21. März: Gegen rassistische Diskriminierung

Gandhi, Mandela, Dalai Lama und der Papst. Im Museum Madame Tusseauds in London stehen sie zusammen. (Foto: Kurt Schnidrig)

Die Vereinten Nationen haben den 21. März als „Internationalen Tag zur Überwindung von Rassendiskriminierung“ ausgerufen. Die Proklamation dieses Tages gegen rassistische Diskriminierung erfolgte damals zum Gedenken an die blutige Niederschlagung einer friedlichen Demonstration in Sharpeville in Südafrika gegen die Apartheid. Das war am 21. März 1960. Neuerdings wird der Tag auch mitgetragen von der Organisation #WorldAgainstRacism 2020. Die Gefahrenlage hat sich etwas verschoben, ist aber weiterhin hochgradig. Heute sind es vorab die Gefahren von Faschismus, Rassismus, Islamfeindlichkeit und Antisemitismus, die weltweit zunehmen.

Für Solidarität, Respekt und eine offene Gesellschaft. Wir erleben derzeit einen besorgniserregenden Anstieg von Hassverbrechen. Entsprechend demonstrieren verschiedene Organisationen am 21. März gegen alle Formen von Rassismus und Engstirnigkeit. Sie erklären ihre Solidarität mit Geflüchteten und allen anderen davon Betroffenen. Insbesondere gegen den extrem rechten und rassistischen Populismus haben Organisationen in vielen Ländern ihren Widerstand angekündigt. Aufrufe zum Aufstehen gegen Rassismus verhallen dieses Jahr allerdings, bedingt durch den weltweiten Kampf gegen das Coronavirus. In diesem Jahr hätte die internationale Solidarität mit Protesten in Städten wie London, Berlin, Kopenhagen, Athen, Chemnitz, Barcelona, Arnstadt und New York weiter gestärkt werden sollen. Menschen hätten auf die Strasse gehen wollen um für ein solidarisches und respektvolles Miteinander zu protestieren.

Aktionstag in kurzfristig veränderter Form. In Zeiten des Coronavirus ist nun aber plötzlich Solidarität und Mitgefühl auch noch auf einem ganz neuen Schauplatz gefragt. Als mögliche alternative Aktionen fasst beispielsweise unser Nachbarland Deutschland kleinere, dezentrale und symbolische Aktionen ins Auge. Dazu gehören etwa Foto-Aktionen, bei denen Transparente, Plakate und eigene Botschaften hochgehalten werden. Die Bilder sollen über Facebook, Twitter, Instagram etc. gepostet werden. In Deutschland sind derartige Aktionen nach den rassistischen, antisemitischen und extrem rechten Morden in Hanau, Halle und Kassel angesagt. In ganz Europa erhält der 21. März als Aktionstag angesichts der unmenschlichen Abschottungspolitik gegenüber Geflüchteten an der griechisch-türkischen Grenze eine zusätzliche Notwendigkeit und Dringlichkeit.

Mit Literatur gegen Rassismus. Weltweit ist eine zunehmende Brutalität und Gewaltbereitschaft zu beklagen. Dafür lassen sich mehrere Ursachen ausmachen. Da sind einmal die Hassprediger mannigfacher Schattierung, welche die Bürger*innen aufstacheln, da gibt es aber auch den unsäglichen Shitstorm im Internet, das Cybermobbing, und es schrecken sogar Morddrohungen gegen Personen des öffentlichen Lebens auf. Der Hass brachte den Menschen bereits in der Vergangenheit das Verderben. Der Hass ist also keineswegs nur ein Gegenwartsproblem. Den „Hass-Effekt“ hat es zu allen Zeiten schon gegeben, davon schreiben die Literaten seit Anbeginn der schriftlichen Überlieferung. Den „Hass-Effekt“ in der Literatur hat jetzt der Literaturwissenschaftler Karl Heinz Bohrer untersucht. (Karl Heinz Bohrer: Mit Dolchen sprechen. Der literarische Hass-Effekt. Suhrkamp 2019, 494 Seiten.)

Der „Hass-Effekt“ in der Literatur. Der Autor Karl-Heinz Bohrer macht keinen Hehl daraus, dass der sogenannte „Hass-Effekt“ einem literarischen Werk auch Spannung verleihen kann. Der Hass könne viel sprachliche Energie entfesseln und gebe einer Story auch viel Ausdruckskraft, schreibt Bohrer. Es liesse sich somit sagen, dass der Hass in der Literatur auch einen künstlerischen Effekt habe, kommt der Autor zum Schluss, und nicht selten sei es das Amoralische, die Darstellung von etwas Extremem, das eine Geschichte erst spektakulär werden lasse.

Der „Hass-Effekt“ als künstlerisches Mittel. In seinem Buch „Mit Dolchen sprechen“ zeigt der Autor anhand zahlreicher Beispiele, wie Literaten mit der Emotion „Hass“ umgehen. Bereits in Shakespeares Dramen müssen wir von blutrünstigen Hasstiraden lesen, in „Lady Macbeth“ etwa oder auch im „Hamlet“. Einigen von uns noch von der Schullektüre her präsent ist wohl Michael Kohlhaas aus der gleichnamigen Novelle von Heinrich von Kleist. Dem Kohlhaas widerfährt seitens des Staates bitteres Unrecht, was zur Folge hat, dass er vom rechtschaffenen Bürger zu einem entsetzlichen Wutbürger mutiert. Auch aus der französischsprachigen Literatur liessen sich entsprechende Beispiele finden, bei Baudelaire etwa in seinem Werk „Blumen des Bösen“. Auch der aktuelle Nobelpreisträger Peter Handke behandelt die Themen Hass und Rassismus in seinen Werken. Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Literatur liefert Beispiele und Muster, wie wir mit Hass und mit Rassismus umgehen könnten, oder noch besser, wie wir diese extremen menschlichen Pervertierungen vermeiden könnten.

Vorbilder und Idole. Persönlichkeiten des früheren politischen und gesellschaftlichen Lebens legten in ihren Schriften eindrücklich dar, wie ein gewaltloser und friedlicher Einsatz für eine Welt ohne Hass möglich werden könnte. Bereits um 1900 setzte sich Gandhi in Südafrika für Gleichberechtigung und für einen gewaltlosen politischen Kampf gegen den Hass in allen seinen Formen ein. In Südafrika und Indien verbrachte er insgesamt acht Jahre in Gefängnissen. Seine Lehre hat er in zahlreichen Schriften festgehalten. Sie umfasst neben Ahimsa, der Gewaltlosigkeit, auch noch weitere ethische Forderungen wie beispielsweise Swaraj, die politische Selbstkontrolle und Selbstbestimmung. Nelson Mandela war ein südafrikanischer Aktivist im während Jahrzehnten andauernden Widerstand gegen die Apartheid. Er musste 27 Jahre seines Lebens als politischer Gefangener in Haft verbringen. Als herausragender Vertreter im Freiheitskampf gegen Unterdrückung und soziale Ungerechtigkeit wurde er schon zu Lebzeiten weltweit zum moralischen Vorbild. Der Dalai Lama setzt sich traditionsgemäss für die Idee der Empathie, des Mitgefühls, ein. Um unseren Sinn für Mitgefühl zu schützen und zu entfalten, brauchen wir Toleranz und Vergebung, lehrt er.

Hören Sie hier meine Sendung „Literaturwelle“ zum Buch „Mit Dolchen sprechen“ von Karl Heinz Bohrer.

Text und Foto: Kurt Schnidrig