Patricia Aschilier: „Olivias Gäste“

Patricia Aschlier bringt vor Ostern den vierten Erzählband heraus. (Foto: Kurt Schnidrig)

Nach ihren drei Büchern „Eine Fahrt ins Blaue“, „Elfie“ und „Das Quartett“ veröffentlicht Patricia Aschilier aus Steg in diesen Tagen ihr viertes Taschenbuch, es trägt den Titel „Olivias Gäste“. Die Erzählung spielt sich im Tessin ab, in Gandria, denn dort hat sich Olivia mit einem eigenen Gästehaus einen Traum erfüllt. In „Olivias Genuss Perle“ empfängt die Hausherrin interessante Gäste, die allesamt über originelle Lebensläufe und Schicksale verfügen, welche die Autorin in spannende Geschichten kleidet.

Berührende Einzelschicksale. Die Protagonistin in Patricia Aschiliers Erzählung, Olivia, hat ihr ganzes Herzblut und viel Liebe in das Gästehaus-Projekt gesteckt. Ricarda, die Innenarchitektin hat für eine geschmackvolle Inneneinrichtung gesorgt. Olivia erhofft sich nun viele Gäste, die in „Olivias Genuss Perle“ erholsame und idyllische Momente verbringen sollen. Nebenbei arbeitet Olivia in der Gärtnerei des befreundeten Geschwisterpaares Alicia & Fabrizio. Schon bald läuft das Geschäft mit dem Gästehaus vielversprechend an. Da steigen eine Mutter mit Tochter ab, Klosterfrauen, ein Kinoliebhaber, eine Astrologin, Menschen aus fremden Kulturen… und alle sorgen sie mit ihren Erlebnissen, Erfahrungen und Lebensgeschichten für lebhaften und originellen Gesprächsstoff. Die Autorin bringt ihren Leser*innen die Einzelschicksale der Gäste aus „Olivias Genuss Perle“ sehr berührend und einfühlsam rüber und sorgt dabei für manche Überraschung.

Beziehungsgeschichten mit psychologischem Hintergrund. Während des Aufenthalts im Gästehaus verraten Olivias Gäste viel aus ihrem bisherigen Leben. Menschliche Abgründe tun sich auf, aber auch psychologische Einblicke in Eigenarten und Unarten der Gäste offenbaren sich. Wie entwickelt sich ein Mädchen, das seiner Mutter weggenommen wurde? Wie geht eine Frau mit der Erkenntnis um, dass sie als Neugeborene in einem Babyfenster abgelegt wurde? Wie lässt sich mit Randgruppen oder mit Menschen aus fremden Kulturen in einem Gästehaus zusammenleben? Die Autorin nimmt beim Schreiben kein Blatt vor den Mund. Die Geschichten über die Gäste in „Olivias Genuss Perle“ sind authentisch, glaubwürdig und vor allem lebensecht.

Protagonistin Olivia Rossi ist keine strahlende Heldin. Mit ihren menschlichen Schwächen und ihren Unzulänglichkeiten identifiziert man sich als Leser schon bald mit ihr, man leidet mit ihr und man hofft mit ihr. Die Autorin vermittelt gekonnt und nachvollziehbar die Innensicht und die Motivationen ihrer Hauptperson. Sie sorgt damit für Transparenz und Verständnis für Olivias Handeln, auch wenn die Protagonistin zuweilen an ihre eigenen menschlichen Grenzen stösst. Aufgewachsen als ungewolltes Kind und geplagt von Depressionen in ihrer Jugend, hofft sie auf ein erfüllendes Liebesglück. Nicht selten jedoch erweisen sich ihre Liebhaber als krankhaft vorbelastet, als erpresserisch oder gar als Heiratsschwindler.

Neue Wege und neue Gefühle. Macht uns die Autorin in der ersten Hälfte ihres Buches mit originellen Einzelschicksalen vertraut, beginnt dann aber doch eine zusammenhängende Story, die sich wie ein Schicksalsdrama liest, und die sich in einem Betrieb, in einer Gärtnerei, ausserhalb von Olivias Gästehaus, abspielt. Diese Story führt uns bis nach Irland und zwanzig Jahre in die Vergangenheit zurück. Es gilt, das Geheimnis um ein Gemälde aus Irland zu lüften. Der tragische Tod von Alicia, einer Arbeitskollegin, weist schliesslich Olivia einen neuen Lebensweg.

Keine Heile-Welt-Clichés. Die Erzählungen in „Olivias Gäste“ wirken lebensecht und lebenserfahren. Das Buch erzählt von gescheiterten Beziehungen und von der Suche nach der wahren Liebe. Oftmals ist es die Liebe selbst, die Leid und Enttäuschungen mit sich bringt. Und immer wieder begegnen wir in diesen Geschichten auch Personen, welche die Liebe nur vortäuschen und egoistisch ausnützen. Es braucht zuerst einen tragischen Tod, der Olivia zum ersehnten Glück verhilft. Hat all die Tragik, das Dramatische und Leidvolle in unserem Leben einen Sinn? Die Antwort auf diese Frage fällt in „Olivias Gäste“ klar und eindeutig aus. Olivias Geschichte beginnt im Frühling und endet mit einem sehr überraschenden Schluss am Weihnachtsabend.

Patricia Aschilier im Talk mit rro-Literaturexperte Kurt Schnidrig (Bildquelle: rro).

Text: Kurt Schnidrig

Patricia Aschilier: Olivias Gäste. Realisation: Buchverlag der Regionalzeitung Aletsch Goms AG, Fiesch. März 2020, 142 Seiten.