Weihnacht ohne Christkind

Warum kommt das Christkind in dieser Weihnacht nicht? Schriftstellerin Juli Zeh weiss warum. (Symbolbild: Kurt Schnidrig)

Passend zu den anstehenden Festtagen, die dieses Jahr notgedrungen ganz anders ausfallen werden, hat die Autorin Juli Zeh ein Kinderbuch geschrieben. Dabei hat sie sich intensiv von ihren beiden eigenen Kindern beraten lassen. Im Kinderbuch „Alle Jahre wieder“ geht es um Weihnachten, das so ganz anders ist als in all den Jahren zuvor. Die Geschenke bleiben aus. Das Christkind kommt nicht. Was nur ist passiert? Die Zwillinge Lena und Josh gehen im Buch der Frage auf den Grund, warum das Christkind in diesem Jahr nicht gekommen ist.

„Keine Geschenke! Die totale Katastrophe, weil Weihnachten vor allem aus Kindersicht das Fest des maximalen Geschenkkonsums ist.“

Autorin Juli Zeh über ihr Buch „Alle Jahre wieder“

Es ist Heiligabend. Wie alle Jahre wieder gehen Lena und Josh weihnachtlich gestimmt ausser Haus. Von allen früheren Weihnachten wissen sie, was nun ansteht: Wenn sie heimkommen, werden die Kerzen am Weihnachtsbaum leuchten und die Geschenke darunter ihre Kinderherzen in Aufruhr versetzen. Als Lena und Josh aber nach Hause kommen, verschlägt es ihnen die Sprache. Da ist kein geschmückter Baum. Da sind keine leuchtenden Kerzen. Da lassen sich nirgendwo Geschenke finden. Weihnachten scheint abgesagt zu sein.

Hat sich das Christkind verletzt? Als Papa endlich nach Hause kommt, berichtet er den Zwillingen Lena und Josh von einem seltsamen Fund. Papa ist Ornithologe, und als Vogelkundler hat er einen verletzten Vogel aufgefunden und diesen in die Vogelwarte gebracht. Augenblicklich ahnen Lena und Josh einen Zusammenhang. Sie rotten sich mit anderen Kindern zusammen und pilgern zur Vogelwarte. Ihre Vorahnung wird zur Gewissheit: Die Erwachsenen haben keinen Vogel, sondern das verletzte Christkind eingefangen. Unter riesigen weissen Schwingen kuschelt sich da ein Kind in eine Käfigecke.

Das Christkind retten – aber wie? Nun sind zündende Ideen gefragt. Es gilt, das Christkind gesund zu pflegen. Das können die Kinder nur gemeinsam schaffen. Jedes Kind muss seinen Beitrag dazu leisten. Als Leser darf man sich getrost zurücklehnen, denn es kommen keine Zweifel auf: Die Kinder werden das schaffen. Sie werden das Christkind retten und gesund pflegen. Und bestimmt wird das Weihnachtsfest im nächsten Jahr wieder stattfinden. Und das Weihnachtsfest übers Jahr wird noch viel schöner werden als bisher.

Eine klare Botschaft vermittelt das Kinderbuch von Juli Zeh. Dass sie auch psychologische und pädagogische Überlegungen in die sehr zarte und feinfühlige Geschichte mit hineinverpackt, tut dem spannenden Plot keinen Abbruch. Der soziale Aspekt ist der Autorin wichtig. Alle Kinder sind eingebunden in die gemeinsame Pflege des Christkinds. Dabei sind auch jene, die manchmal ausgelacht werden, nicht nur die Vorlauten und die Anführer. Das Wichtigste aber: Die Geschenke sind plötzlich gar nicht mehr so wichtig. Die Sorge ums Christkind hat den jährlichen Geschenke-Konsum vollends verdrängt.

Die Kinder lernen dabei auch, dass es auch schön sein kann, ganz ohne Geschenke mit Freunden zusammen eine Herausforderung zu meistern, und dass das vielleicht noch glücklicher macht.“

Juli Zeh über die Botschaft ihres Buches „Alle Jahre wieder“

Die Kinder am Lektorat beteiligt. Die eigenen Kinder hat die etablierte Schriftstellerin mutig als Lektoren walten lassen. Dies mit dem Ergebnis, dass die Story nun sehr nahe an der Wirklichkeit gebaut ist. Dasselbe gilt für die Illustrationen. Die Bilder seien von ihren beiden Kindern „sehr streng geprüft“ und danach von der Künstlerin Lena Hesse auf Vorschlag der Kinder immer wieder verändert und angepasst worden, sagt die Autorin. Nur allzu oft würden nämlich in Kinderbüchern die Bilder allzu süsslich und allzu kitschig gemalt – denn gekauft werden die Bilderbücher ja von Erwachsenen für Kinder. Nicht so im Kinderbuch „Alle Jahre wieder“. Die Bilder müssen lieb sein und liebevoll, nicht aber kitschig und niedlich, hält Juli Zeh fest.

„Wenn die Augen zu weit aufgerissen sind, ohne Emotionen darzustellen, oder wenn jemand lacht und der Mund zu weit offen ist, da sagen die sofort, das sieht gruselig aus, das sieht eklig aus. Die wollen so eine gemässigte liebevolle Darstellung.“

Juli Zeh über die Bilder in ihrem Buch „Alle Jahre wieder“

Bestseller-Autorin Juli Zeh hat erstmals ein Kinderbuch geschrieben. Bis anhin hat sie sich einen Namen geschaffen als Autorin von Romanen. Zuletzt erschien von ihr im Jahr 2018 der Roman „Neujahr“. Darin erzählt die Autorin von der alltäglichen Überforderung eines Familienvaters und von einem frühkindlichen Trauma, das sich im späteren Leben des Protagonisten in Form von Panikattacken manifestiert. Juli Zeh heisst mit bürgerlichem Namen eigentlich Julia Barbara Finck. Von Beruf ist sie Juristin und Richterin am Verfassungsgericht des Landes Brandenburg. Sie wurde an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken zum Dr.iur. promoviert.

Hören Sie den Podcast aus der Sendung Literaturwelle zum Kinderbuch „Alle Jahre wieder“. (Quelle: rro / Kurt Schnidrig / Corinne Amacker)

Text, Foto und Radiosendung: Kurt Schnidrig