Happy Birthday, liebes Radio!

Literatur am Radio gab es in den vergangenen 30 Jahren regelmässig und in mancher Form. Den ersten Literaturabend zum Thema „Save the last dance for me“ aus dem rro-Studio Barrique in Eyholz verfolgten am 28.10.2016 rund zweitausend Zuschauer im rro-Livestream. (Bild: rro/zy)

Geburtstage sind immer auch ein Grund, Rückschau zu halten. Besonders dann, wenn es sich um runde Geburtstage handelt. Happy Birthday, liebes Radio, zum 30. Geburtstag! Wunderbare und zauberhafte Freundschaften verbinden mich bis heute mit den Machern aus der Medienbranche und insbesondere aus dem Umfeld des Radios. Dass die Sendung „Literaturwelle“ beim Lokalradio zu einem Fixpunkt im Programmangebot gehört und dass meine Literatursendungen und -beiträge so manchen „Relaunch“ überlebt haben, dafür bin ich den Radiomacher*innen zutiefst dankbar. Sehr gerne erinnere ich mich an die Highlights zurück, die ich als Germanist und als Literaturexperte bei rro miterleben durfte.

Im Jahr 1993 stiess ich zum rro-Team der ersten Stunde und arbeitete als Informationschef in der Redaktion, allerdings lediglich in Teilzeit, denn hauptberuflich war ich am Oberwalliser Seminar mit der Ausbildung von Lehrpersonen beschäftigt. Doch bereits für das rro-Team der ersten Stunde war die Literatur ein angesagtes Thema.

Die wohl erste literarische Sendung aus dem Hofji in Visp war das „Ofubankji“. In dieser Sendung erzählten oder lasen wir zur Winterszeit in Paar-Moderation aktuelle Geschichten. Dutzende „Ofubankji“-Sendungen durfte ich mit meiner leider viel zu früh verstorbenen Kollegin Indira Burgener realisieren. Zu einem veritablen „Ofubankji“-Highlight geriet eine Sendung mit Geschichten des Kreativitäts-Forschers Dr. Gottlieb Guntern, die ich zusammen mit Christine Gertschen moderierte. Der damals weltweit engagierte Psychiater und seine Frau luden uns beide nach der Sendung zu sich nach Hause zu einem feinen Nachtessen ein. Weitere wundervolle und bereichernde Begegnungen mit den Gunterns sollten folgen.

Das „Kulturjournal“ betreute ich jahrelang. In dieser halbstündigen Sendung war die Literatur nur eine Sparte von vielen. Das Kulturjournal beinhaltete auch Reportagen, Besprechungen und O-Ton-Mitschnitte von Theatern, Vernissagen und anderen kulturellen Veranstaltungen. Für mich war die Redaktion des Kulturjournals zwar sehr aufwändig, aber auch äusserst bereichernd. Unglaublich, wie viele Kulturschaffende ich während meiner Arbeit für diese Kultursendung kennenlernen durfte. Die Bekanntschaften und Freundschaften aus dieser Zeit haben grösstenteils bis heute Bestand.

Meine Sendung „Report“, die jeweils am Samstagnachmittag ausgestrahlt wurde, dauerte meist eine Stunde. Fasziniert vom investigativen Journalismus eines Günther Walraff, versuchte ich – manchmal in Zusammenarbeit mit meinem Kollegen Rainer Maria Salzgeber – heisse und teils auch tabuisierte Themen aufzugreifen und in eine Reportage-Sendung zu verpacken. Darunter waren etwa Themen wie „Versteckte Kinder bei uns“, „Das Leben von Asylanten“, „Umgang mit der Krankheit Aids“ oder „Lebensrettung mit der Air Zermatt“. Der „Report“ gehörte jeweils am Samstagmittag zum Fix-Programm von rro. Meine Berufung als Dozent an die Hochschule Wallis bedingte dann zwischenzeitlich eine Auszeit bei rro.

Mit einer halbstündigen Literatur-Sendung am Mittwochmorgen stiess ich 1995 erneut zum Team. Die Sendung befasste sich wöchentlich mit einem aktuellen Thema, das literarisch aufgearbeitet und mit entsprechenden Buch-Rezensionen zum Weiterlesen animierte. Im Sinne einer flexibleren Programmgestaltung wurde die Literatur-Sendung anlässlich eines „Relaunch“ umgewandelt in Literatur-Beiträge, die seither, zu unterschiedlichen Sendezeiten, im rro-Wochenprogramm auftauchen.

Die Literaturabende aus dem Studio Barrique in Eyholz bleiben unvergesslich. Sie wurden mit grossem Erfolg per Livestream als Literatur-TV übertragen. An meine erste TV-Sendung erinnere ich mich besonders gern. Sommerliteratur umrahmt mit Gesang und Tanz war angesagt. Rund zweitausend Zuschauer*innen verfolgten den Literaturabend im rro-Livestream. Zahlreiche rro-Hörerinnen schickten als Grundlage für diesen Abend ihre Sommererinnerungen in Form von Geschichten ein. Die eingesandten Geschichten handelten zumeist von romantischen Themen wie Liebe und Schmerz, Wärme und Herz. Musikalische Intermezzi und das Oberwalliser Tanzinstitut A&O unter der Leitung meiner lieben Kollegin Jeannette Salzmann machten aus dem Literaturabend eine veritable Literatur-Show. Weitere Literatur-Shows folgten, immer begeistert begleitet von rund zweitausend Zuschauer*innen zu Hause an den Bildschirmen oder live im Studio.

Mein rro Blog Literatur ergänzt seit vier Jahren die Sendungen mit Text, Bild und Podcast. Der Literatur-Blog (literatur.rro.ch) hat sich schweizweit einen Namen geschaffen und ist auch schon vielfach in den Medien zitiert worden.

Herzlichen Dank an die Verantwortlichen von rro. Lieben Dank auch an die Radiomacherinnen und -macher. Für meine Medienarbeit in Teilzeit habe ich jeweils gerne den Elfenbeinturm des Wissenschafters verlassen. In meinen beruflichen Tätigkeiten als Ausbildner von Lehrpersonen und als Dozent für Deutsche Sprache und Literatur an der Hochschule durfte ich meine Profession als promovierter Germanist ausleben; in meiner Radioarbeit meine Passion als Kommunikator, Journalist und Geschichtenerzähler.

Text: Kurt Schnidrig; Bild: rro/zy