Es soll wieder Weihnachten werden!

Briger Stadtplatz mit weithin leuchtender Tanne. Weihnachtliche Stimmung trotz der „Massnahmen“. (Bild: Kurt Schnidrig)

Es gibt viele Möglichkeiten, um sich auf das Weihnachtsfest einzustimmen. Es geht primär darum, sich zu entspannen und dem Alltagstrott zu entrinnen. Ein zauberhafter Abendspaziergang durch weihnachtlich geschmückte Gassen und Plätze kann die friedliche Weihnachts-Stimmung tief aus unserer früheren Kinderseele heraufholen. Unzählige Weihnachtsgeschichten verströmen diese harmonische Stimmung, eine Komposition aus Romantik, Optimismus, Wunder, manchmal auch aus Sentimentalität und Melancholie. Dabei sind es oftmals die Geschichten von früher, die an Weihnachten wieder angesagt sind. Geschichten aus vergangenen Jahrzehnten und Jahrhunderten. Was ich mich frage: Lassen sich in unserer modernen Zeit überhaupt noch wundersame Weihnachtsgeschichten schreiben?

Von drauss vom Walde komm ich her; / Ich muss euch sagen, es weihnachtet sehr! / Allüberall auf Tannenspitzen / Sah ich goldene Lichtlein sitzen; / Und droben aus dem Himmelstor / Sah mit grossen Augen das Christkind hervor. / Die Kerzen fangen zu brennen an, / Das Himmelstor ist aufgetan, / Alt‘ und Junge sollen nun / Von der Jagd des Lebens einmal ruh’n; / Und morgen flieg ich hinab zur Erden, / Denn es soll wieder Weihnachten werden!

Theodor Storm, 1817-1888

Der Weihnachtsbaum oder Christbaum ist Requisite in so mancher Weihnachtsgeschichte. In der deutschen Literatur ist es selbstredend der Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe, der den Weihnachtsbaum in seinem Briefroman „Die Leiden des jungen Werthers“ erstmalig erwähnt. Der Briefroman ist 1774 erschienen. Der Protagonist Albert besucht am Sonntag vor Weihnachten die von ihm angehimmelte Lotte. Albert taucht im Liebesgeflüster mit seiner Geliebten ein in Kindheitserinnerungen. Er schwelgt in Erinnerungen an Zeiten, da er – selber noch ein Kind – vor der verschlossenen Stubentür im elterlichen Haus ungeduldig ausharrte, bis das Christkind endlich von innen öffne. Als es dann endlich so weit war und die Stubentür plötzlich wie von Zauberhand weit offen stand, da bot sich ihm ein Anblick, der seine Kinderseele prägte: Die Erscheinung eines „aufgeputzten Baumes“ mit Wachslichtern, Zuckerwerk und Äpfeln versetzte ihn – einer Geliebten gleich – in paradiesisches Entzücken.

Weihnachtsbäume in aller Welt künden seither vom Fest des Friedens und der Liebe. Einem grossen Leserkreis bekannt wurde der Weihnachtsbaum im Jahr 1805. In diesem Jahr erwähnte Johann Peter Hebel den Weihnachtsbaum in seinem Lied „Die Mutter am Christabend“. Weitere literarische Erwähnungen des Weihnachtsbaums führten schliesslich dazu, dass am Vorweihnachtsabend des Jahres 1815 in Weimar ein gewisser Wilhelm Hoffmann den weltweit ersten öffentlichen geschmückten Weihnachtsbaum aufstellte. Dieser erste öffentlich geschmückte Weihnachtsbaum sollte ein Geschenk sein für all die armen Kinder, die damals ohne ein eigenes Zuhause auf der Strasse lebten. Ein Jahr später, 1816 also, war es dann soweit: Erstmals erschien der lichterglänzende, mit goldenen Äpfeln und Bonbons geschmückte Tannenbaum inmitten der Weihnachtsbescherung. Dazu beigetragen hatte ein Märchen von E.T.A. Hoffmann. Das Märchen heisst „Nussknacker und Mausekönig“ und ist bis heute das Weihnachtsmärchen schlechthin geblieben.

Das märchenhafte Perrighaus mit Weihnachtskrippe zuoberst an der Briger Bahnhofstrasse im Lichterglanz (Bild: Kurt Schnidrig)

Die katholische Kirche stand lange Zeit mit dem Weihnachtsbaum auf Kriegsfuss. Die römisch-katholische Kirche scheute jahrhundertelang vor allem zurück, was heidnischen Ursprungs war. Stattdessen favorisierte die katholische Kirche bis zum Ende des 19. Jahrhunderts einzig die Krippe als Symbol für die Weihnachtszeit. In kirchlichen Zeiten herrschte die Meinung vor, dass der Weihnachtsbaum dem heidnischen Mithras-Kult entstamme. Im Mithras-Kult ehrten und opferten die Menschen in früheren Zeiten zur Wintersonnenwende dem Sonnengott. Der Mithras-Kult fand später dann auch Zuspruch in den nördlichen Gegenden Europas. Da wurden im Winter mit Vorliebe immergrüne Tannenzweige ins Haus gehängt. Die Menschen waren abergläubisch und erhofften sich vom Grünzeug, dass es das Eindringen und Einnisten von bösen Geistern erschweren werde. Das Tannen-Grün sollte aber auch immer die Hoffnung auf eine Wiederkehr des Frühlings nach all dem Winterleid am Leben erhalten. Obschon also die katholische Kirche über Jahrhunderte einzig der Weihnachtskrippe einen wichtigen Symbolgehalt für das Weihnachtsfest zugemessen hatte, übernahm sie dann doch mit der Zeit den Brauch, einen Weihnachtsbaum aufzustellen. Erstmals war dies der Fall in den katholischen Regionen Deutschlands und Österreichs. Eine jüdische Gesellschaftsdame war es, Fanny von Arnstein, die 1814 in Wien den ersten Weihnachtsbaum aufgestellt hatte. Er befindet sich heute im Weihnachtsmuseum in der norddeutschen Stadt Husum (Bild unten).

Der erste Weihnachtsbaum hinter Glas im Weihnachtsmuseum in Husum (Foto: Kurt Schnidrig)

Früchte am „Baum der Erkenntnis“. Was nun aber sollen die Christbaumkugeln bedeuten, mit denen wir unsere Weihnachts-Tannen schmücken? Urheberin und Ideengeberin für die Weihnachtskugeln am Baum ist die katholische Kirche – und dies trotz jahrhundertelanger Ablehnung des Weihnachtsbaums. Die Christbaumkugeln sollen an die Früchte am „Baum der Erkenntnis“ erinnern. Der „Baum der Erkenntnis“ stand bekanntlich im Paradies. Die Eva war es, die verbotenerweise mit einem Apfel vom „Baum der Erkenntnis“ den liebestollen Adam verführte. Weil nun aber der 24. Dezember bis zur Liturgie-Reform durch das Zweite Vatikanische Konzil der liturgische Gedenktag Adam und Evas war, hängt Evas Apfel vom paradiesischen „Baum der Erkenntnis“ nun gleich in multipler Form vervielfacht als Christbaumkugeln an unseren Weihnachtsbäumen. Nun ja, Liebe kannte schon damals im Paradies keine Grenzen. Die Verführung Adams durch Eva mit Hilfe eines Apfels wurde von der katholischen Kirche als „die Erbsünde“ verdammt. Unsere Generation kann ein Weihnachtslied davon singen. Kaum auf der Welt, erhielt ich – wie so viele andere aus meiner Generation auch – die sogenannte „Nottaufe“, um – im Falle eines frühen Kindstodes – vor einer direkten Fahrt runter in die Hölle gewappnet zu sein. Gemäss dem christlichen Glauben wurde die Erbsünde durch die Geburt Jesu Christi, derer an Weihnachten gedacht wird, und durch seinen Kreuzestod wiedergutgemacht.

Das „Fest der Liebe“. Eva verführte Adam mit einem Apfel, der sich später mit Hilfe der katholischen Kirche auf wundersame Weise zur Christbaum-Kugel verwandelte. Was geblieben ist, das ist einmal mehr die Liebe in all ihren Facetten, zu Weihnachten gar als „Das Fest der Liebe“. Die Liebe ist das ganz grosse Thema in allen Weihnachtsgeschichten. Besonders zur Weihnachtszeit schiessen Amor und seine Engel bevorzugt ihre Pfeile in die Herzen der Menschen. Der „Sturm der Gefühle“ bildet die Stimmungslage in so mancher Geschichte zu Weihnachten, unterstützt und verzaubert durch die vielen bunten Lichter, und durch den Duft von Zimt und Lebkuchen.

Hören Sie mehr über Rezepte und Geschichten für eine entspannte Weihnachtszeit im Podcast aus der Sendung Literaturwelle. (Quelle: rro / Kurt Schnidrig).

Text, Fotos und Radiosendung: Kurt Schnidrig