Karin Hopfe: Weihnachtliches aus der Schreibwerkstatt

In der Schreibwerkstatt der Mediathek Brig schrieb Karin Hopfe weihnachtliche Texte.
(Foto: Kurt Schnidrig)

Wir lernten uns in der Schreibwerkstatt kennen. Sie war meine Sitznachbarin. Man lese dazu meine Blog-Geschichte „In der Weihnachts-Schreibwerkstatt“ vom 6. Dezember. Dort, in der Weihnachts-Schreibwerkstatt, durfte ich als Erster ihre Texte lesen, sie las im Gegenzug die meinen. Sie schreibt grossartig, sie hat ein Faible für Skurriles und für Komik. Sowas gefällt mir. Deshalb habe ich sie gebeten, mir ihre Gelegenheitstexte aus der Schreibwerkstatt für meinen „Blog Literatur“ zu überlassen. Wir wussten damals noch kaum etwas voneinander. Nun hat sie Wort gehalten, hat mir geschrieben, hat ihre Texte aus der Schreibwerkstatt beigelegt und hat auf meinen Wunsch hin auch ein paar „dürre Facts“ von sich preisgegeben.

Dr. Karin Hopfe wohnt erst seit 2003 im Oberwallis. Sie stammt aus Norddeutschland. In Frankfurt am Main hat sie in Romanistik promoviert, danach war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an den Universitäten von Frankfurt und Potsdam. In Deutschland hat sich Karin Hopfe einen Namen geschaffen vor allem mit allerlei wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Auf literarischem Gebiet legte sie 2012 einen Erzählband vor, auch damals schon zu einer Schreibwerkstatt, mit dem Titel „Frei erfunden“. Ihre erste Schreibwerkstatt durfte sie in Santiago de Chile miterleben, das war bereits im Jahr 1989, geleitet von der Schriftstellerin Pia Barros. Und ja, auch im Oberwallis hat Karin Hopfe bereits mit spannenden literarischen Arbeiten auf sich aufmerksam gemacht. Mit einem Theaterstück, einer Farce, mit dem Titel „Romeo und Julia auf dem Baume“, gastierte sie als Autorin und gleichzeitig auch als Regisseurin in der Festung Naters. Einen Kultur-Event hat sie im Rahmen der „HockmattArt“ im geichnamigen Weiler bei Grengiols aus der Taufe gehoben. In der Mediathek Wallis in Brig hat sie zudem auch schon mit Vorträgen zur lateinamerikanischen Literatur ein Fenster aufgestossen zu einem bei uns kaum bekannten Kulturkreis. Nun also ein Wiedersehen in der Mediathek als Teilnehmerin an einer Weihnachts-Schreibwerkstatt. Nachfolgend die Gelegenheitstexte „Gerade lag Grittibänz noch auf dem Brett“, „Ich bin ein Geschenk“ und „Fortsetzungsgeschichte“ aus dieser Schreibwerkstatt. Herzlichen Dank an Dr. Karin Hopfe für die Erstveröffentlichung in meinem „rro Blog Literatur“.

Weihnachts-Schreibwerkstatt inmitten der adventlich-festlichen Stimmung in Brig.
(Foto: Kurt Schnidrig)

Gerade lag Grittibänz noch auf dem Blech – schön warm war es dort – neben all seinen Kameraden, die es ebenso schön warm hatten wie er, die sich aber nicht, wie er, GB45, erhoben und um sich blickten. GB45 erhebt sich also und blickt sich um. Neugierig und ein wenig enttäuscht, dass die anderen auf dem Blech in ihrem Phlegma verharren. „Soit“, denkt GB45, „sollen die halt liegen bleiben. Ich stehe jetzt auf und verschwinde vom Blech, das ist mein Schicksal. So steht es geschrieben.“ Gesagt, getan, wenngleich etwas weniger schwungvoll, als GB45 es sich erträumt hat. Der aufrechte Gang auf seinen nicht sehr kunstvoll geformten Füssen war doch erst einmal recht mühsam. Doch nachdem er vom Blech hinuntergeklettert ist und ein paar Schritte auf dem grossen Tisch in der Backstube erprobt hat, geht es einigermassen. „Okay“, denkt GB45, „jetzt verschwinden. Hinaus in die Welt. Hallo ihr Abenteuer, ich komme.“ Prompt stellt sich ihm das erste Abenteuer in den Weg, als GB45 an den Rand des Tisches gelangt. Vor ihm öffnet sich ein Abgrund; tief, tief unten fester Boden, dazwischen gähnende Leere. GB45 schaut hinunter, kratzt sich am Kopf. Wie weiter? Fortsetzung folgt. (Text: Karin Hopfe, Schreibwerkstatt vom 05.12.2019, Mediathek Brig)

Ich bin ein Geschenk. Gestern hat Heidi mich in diese Schachtel gesperrt. Vorher hat sie mich in Seidenpapier gewickelt – sie hatte ziemlich Mühe damit – , und dann mit einem Samtband zusammengebunden. Es fühlt sich weich an. Schön. Ich fühle mich geschmeichelt, so schön. Aber dann, zack, Deckel auf, legt sie mich in die Schachtel, und zack, Deckel zu. Dunkel ist es hier. Wie lange muss ich warten, bis Peter – „Für Peter“, hat Heidi vor sich hingemurmelt, als sie mich ganz zärtlich eingewickelt hat -, bis Peter mich auspackt? Nicht so lange, hoffe ich. Es ist ja auf Peter Verlass. Er ist so ungeduldig, und neugierig auch, selbst wenn er das hartnäckig leugnet. Aber einer Überraschung – und ich bin eine Überraschung – wird er wohl nicht lange widerstehen können. Hoffentlich ist es bald soweit. Hier ist es nicht nur dunkel, mir wird auch ganz warm. Sehr warm eigentlich. Nicht, dass ich schmelzen würde, das nicht, aber der Geruch. Das wäre mir irgendwie unangenehm. Peinlich geradezu. Mir abträglich. Nicht auszudenken. Na los, mach schon, Peter. Heidi hat dir so ein feines Geschenk gemacht. Ja, ja da tut sich was. Der Deckel wird gelüpft. Ganz leicht erst. Und jetzt ist’s richtig hell, das Licht scheint durch das Seidenpapier. Jetzt reisst das Papier auf. Ich liege da. Von Peter ein Freudenschrei: „Heidi“, ruft er, „wie schön, ein Käse!“
(Text: Karin Hopfe, Schreibwerkstatt vom 05.12.2019, Mediathek Brig)

Fortsetzungsgeschichte. Er ist grau, hat lange Ohren und zieht das rechte Hinterbein ein wenig nach, denn er ist nicht mehr der Jüngste. Grisello haben sie ihn auf dem Hof genannt, von dem sie ihn heute Morgen fortgejagt haben. Grisello trottet die Strasse entlang; wohin, weiss er nicht, doch er hofft, auf diesem ungewissen Weg nicht ganz allein zu bleiben – ein Hund vielleicht oder eine Katze oder ein Hahn… Weit gefehlt. Da ist zwar ein Wesen, hockt auf der Strasse, grinst ihn herausfordernd an und ja, es hat Flügel, aber es ist kein Hahn. „Wer bist du?“, fragt Grisello. Das Wesen grinst immer noch und antwortet: „Ein Engel.“ „Kommst du mit?“, fragt Grisello. „Okay“, sagt der Engel. So ziehen sie weiter, begegnen unterwegs einem Lamm, das sich ihnen anschliesst, dann einer Maus, die sich ebenfalls zu ihnen gesellt, und alle zusammen stellen unterwegs fest, dass sie dort, wo sie bisher lebten, nicht mehr wohl gelitten waren. Aber nun sind sie schon zu viert und trösten sich mit dem geflügelten Wort (hier spreizt der Engel seine Federn): Etwas Besseres als den Tod werden wir überall finden. Und tatsächlich, schon an der nächste Kurve liegt eine Geige auf ihrem Weg. „Kann jemand spielen?“, fragt das Lamm. Alle verneinen. „Egal“, meint der Esel, „die nehmen wir trotzdem mit. Man kann ja nie wissen.“ Kurze Zeit später liegt schon wieder etwas auf der Strasse herum. Sie treten näher, um es zu betrachten; es ist eine Schachtel, leer. „Prima, da tun wir die Geige rein.“ Weiter geht’s. Sie kommen in ein Dorf, auf dem Dorfplatz steht ein Tannenbaum. Glocken beginnen zu läuten. Die Reisegesellschaft staunt: Was ist das? Der Engel weiss Antwort, aber weil dies eine Fortsetzungsgeschichte ist…
(Text: Karin Hopfe, Schreibwerkstatt vom 05.12.2019, Mediathek Brig)

Texte: Dr. Karin Hopfe; Fotos und Kommentar: Kurt Schnidrig