Ludwig Hasler: Für ein Alter, das noch was vorhat

Jungbleiben im Herzen. Foto aus dem Musiktheater „Forever Young“ aus dem Jahr 2015. (Regie und Inszenierung: Kurt Schnidrig)

Die Lebenserwartung steigt. Der Herbst des Lebens – wie es so schön heisst – dauert länger. Das bedeutet, dass wir nach der Pensionierung nochmals mindestens 25 Jahre zur Verfügung haben. Unsere Grossväter und Grossmütter hatten davon nur träumen können. Damals brannten sie darauf, die paar Jährchen nach der Pensionierung einfach nur in Beschaulichkeit und in Ruhe zu verbringen. Damals hatte vielleicht auch noch die Religion eine Perspektive geboten, man hatte über den Tod hinaus gedacht und im Jenseits noch etwas erwartet. Auch der körperliche Verfall war damals viel früher eingetreten. Heute aber sind viele von uns mit 65 noch fit und vital, und da sind noch etliche Jahre nach der Pensionierung, die dazu einladen, nochmals etwas zu bewegen, nochmals etwas zu reissen, nochmals Träume, Wünsche und Sehnsüchte zu verwirklichen.

Ein Plädoyer für ein Alter, das noch was vorhat. Der Philosoph Ludwig Hasler hatte an den Universitäten von Bern, Zürich und St. Gallen gelehrt. Nun hat er den siebzigsten Geburtstag längst hinter sich. Soeben hat er ein Buch geschrieben, das die Gemüter vieler älterer Menschen in Wallung versetzt. Sein Buch ist ein veritables Plädoyer für ein tätigeres Alter. Damit zieht er den Ärger nicht weniger älterer Zeitgenossen auf sich. Ein tätigeres Alter? Das hören nicht alle, welche die 65 überschritten haben, besonders gerne. Oh, nicht das diese gar nichts mehr tun würden. Natürlich machen fast alle im letzten Lebensabschnitt noch dies oder das: man geht reisen, man geht jassen, man treibt vielleicht sogar noch etwas Sport, man geht ab und zu ins Kino oder man grilliert zumindest bei schönem Wetter im eigenen Gärtchen. Das alles sei zwar gut und recht, schreibt Autor Ludwig Hasler in seinem Buch, das alles sei aber heutzutage nicht mehr das Gelbe vom Ei. Denn irgendwie würden so typische Tätigkeiten wie reisen, jassen, fernsehen und grillieren ganz einfach nicht glücklich machen.

Was braucht es, um glücklich zu sein? Um im Alter rundum glücklich und zufrieden zu sein, müsse man etwas mehr bewegen als nur sich selbst, doziert Ludwig Hasler in seinem Buch. Mit reisen, jassen und grillieren bewege man nämlich nur sich selbst, und das mache auf die Dauer nicht glücklich, im Gegenteil, man werde auf die Dauer unzufrieden und gelangweilt. Um rundum glücklich zu sein, gebe es nur eins: Auch im Alter noch an der Zukunft mitwirken! Und dies auch dann, wenn die Zukunft vielleicht nicht mehr die eigene Zukunft sein wird. Auch im Alter könne man doch noch mitwirken an der Zukunft der Gemeinde, an den gelebten Bräuchen und Traditionen, an der Biodiversität, an Poesie und Literatur… kurz: Auch im Alter könne man doch noch mitarbeiten an der Zukunft, man könne Verantwortung übernehmen und sich aktiv für die Allgemeinheit engagieren. Das ist es, was Ludwig Hasler in seinem Buch fordert. (Ludwig Hasler: Für ein Alter, das noch was vorhat. Rüffer & Rub 2019.)

„Forever Young“? Wer im Alter noch was vorhat, der bleibt jung, und sei es auch nur im Herzen. Eine ähnliche Thematik, wie sie der Philosoph Ludwig Hasler in seinem aktuellen Sachbuch fordert, habe ich als Regisseur zusammen mit 70 Mitwirkenden im Jahr 2015 in ein Musiktheater verpackt. Entstanden ist „Forever Young“, ein Musical mit Chor, Schauspiel und Tanz. Wir hatten damals zu den Momenten, in welchen man sich als alternder Mensch wieder jung und glücklich fühlt, passende Szenen und Songs hinzugefügt. Wir sind damals zum Schluss gekommen: Was Jungsein bedeutet, können Menschen von der Natur lernen. Ein Baum ist alt und doch immer wieder jung. In jedem Frühling spriesst das Grün wieder aufs Neue. Und Menschen, können sie auch immer jung bleiben? Klar, man kann jung bleiben im Denken, und man kann jung bleiben, wenn man das Kind in sich behält, das man einmal war.

Hören Sie hier meine Sendung „Literaturwelle“ zum Buch von Ludwig Hasler: „Für ein Alter, das noch was vorhat“

Text und Foto: Kurt Schnidrig