Der amerikanische Traum

Die Schweizer Schriftstellerin Milena Moser lebt den amerikanischen Traum in Santa Fe. (Foto: Kurt Schnidrig)

Sie lebt im amerikanischen Westen, Milena Moser. Hintergrund für ihren Roman „Land der Söhne“ ist die filmreife Landschaft von New Mexico. In ihrem Buch geht es um mehr als nur um den „American Dream“. Es geht auch um die Frage: Welchen Preis ist man bereit, für ein Stück Freiheit zu bezahlen? Ist dieses Stück Freiheit bedroht? Verkommt der amerikanische Traum zu einem Auswanderer-Klischee? Ähnliche Fragen stellt sich die Weltöffentlichkeit in diesen Tagen. Der aktuelle Wahlkampf um die amerikanische Präsidentschaft holt die USA-Träumer auf den Boden der Realität zurück. Dabei hatte mit Bernie Sanders angedachter Revolution eigentlich alles vielversprechend begonnen.

In seinem Buch-Bestseller „Unsere Revolution“ stellte der ausgeschiedene Präsidentschaftskandidat Bernie Sanders entscheidende Fragen: Wollen wir weiterhin den Weg von Konsumwahn, Krieg, Rassismus und Umweltzerstörung bestreiten? Oder wollen wir eine bessere Zukunft? Das Buch hatte er nach der Niederlage gegen Hillary Clinton bei den Vorwahlen der Demokraten geschrieben. Es ist in den ersten Wochen der Amtszeit von Donald Trump erschienen. „Our Revolution“ ist sofort zum Weltbestseller geworden. Bernie Sanders macht eine Auslegeordnung der amerikanischen Politik und Gesellschaft. Zwischen Buchdeckeln bringt er konkrete Reformvorschläge. Mit Blick auf den Präsidenten Donald Trump kommt er zum Schluss: Konservative Milliardäre und ihre Helfer haben die amerikanische Politik korrumpiert und zu einem Instrument gemacht zur Umverteilung von Vermögen, Macht und Lebenschancen an die „One Percent“-Kaste, also an die paar reichen Kapitalisten an der Spitze.

„Es ist unbedingt erforderlich, dass Donald Trump geschlagen wird. Es ist nicht akzeptabel und unamerikanisch, dass wir einen Präsidenten haben, der ein krankhafter Lügner ist, ein Rassist, ein Sexist und Fremdenhasser.“

Bernie Sanders

Der „amerikanische Traum“ – hätte mit der „Bernie-Revolution“ weitergeträumt werden sollen. Bernie Sanders Vision vom „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ entzauberte jedoch die tonangebende Agenda der Konservativen in Washington. Problematisch wurde „Unsere Revolution“ von Bernie Sanders vor allem aufgrund der kostspieligen Reformen. Bernie Sanders hätte beispielweise eine kostenlose Universitäts-Ausbildung für alle gewollt. Zu diesem Zweck beabsichtigte er Steuererhöhungen für Millionäre und Milliardäre. Nun ist der „amerikanische Traum“ von Bernie Sanders ausgeträumt. In seinem Buch bringt Sanders auf 450 Seiten keine konkreten Zahlen zu den Kosten seiner geplanten Revolution. Und schlussendlich wissen seine Leser*innen auch nicht genau, wie nun Bernie Sanders seine Revolution konkret hätte umsetzen wollen. Wohl auch deshalb ist Sanders im Rennen um die Präsidentschaft auf der Strecke geblieben.

Joe Biden hätte ja nun versuchen können, die angedachte Revolution der Demokratischen Partei zu konkretisieren. Sein gemässigter Pragmatismus und sein ausgleichendes Naturell böten gute Voraussetzungen dazu. Damit hebt er sich von Trump ab. Seine mangelnde Rednergabe steht ihm dabei jedoch im Weg. Bidens Reden geraten oftmals zu weitläufig, sie arten aus in wenig motivierende Monologe.

„Die grösste Gefahr für Biden liegt in seinem eigenen Mundwerk.“

Kommentator Stephen Colbert in „The Late Show“

Die beste Figur habe Biden während der ersten Monate der COVID-19-Pandemie in den USA abgegeben, da habe er sich in das Kellergeschoss seines Hauses in Delaware in soziale Isolierung zurückgezogen und sich öffentlicher Äusserungen enthalten, kommentieren Beobachter. Dadurch habe er an Statur gegenüber dem Präsidenten Trump gewonnen, dessen Fehleinschätzungen und Versäumnisse sich im Management der Krise gezeigt hatten. Das alles spricht nicht dafür, dass der wahrscheinlich künftige Präsident Biden die angedachte demokratische „Revolution“ und damit den „amerikanischen Traum“ umsetzen und leben könnte.

Milena Mosers Roman „Land der Söhne“, der zeitgleich mit Bernie Sanders „Our Revolution“ erschienen ist, bedient ebenfalls einige amerikanische Auswanderer-Klischees. Die Autorin tut dies allerdings glaubhaft, und sie bestätigt den amerikanischen Anspruch, ein Land der unbegrenzten Möglichkeiten zu sein. Wie die berühmte Tellerwäscher-Karriere made in USA vor sich geht, das lebt uns Lou vor, so heisst der Protagonist in Milena Mosers Buch „Land der Söhne“. Der Schweizer Auswanderer Lou schafft es nach Hollywood und ergattert sich dabei den Job eines Filmproduzenten. In Mosers Roman hatten die Eltern in der Mitte des vorigen Jahrhunderts in Amerika die grosse Freiheit gesucht. Sie wollten der Enge und der Perspektivenlosigkeit hier in der Schweiz entfliehen. Doch der vielgerühmte „American Dream“ hat von der Familie unsägliche Opfer abverlangt.

Welchen Preis ist man bereit, für ein Stück Freiheit zu bezahlen? Eine Antwort auf diese Frage zu geben, fällt schwer. Schwer für Bernie Sanders, Joe Biden oder Donald Trump. Etwas leichter für die Romanautorin Milena Moser.

Hören Sie den Podcast aus dem Archiv der Sendung Literaturwelle zu Milena Mosers Amerika-Buch „Land der Söhne“ (Quelle: rro / Kurt Schnidrig)
Hören Sie den Podcast aus dem Archiv der Sendung Literaturwelle zu Bernie Sanders Buch „Unsere Revolution“ (Quelle: rro / Kurt Schnidrig)

Text, Bild und Radiosendung: Kurt Schnidrig