Litera(Tour): Eine Winterreise nach Leukerbad

Die Litera(Tour) auf einer Winterreise nach Leukerbad ins Hotel Beau-Séjour. Mit Überraschungsgast Kurt Studer, Autorin Sieglinde Kuonen-Kronig, Gastgeberin Joanne Gattlen und Moderator und Literaturclub-Präsident Kurt Schnidrig (v.l.n.r.). Vorne Pianistin Lynn Elsig. (Foto: Elsig)

Eine Winterreise von Literaten mit Pianistin? Romantisch und zauberhaft? Na klar, das hat in der Literaturgeschichte eine grosse Tradition. Im Jahr 1827 komponierte Franz Schubert seine „Winterreise“ für Literaten mit Pianistin. Ähnliches versuchten die Literaten des Club 73. Ihre Winterreise führte nach Leukerbad zu Gastgeberin Joanne Gattlen. Mit im Gepäck ein Zyklus von Romanen. Für den stimmungsvollen Rahmen sorgte die Pianistin Lynn Elsig.

Eine perfekte Gastgeberin: Fantasy-Autorin Joanne Gattlen liest und erzählt in ihrem Hotel Beau-Séjour, das sie als Hotelmanagerin führt. (Foto: Elsig)

Joanne Gattlen nahm das Publikum mit auf eine literarische Reise, zauberhaft situiert im tief verschneiten Leukerbad. Die Reise führte zusammen mit der Romanfigur Haley in einen unerwartet magischen Sommer. Ihren ehemalig besten Freund Dylan hatte sie zurücklassen müssen.

Wie kommt es, dass sich ein Leben schlagartig ändert? Dies wollte ich als Moderator von Joanne Gattlen wissen. (Foto: Elsig).

In der Realität gibt es sowas kaum. In der Phantasie schon. Plötzlich ist alles anders. In den Fantasy-Storys fehlen die Übergänge. Da kann es vorkommen, dass sich die Personen im Roman mitsamt dem Leser ganz plötzlich in einer Welt wiederfinden, in der die Existenz eines ganzen Volkes auf dem Spiel steht. Ob in ihrem Fantasyroman denn auch noch eine süsse Liebesgeschichte Eingang gefunden habe?, wollte ich von der Autorin wissen. Natürlich, der Protagonist in „Meravella“ heisst Dylan. Und dem kann Haley auf die Dauer nun wirklich nicht aus dem Weg gehen. Ob sie sich eines Tages ihrem ehemalig besten Freund und somit ihrer Vergangenheit stellen muss? Nur so viel sei verraten: Ein unerwartet magischer Sommer beginnt, und der hält die Antwort auf diese Frage bereit.

Überraschungsgast Kurt Studer erzählt aus seinem historischen Walliser Roman „Verdammt, Verbannt“. (Bild: Elsig).

Eine schicksalshafte Liebesgeschichte erzählt der historische Roman „Verdammt, Verbannt“. Die sogenannte Perren-Schlegel-Saga schlug das Publikum in ihren Bann. Dabei handelt es sich nicht bloss um eine verzwickte Liebesgeschichte, die teilweise auf wahren Begebenheiten beruht. Das Buch ist auch ein realistisches Sittenbild des Wallis zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

Als Moderator wollte ich mehr wissen über die unglückliche Liebe, von der Autor Kurt Studer in seinem historischen Roman erzählt. (Foto: Elsig)

Johann und Luise heissen die Protagonisten in Studers Roman „Verdammt, Verbannt“. Das Liebesdrama spielt sich zwischen 1865 und 1921 im Wallis sowie im Sarganserland ab. Es ist dies die todtraurige Geschichte der unglücklichen Liebe zwischen einem 28 Jahre alten Junggesellen aus Flums und einer 42 Jahre alten, unverheirateten Bürgerin aus Visp. Es ist eine Liebe auf den ersten Blick, die jedoch schon bald eine unverhoffte Schwangerschaft nach sich zieht. Sie hat katastrophale Folgen. Die damals äusserst rigiden Moralvorstellungen von Kirche und Gesellschaft treiben Luise in den Wahnsinn und Johann in die Verbannung. Der Roman ist mehr als nur eine Familien-Saga. Die Geschichte ist ins damalige wirtschaftliche, politische und soziale Umfeld des Wallis eingebettet.

Die Pianistin Lynn Elsig untermalte die Erzählungen und Leseproben mit wunderbar einfühlsamen Piano-Stücken. (Foto: Elsig).

Das Wallis vor hundert Jahren bringt uns der Autor in „Verdammt, Verbannt“ näher. Dabei flicht er immer wieder Ereignisse aus dem Ersten Weltkrieg in die Erzählung ein. Nebst der Liebesgeschichte berichtet der Roman vom einsetzenden Wandel des Bergkantons Wallis zu einem blühenden Industrie- und Tourismuskanton. Daraus ergibt sich ein breit abgestütztes Sittengemälde zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts.

Mit Sieglinde Kuonen-Kronig durfte ich über so typische Walliser Themen talken wie Weggehen, Zurückkommen oder die Suche nach den eigenen Wurzeln. (Foto: Elsig)

Sieglinde Kuonen-Kronig hat fünf Frauengeschichten zu einer Romanstory verknüpft. Im Roman „Gelbe Tulpen vor dem Haus“ finden sich typisierte Frauencharaktere: Eine Einheimische, eine Eingeheiratete, eine Zugezogene, eine Ausgewanderte. Jede dieser Frauengestalten begegnet uns im Roman mit einer eigenen Geschichte. In der Romanstory berühren und mischen sich die Geschichten von Nicole, Sophie, Claudia, Michèle und Laura. Als Leser verfolgen wir mit viel Empathie und Einfühlung die Entwicklung der Frauenfiguren. Alle stehen sie mitten im Leben. Sie haben sich mit einem unverhofften Ereignis oder Schicksal auseinanderzusetzen.

„In jeder Figur ist auch ein Teil von mir“, sagt Sieglinde Kuonen-Kronig. (Foto: Elsig)

Mit ihrem Roman „Gelbe Tulpen vor dem Haus“ hatte es Sieglinde Kuonen-Kronig im vergangenen Jahr bis fast ganz an die Spitze der regionalen Bestenliste geschafft. Sie liess sich von der zauberhaften Winterstimmung im verschneiten Leukerbad inspirieren und untermalte das „Winter-Feeling“ mit entsprechenden Textstellen aus ihrem Roman.

Autorin Kuonen-Kronig schlüpfte zum Schluss in die Rolle der Moderatorin und entlockte mir ein bestens gehütetes Geheimnis aus meinem Roman „Vergiss nicht die Blumen in deinem Haar“. (Foto: Elsig)

„Haben sich die geschilderten Ereignisse auf dem Hippie-Trail damals in der wilden Flower-Power-Zeit wirklich so zugetragen?“, wollte Autorin Kuonen-Kronig von mir wissen und hielt mir unvermittelt meinen Roman Vergiss nicht die Blumen in deinem Haar vor die Nase. Nun, es ist ja in der Regel so, dass in der Literatur ein Ich-Erzähler niemals mit dem Autor gleichgesetzt werden darf… Überlassen wir doch der Leserschaft das Rätseln und Grübeln. An dieser Stelle nur so viel: Im Roman lassen sich einige Hinweise hierzu finden.

Überraschungsgast und Autor Kurt Studer bereiste zwecks Recherchen in seinem Wohnmobil halb Europa. In Leukerbad fiel sein Fazit zur Litera(Tour) begeistert aus. (Foto: Schnidrig).

Wie ist die literarische Winterreise der Litera(Tour) in Leukerbad angekommen? Autor Kurt Studer zog ein begeistertes Fazit: „Die faszinierte Zuhörerschaft, die trotz des vielen Schnees sogar aus dem Tal heraufgekommen war, verbreitete eine wundervolle Atmosphäre. Es war ein fantastischer Abend, den ich in vollen Zügen geniessen konnte. Ich finde es spannend, dass man auf der Litera(Tour) so verschiedenartige Autoren mit ihren Romanen hier in Leukerbad zusammengeführt hat“.

Auf der weiteren Reise der Litera(Tour) durchs Oberwallis steht nun ausnahmsweise eine Talgemeinde auf dem Programm. Am 11. März wird die Litera(Tour) in der ZAP in Brig gastieren.

Text: Kurt Schnidrig. Fotos: Elsig / Schnidrig.