Brigitta Winkelried: „Der Tote im Wolfspelz“

Brigitte Imwinkelried alias Brigitta Winkelried hat einen zweiten Regio-Krimi geschrieben. (Foto: Kurt Schnidrig)

Wir beide kennen uns von sehr viel früher, von damals, als wir noch im Institut St. Ursula in Brig unterrichteten. Sie als Handelsschullehrerin, ich als Seminarlehrer am Oberwalliser Lehrerseminar. Brigitte Imwinkelried studierte Betriebs- und Volkswirtschaft und Recht. Seit ihrer Pensionierung hat sie sich einen Alias-Namen zugelegt. Als Brigitta Winkelried schreibt sie nun Regio-Krimis. Der erste spielt sich in Brig ab, der nun vorliegende zweite Krimi auf der Bettmeralp. Und ein dritter Krimi, auch wieder mit Kommissar Steinalper, soll bereits in Arbeit sein. Wir trafen uns noch vor der Corona-Krise im idyllischen Stockalpergarten in Brig, wo sie mir für meinen rro Blog Literatur ausführlich Auskunft erteilte.

„Der Tote im Wolfspelz“. So lautet der Titel des zweiten Kriminalromans von Brigitta Winkelried. Er spielt sich während rund zweier Wochen im Oktober hauptsächlich auf der Rieder- und Bettmeralp ab. Im Bettmersee wird die Leiche eines Mannes entdeckt. Verborgen unter einem Wolfspelz ist er an der Leiter des Bootshauses festgebunden. Den Titel „Der Tote im Wolfspelz“ habe sie gewählt, weil innert weniger Stunden ein Mann ermordet und ein Wolf geschossen wird, erklärte mir Brigitta Winkelried.

Eigene visionäre Handlungsstränge. Die Autorin verpackt auch heftig und kontrovers diskutierte Themen in ihre Geschichte. Entsprechend siedelt sie den Krimi an im Spannungsfeld von Naturschutz, Tourismus und Landwirtschaft. Und Brigitta Winkelried bedient sich dafür ganz konkreter Projekte, die bereits seit längerer Zeit in den Köpfen von Touristikern herumgeistern. Verraten seien hier lediglich die sorgsam gehüteten Pläne für eine neue Verbindungsbahn zwischen der Riederalp und der Belalp, die in „Der Tote im Schafspelz“ bereits weit gediehen sind. Die visionäre Bahn, die unter dem Grossen Aletschgletscher hindurchführt, ist in Winkelrieds Story bereits im Bau. Die Verbindungsbahn spielt eine grosse Rolle, denn das Mordmotiv hänge eng mit dem Bau dieser Bahn zusammen, verrät mir Brigitta Winkelried. Dazu kommt das Endlos-Diskussionsthema rund um die freilebenden Wölfe auf unseren Alpen.

Beim Spazieren am Bettmersee kamen die Mordgedanken. „Ende Oktober 2018 gingen mein Partner und ich auf der Bettmeralp spazieren, hinten beim Bootshaus hatte ich eine Idee: Was wäre, wenn jetzt hier eine Leiche im See liegen würde?“, verrät mir Brigitta Winkelried ihre Mordsgedanken, die dem Krimi zugrunde liegen. Eine neue Geschichte mit Kommissar Steinalper war geboren. Erstaunlich und recht ungewöhnlich ist die Tatsache, dass für die Autorin der Beginn und das Ende der Geschichte bereits von Beginn an klar waren. Erstaunlich deshalb, weil sich bei den meisten Autor*innen die Geschichte erst beim Schreiben endgültig entwickelt. Während des Recherchierens hatte sich die Autorin Informationen und Kenntnisse bei einem Tauchlehrer, bei einem Büchsenmacher, bei einem Wildhüter und auch bei regionalen Wirtschaftsleuten und Politikern geholt. Die Auskunftspersonen kommen jedoch selber im Krimi nicht vor.

Eine Mauer des Schweigens. Brigitta Winkelrieds Krimi ist bevölkert von lauter anständigen Menschen. Sie stammen querbeet aus allen Schichten der Bevölkerung. Niemand will dem anderen schlecht. Niemand will einem anderen Böses antun. Die Leser*innen werden jedoch schon bald einmal misstrauisch werden. Einige der Gutmenschen haben ganz gehörig Dreck am Stecken! Auch der oberflächliche Eindruck einer intakten und harmonischen Dorfgemeinschaft bekommt bei zunehmender Lektüre einige Risse ab. Die Autorin legt ihrer Leserschaft nahe, sich an Verhältnisse in Süditalien zu erinnern, insbesondere an die Omertà (S. 93), die Schweigepflicht der Mitglieder der Mafia und anderer krimineller Organisationen gegenüber Aussenstehenden. Kurz: Die behäbig-ehrliche Bergbevölkerung erweist sich als schlitzohriger als vorerst angenommen. Bald einmal keimt beim Lesen die Vermutung auf: Die wissen mehr, als sie sagen wollen! Die Dorfbewohner fühlen sich zur Loyalität verpflichtet. Niemand möchte als Denunziant verschrien werden. Niemand möchte in Schwierigkeiten geraten, denn alle fürchten sie die Rache der Täter.

Kommissar Steinalper ist gefordert. Als Serien-Figur hat Winkelried einen Ermittler namens Steinalper installiert. Doch der gerät mit seinen Ermittlungen auf falsche Fährten. Es braucht da schon einen zweiten Todesfall, um die Mauer des Schweigens zu durchbrechen, hinter der sich die Dorfbewohner verschanzen. Über Nacht wird der mächtigste Mann im Aletschgebiet leblos in seiner Hotelsuite aufgefunden. Zumindest könnte dies einer der Gründe für das hartnäckige Schweigen der Dorfbewohner sein, denn mehr oder minder waren alle Dorfbewohner von ihm abhängig. Doch damit ist wohl noch lange nicht alles geklärt. Oder doch? Vielleicht ist die Story rund um den Toten im Wolfspelz doch komplexer als zunächst angenommen? Weiterlesen, liebe Leser*innen, ist angesagt.

Text und Foto: Kurt Schnidrig