Neustart der Litera(Tour) geglückt: Bilder eines zauberhaften Abends

Nach dem Lockdown endlich wieder auf Litera(Tour): Der Literatur Club73 durfte die Saison der herbstlichen Abendveranstaltungen in der ZAP Brig grandios eröffnen.

Ein harmonischer und spannender Literatur-Abend gelang dem Team der Buchhandlung Zur Alten Post in Zusammenarbeit mit dem Literatur Club73. Das vom ZAP-Team unter Vize-Filialleiterin Jeanine Studer ausgearbeitete Schutzkonzept bestand den Ernstfall mit Bravour. Das erfreulich zahlreich und begeistert mitgehende Publikum verdankte den Grosseinsatz der Buchhändlerinnen herzlich. Der Literatur Club73 durfte damit Türöffner sein für die nun folgenden herbstlichen Abendveranstaltungen mit vielen namhaften nationalen und regionalen Literatur-Stars und -Sternchen. Als Präsident des Literatur Clubs und als Moderator des Abends erfüllt mich die wunderbare Zusammenarbeit mit Fachleuten und mit den Autor*innen mit grosser Dankbarkeit.

Gastgeberin und Fachberaterin des Club73, Noemi Schnydrig, eröffnete die Talk-Runden.

Noemi Schnydrig ist Buchhändlerin, insbesondere aber auch Belletristik-Verantwortliche. Ihr Alltag spielt sich vorwiegend in der phantastischen Welt zwischen Buchdeckeln ab. Sie erklärte dem staunenden Publikum kompetent, aufschlussreich und hoch spannend, wie der nationale und regionale Literaturbetrieb funktioniert. Als Fachberaterin des Literatur Club73 wartete sie mit spannenden Buch-Tipps und Buch-Trends auf. Interessant zu wissen: Die Sparte „Belletristik“ ging aus dem Buchhandelssegment der Belles Lettres (frz. „schöne Literatur) hervor. Der deutsche Buchhandel erwirtschaftet einen Gesamtumsatz von rund 10 Milliarden Euro, die Sparte „Belletristik“ hat daran einen Anteil von 23%. Jährlich kommen rund 16’000 Titel als Erstauflage auf den Markt. Die Marktanteile verteilen sich recht ausgeglichen auf die verschiedenen Sparten „Erzählende Literatur“, „Spannung“, „Humor und Satire“, „Fantasy“, „Lyrik“ und „Dramatik“.

Tony und Sammy von der Band „remember“ bereicherten den Abend mit wundervoll unvergesslichen Songs aus den 60er Jahren.

Tony Eggel und Sammy Werner von der Band „remember“ weckten mit ihren Songs wunderbare Erinnerungen an eine bewegte Zeit, in der die Songwriter ihre Texte in klangvolle Beat-, Pop- und Rockmusik verpackten. Die musikalische Stilrichtung aus den 60er Jahren prägten die Beatles, die Procol Harum, die Rolling Stones, die Byrds, die Hollies, Simon & Garfunkel, die Monkees, Bob Dylan und andere. Die Band „remember“ mit Bandleader Tony Eggel versucht eigene Interpretationen, und ihr ist gelungen, was nur wenigen gelingt: Die Band bringt so grossartige Songs wie „Imagine“ von John Lennon auch fünfzig Jahre später glaubhaft und bewegend rüber. Das inhaltliche Spektrum der Band ist beträchtlich. Tony und Sammy bereicherten den Abend mit Songs wie „I put a spell on you“ (Alan Price), „Summer in the City“ (Loving Spoonful), „A whiter shade of pale“ (Procol Harum) oder „San Francisco“ (Scott McKenzie). Und natürlich träumten wir alle uns zusammen mit den Musikern zurück in eine magische Zeit, besonders als diese den Song „yesterday“ intonierten, den Beatles-Song, der für Tony Eggels Buch auch gleichzeitig titelgebend war.

Im Talk mit Tony Eggel über sein Buch „yesterday“: In Erinnerungen schwelgen.

Tony Eggel, Psychologe und Psychotherapeut, hat viele Musiker aus den bewegten 1960er Jahren aufgesucht. Entstanden ist eine Dokumentation über rund 20 Oberwalliser Pop-, Beat- und Rockbands. In seinem Buch „yesterday“ lässt er nochmals die Aufbruchstimmung der Zeit 1962-1972 aufleben, die ihn, genauso wie viele andere seiner Generation, bis heute geprägt hat. Die Songs von damals seien für viele ein Jungbrunnen geblieben, sagt Bandleader Tony Eggel. Eine Befreiung von Fesseln sei das damals gewesen, die man unseren Eltern und den Vorfahren angelegt hatte. Aus der Musik dieser Zeit heraus sei damals auch eine sozialpolitische Bewegung entstanden. Die Musik war auch ein Transportmittel für grosse Ideen und Werte wie Frieden, Liebe und gegenseitiges Verständnis unter den Völkern. Die Musikgruppen, welche die Musik aus jener Zeit auch heute noch spielen, können die Menschen immer noch auf der emotionalen Ebene ansprechen, ist Tony Eggel überzeugt.

Im Talk mit Fantasy-Autorin Joanne Gattlen: Bald erscheint die englische Übersetzung von „Meravella“.

Joanne Gattlens erfolgreichen Fantasyroman bevölkern Feen, kaum so gross wie eine Hand. Während eines Amerika-Aufenthalts habe sie ein Gastmädchen mit der Faszination für Feen begeistert, erzählt Joanne. Das Abtauchen in eine Fantasy-Welt gelinge ihr problemlos. Es sei dies gar ein wohltuender Ausgleich zu ihren Tätigkeiten als Hotel-Managerin und als angehende Betriebsökonomin. Die Szenerie für ihren „unerwartet magischen Sommer“ in Irland hat Joanne recherchiert. Phantastisch: Auf einer Irland-Reise, die sie nach Abschluss ihres Fantasy-Romans unternommen hatte, konnte sie feststellen, dass alles genauso war, wie sie es sich vorgestellt und wie sie es in ihrem Roman zuvor beschrieben hatte. Nun arbeitet Joanne an der englischen Übersetzung ihres Fantasy-Romans „Meravella“. Eine Textpassage in perfekt englisch-amerikanischer Sprache (und Aussprache!) trug Joanne dem staunenden Publikum vor. „Für die Mädchen in den USA“, strahlt Joanne. Zur Erinnerung: Joanne betreute als „Nanny“ phantasievolle US-Girls, die einen Feengarten angelegt hatten. Den Nachbarskindern überbrachten sie immer wieder neue Feen-Storys. So ist es eigentlich nur logisch, dass Fantasy-Autorin Joanne ihren Roman nun ins Englische übersetzt. In den USA boomen Fantasygeschichten und ein breites Zielpublikum ist vorhanden…

Im Talk mit Roman-Autorin Sieglinde Kuonen-Kronig: Was Frauen wollen…

Sieglinde Kuonen-Kronig vermittelte bereits in ihrem Roman-Erstling „Gelbe Tulpen vor dem Haus“ auf moderne Art typisierte Frauenbilder. Schon der Begründer der Psychoanalyse, Siegmund Freud, hatte damals empfohlen, sich „an die Dichter zu wenden“, wenn es darum gehe, eine Antwort auf die Frage zu geben: Was will eine Frau eigentlich? Autorinnen von Frauenromanen warten mit Antworten auf. Bei Autorin Sieglinde Kuonen-Kronig trägt jede ihrer Frauengestalten mit ihrer eigenen Geschichte zur Romankonstellation bei. In der stimmigen Romanstory mischen und berühren sich diese Frauengeschichten. „Die Vielfältigkeit und die Spektrumsbreite von Frauengestalten lässt sich in einem Frauenroman aufzeigen“, sagt die Autorin. Im Fortsetzungsroman „Die Tulpen haben aufgehört zu blühen – Fernweh und Abgründe in einem Walliser Dorf“, legt sie viele Fährten, die zu vielfältigen und lebensechten Frauengestalten führen. Der Fortsetzungsroman, der demnächst erscheinen wird, soll noch öffnender, mutiger und vielleicht auch „gewagter“ geschrieben sein. Es wird ein Romanstoff sein, der trotz der tiefschürfenden Inhalte ein lustvolles Lesen ermöglicht. Moderne und lebensechte Settings, weit weg von Happy-End-Phantasien, lassen Identifikationsmöglichkeiten zu und bieten Lösungsansätze.

Sieglinde Kuonen-Kronig schlüpfte zum Schluss in die Rolle der Moderatorin: Gibt es Gemeinsames zwischen den Büchern „yesterday“ und „Vergiss nicht die Blumen in deinem Haar“?

Eine Dokumentation und ein Roman über die legendären 60er- und 70er-Jahre verleiten dazu, die Autoren als Zeitzeugen, damals als Jugendliche auch „mittendrin im Geschehen“, zu befragen. Sieglinde Kuonen-Kronig, als 1968er Kind geboren, übernahm zu diesem Zweck die Rolle der Moderatorin. Sie verstand es bestens, den beiden Alt-Achtundsechzigern Tony und Kurt bleibende Erinnerungen an die damalige 68er-Revolte in unserer Region zu entlocken. Wo spielte sich die lokale 68er-Szene bei uns ab? Wo waren die „Hotspots“ der damaligen „Bewegten“? Worin bestand das eigentlich „Revolutionäre“ bei uns im Oberwallis? Und was haben die beiden Bücher „yesterday“ und „Vergiss nicht die Blumen in deinem Haar“ an Reaktionen ausgelöst? Und gibt es auch von dieser Seite bald wieder eine Buch- Neuerscheinung?

Der Neustart der Litera(Tour) ist geglückt: Die Bilder eines zauberhaften Abends bleiben in dankbarer Erinnerung.

Der Neustart der Litera(Tour) in der Buchhandlung Zur Alten Post in Brig war wie ein Leuchtturm, der Richtung und Ziel angibt, der aber auch ganz viel Licht spendet für die kommenden Auftritte der Litera(Tour) und für den Literatur Club73. Dazu passend das Motto, das die Musiker der Band „remember“ dem Neustart der Litera(Tour) verliehen: IMAGINE !

„Stell dir vor, all die Leute lebten ihr Leben in Frieden. Stell dir vor, die Menschen teilen sich die Welt. Du wirst vielleicht sagen, ich sei ein Träumer. Aber ich bin nicht der Einzige. Und ich hoffe, eines Tages wirst auch du einer von uns sein, und die ganze Welt wird eine Einheit.“

„Imagine“ von John Lennon, in deutscher Übersetzung.

Text: Kurt Schnidrig; Fotos: Michael Schnidrig