Humor in der Literatur: Eine Spurensuche

Niemals sollten schäbige Lacher und Clowns das Dichterwort entweihen. Gemäss Dichtern wie Rilke und Hölderlin gehört der Clown (mundartlich „Clon“) nur an die Fasnacht. Foto: Kurt Schnidrig

In der deutschen Literatur ist der Humor so selten wie ein Fastenprediger an der Fasnacht. Schon Mark Twain schrieb: „Ein deutscher Witz ist nichts zum Lachen“. Tatsächlich fürchten viele deutschsprachige Literatur-Klassiker den Humor wie der Teufel das Weihwasser. Lange Zeit gab man dem Dichterfürsten Goethe die Schuld dafür, denn schliesslich habe er die Idee des Genies erfunden. Wer aber ein Genie sei, der könne nebenher nicht auch noch lustig sein, werfen ihm die Kritiker vor. Ist also Goethe allein verantwortlich dafür, dass die deutschsprachigen Dichter und Schriftsteller das Lustigsein so gar nicht beherrschen? Das heilige Wort des Dichters dürfen schäbige Lacher und Clowns niemals entweihen, forderten auch Dichter wie Rilke und Hölderlin.

Fastnachtsspiele und Schwänke waren noch im 15. Jahrhundert in Deutschland angesagt. Die komischen Burlesken mit heiter-derbem Inhalt dienten der Fastnachtsbelustigung. Explizit als Autor der Fastnacht bekannte sich Hans Sachs, der bis zu seinem Tod im Jahr 1576 nicht weniger als 82 Fastnachtsspiele und Schwänke schrieb. Den späteren deutschen Dichtern – allen voran den Prosaschriftstellern Thomas Mann und Robert Musil – lag dann aber wohl eher die Ironie, sie ist zumindest ein Seitentrieb des Humors.

Die Satire ist eine weitere Spielart des Humors. Sie findet sich etwa bei den Dichtern Jean Paul und Heinrich Heine. Die Satire paart sich häufig mit dem Gedanken der literarischen Frechheit. Jean Paul titelte etwa: „Auch der Urin gibt einen Regenbogen“. Das Schräge, das Komische und Lustige findet sich bevorzugt in den Gedichten von Ernst Jandl, Lichtenberg und Morgenstern.

Im deutschsprachigen Roman weiss man nie so genau, wann ein Autor wirklich witzig sein will oder wann seine Schreibe unfreiwillig witzig geraten ist. Denn häufig sind es gerade die rätselhaften und trockenen Stellen in einem Roman, die unfreiwilligen Humor versprühen. Auch Franz Kafka hatte so eine koboldhafte Seite, auf die man erst bei näherer Betrachtung stösst.

Wie gefährlich ist Humor in der Literatur? Wie gefährlich ist ein Buch, das vom Lachen handelt? In seinem Roman „Der Name der Rose“ zieht der italienische Autor Umberto Eco als Ursache für die Humorlosigkeit auch die konservativ-religiöse Erziehung mit in Betracht. Seine Geschichte spielt vor dem historischen Hintergrund eines Streits zwischen dem Papst und dem Mönchsorden der Franziskaner. In einer Benediktinerabtei geschehen mysterlöse Morde. Die Ermittlungen fördern verbotene und verborgene Lüste der Mönche zu Tage. Dazu gehört auch das Lachen. Ein greiser Mönch bewacht das gefährlichste Buch. Es handelt sich um das einzig erhaltene Exemplar des zweiten Buches der Poetik des Aristoteles, das von der Komödie handelt. Der greise Mönch hält die in diesem Buch vertretene positive Einstellung zum Humor und zum Lachen für derart gefährlich, dass er es mit Gift präpariert, so dass jeder, der darin blättert, zu Tode kommt. Am Ende verbrennt mit dem Buch, das doch eigentlich vom Lachen handelt, die gesamte Abtei.

Es scheint, als seien der Humor und das Lachen in der Literatur einfach nur mühselige Zutaten, die hin und wieder nun mal sein müssen. Oder um mit Friedrich Nietzsche zu sprechen: „Der Mensch allein leidet so tief, dass er das Lachen erfinden musste.“

Text und Foto: Kurt Schnidrig