben der gattungsimmanenten allgemeinen Sinngebung – gleichzeitig auch ein Schlüsseltext sei. Und augenzwinkernd fügt er hinzu, dass sich diese Fabel auf Vorkommnisse beziehe, die sich vor längerer Zeit auch tatsächlich zugetragen hätten. In der Fabel würden auch real existierende Personen agieren, die er allerdings im Text fiktionalisiert bzw. verfremdet habe. Wer nun neugierig geworden ist, der kann Charles Stünzis „kleine, aber durchaus repräsentative rückblickende Werkschau“ selber nachlesen (www.experimenta.de). Mehr sei an dieser Stelle noch nicht verraten, denn eine grössere rückblickende Werkschau auf sein lyrisches Schaffen gedenkt Charles Stünzi am 3. Oktober im Zeughaus Kultur anlässlich einer Doppellesung zu präsentieren. Von ihm in der „experimenta“ demnächst zu lesen sein werden überdies auch interessante Essays zu Fragen wie: Gibt es eine Schweizer Literatur? Oder: Wie lässt sich die „literarische Flughöhe“ beibehalten ohne an Qualität einzubüssen?

Die „experimenta“ gibt es als Einzelseiten-Ausgabe oder als Doppelseiten-Ausgabe. (Foto: Kurt Schnidrig)

Zwei unterschiedliche Ausgaben der „experimenta“. Die Einzelseiten-Ausgabe des Onlinemagazins eignet sich zum Drucken auf Papier im Format DIN-A4 und zum Zusammenbasteln und Blättern. Die Doppelseiten-Ausgabe zeigt – quasi „ungeschnitten und am Stück“ – die Schönheit der Fotografien bzw. Illustrationen der mitwirkenden Künstler.

Text und Fotos: Kurt Schnidrig