Öko-Autorin Marianne Künzles erfüllte Hoffnung

Herzliche Gratulation, liebe Marianne, zum Gewinn des Oberwalliser Literaturpreises.
(Fotos: Kurt Schnidrig)

Am 5. Oktober 2019 habe ich an dieser Stelle eine meiner literarischen „Home-Storys“ veröffentlicht. Zu Besuch war ich in Birgisch bei Marianne Künzle. Den Volljob als Kampagnenleiterin für ökologische Landwirtschaft bei Greenpeace hat sie eingetauscht gegen einen Teilzeit-Job bei der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, dadurch habe sie mehr Zeit zum Schreiben, freute sie sich (vgl. dazu meine Blog-Geschichte „Öko-Autorin als Hoffnungsträgerin“ vom 5. Oktober 2019). Von einer dreiköpfigen Jury ist sie nun zur Gewinnerin des von der Vereinigung der Walliser Autoren WAdS ausgeschriebenen Literatur-Wettbewerbs erkoren und mit dem „Oberwalliser Literaturpreis“ geehrt worden. Die „Hoffnungsträgerin“ hat geliefert, was zurzeit gefragt ist, und was ankommt.

Schreibend auf der Grünen Welle. Marianne Künzles eingesandte Geschichte heisst „Living Planet“. Die Jury, bestehend aus zwei Professoren des Kollegiums Spiritus Sanctus und einer Buchhändlerin, „rechtfertigte“ sich nach eigenen Worten: „Die Autorin hat ein sehr aktuelles Thema verarbeitet, das uns alle angeht. Stichworte wie Klimaschutz, Klimawandel und was man dagegen tun muss, sind in aller Munde, die Diskussionen darüber laufen auf Hochtouren. (…) Der Autorin ist es gelungen, den Leser zum Nachdenken anzuregen, ohne bloss zu moralisieren, sondern indem sie ihm die Augen öffnet und ihm zeigt, dass es oftmals die kleinen Dinge im Leben sind, die grosse Veränderungen herbeiführen können.“ (Auszug aus der Laudatio der Jury).

In den Spuren von Margaret Atwood? Für mich hat Marianne Künzle etwas von der kanadischen Öko-Autorin Margaret Atwood. Auch sie erinnert nicht nur in der Welt des Science Fiction an Klimawandel und Umweltzerstörung. Auch sie lebt, was sie schreibt. Das macht beide sympathisch und glaubwürdig. Margaret Atwood und Marianne Künzle.

Alles wie aus einem Guss: Marianne Künzles Arbeit, ihr Schreiben und ihre zauberhafte Wohnumgebung. (Aus: „Öko-Autorin als Hoffnungsträgerin“, Blog vom 5.10.2019)

Der Wettbewerb „Oberwalliser Literaturpreis“ steht in seiner Art allein in der literarischen Landschaft. Maximal 10 Seiten belletristische bzw. fiktionale Prosa (ein oder mehrere Texte) oder 5 bis maximal 10 Gedichte (eines pro Seite) in deutscher Sprache können eingereicht werden. Genau genommen handelt es sich um einen Schreibwettbewerb mit Preisverleihung. So weit ich sehen kann, werden geographisch ausgeschriebene Literaturpreise in der Regel nur vergeben für besondere Verdienste um die Literatur, insbesondere für das Gesamtwerk eines Autors oder einer Autorin, oder für ein Buch, das bereits erschienen ist. Hier nur einige Beispiele: Der Bündner Literaturpreis ist eine mit CHF 10’000 dotierte Auszeichnung für besondere Verdienste um die Literatur Graubündens. Der Berner Literaturpreis zeichnet, anlässlich der Publikation eines neuen Werks, das gesamte literarische Schaffen einer Berner Autorin bzw. eines Berner Autors aus. Der Solothurner Literaturpreis wird für hervorragende literarische Leistungen vergeben. Aber das sind lediglich Anmerkungen aus dem Literaturbetrieb heraus, die der Leistung der Autorinnen beim Oberwalliser Wettbewerb mit Kürzest-Texten absolut keinen Abbruch tun.

Was ist „literarische Qualität“? Lässt sich aus einem sehr kurzen Text aber auch zuverlässig auf die literarische Qualität schliessen? Der Versuch einer Analyse von „Living Planet“ soll an dieser Stelle in Kürze zu lesen sein. Für heute nur so viel: Beim „Oberwalliser Literaturpreis“ sind weder literarische Kategorien festgelegt, noch kann sich die Autorenschaft auf irgendwelche Beurteilungskriterien stützen. Im deutschsprachigen Raum wird einzig der Bachmann-Preis aufgrund von kürzeren Texten vergeben, dabei handelt es sich jedoch um ein Wettlesen. In einer dreitägigen Lese-Veranstaltung treten vorausgewählte Bewerber nacheinander an und tragen 25 Minuten lang bislang unveröffentlichte Prosatexte oder Ausschnitte vor. Mit diesem Verfahren sollen das Saalpublikum sowie eine Fach-Jury in Klagenfurt von der Qualität der vorgetragenen Texte überzeugt werden. Das Wettlesen um den Bachmann-Preis ist damit sehr medienwirksam, insbesondere für die Radios ist sowas ein Festschmaus: Ab 2017 überträgt der Deutschlandfunk erstmals den gesamten Wettbewerb live im Digitalradio, dotiert mit …. insgesamt 62.500 Euro Preisgeld! Vielleicht ist ein solches Vorgehen der literarischen Qualität der Texte zusätzlich förderlich. Weit weniger protzig, ja geradezu bescheiden, gab sich da die Feier zur Verleihung des Oberwalliser Literaturpreises. Wie hätte ich mir eine Stellungnahme, eine Dankesrede oder zumindest eine kurze Ansprache der Geehrten ans Publikum gewünscht! Man entschuldige meine Ehrlichkeit: Ich kam mir an der Preisverleihung ein klein wenig vor wie in einer Schulstube, in der die Kandidatinnen ihr Aufsätzchen zurück erhielten, versehen mit einem wohlwollenden Kommentar der Oberlehrer. Kam dazu, dass sich die Organisatoren über den in der Ausschreibung zugesicherten Termin der Bekanntgabe der Preisträger hinweggesetzt hatten. Damit entbehrte die Feier des Glanzes und der Spannung. Was der „Schweizer Buchpreis“ locker schafft, nämlich die Gewinnerin bis zur Preisfeier geheim zu halten, das müsste eigentlich auch bei uns in der Provinz machbar sein. Immerhin steigerten Heinz Notis blendender Vortrag des preisgekrönten Textes sowie die musikalischen Einlagen der Musiker Rolf Schnyder und Andy Schnider den Unterhaltungswert des Anlasses.

Einen Anerkennungspreis sprach die Jury dem Text „hungrig“ von Eva Maria Imboden zu. Die Geehrten durften ihre Preise aus der Hand von Charles Stünzi, Co-Präsident der WAdS, entgegennehmen.

Nur ein einziger Anerkennungspreis. „Alle Preise werden nur bei entsprechend guter Qualität vergeben“, so ist im Reglement zum Literaturwettbewerb 2019 nachzulesen. Den Anforderungen der Jury genügte demnach einzig der Text „hungrig“ von Eva Maria Imboden. Die Jury dazu (Auszug aus der Ludatio): „Die Autorin entführt den Leser in eine Welt, in der nur der Hunger zählt. Es handelt sich aber hier um verschiedene Arten von Hunger. Es beginnt mit dem Hunger von Fischen, der auf natürliche Art und Weise von Anna gestillt wird. Als nun Anna einen alten Bekannten, Paul, trifft, haben wir es plötzlich mit zwei ganz verschiedenen Arten von Hunger zu tun. (…)“

Wie weiter? Mit der Textabgabe geben die Mitmachenden dem Verein WAdS die Erlaubnis, die Texte zu veröffentlichen. Zudem verpflichten sie sich, ihren preisgekrönten Beitrag oder Teile davon sowie Texte aus ihrem sonstigen Werk vorzutragen, und zwar in den Jahren 2019 oder 2020 im Rahmen eines von WAdS organisierten Anlasses. Herzliche Gratulation an die Geehrten!

Text und Fotos: Kurt Schnidrig