„Bevormundung ist nicht Schweizer Art“

Dr. Daniel Koch, Gesicht des Krisenjahres 2020, gesteht mir gegenüber: „Weltweit habe ich noch nie so etwas erlebt.“ (Foto: ZAP Brig)

Als Krisenmanager bremste er in Peru die Infektionskrankheit Typhus aus. In Sierre Leone kämpfte er gegen das tückische Lassafieber. Er sah Menschen verbluten, weil sie von einem Virus befallen waren, das von Ratten und Mäusen übertragen wurde. In den späten 1990er-Jahren und um die Jahrtausendwende stand er als IKRK-Delegierter in so manchem Entwicklungsland verheerenden Epidemien gegenüber. Die aktuelle weltweite Pandemie stimmt aber auch den gewieften Krisenmanager Daniel Koch nachdenklich: „Weltweit habe ich noch nie so etwas erlebt, die aktuelle Corona-Krise ist besonders“, gestand Daniel Koch mir gegenüber.

Persönlichkeit des Jahres 2020. Bereits während seiner Zeit als Krisenmanager und als Delegierter des BAG für Covid-19 bewunderte ich das Charisma, die ruhige und überlegte Art, sowie die kommunikativen Fähigkeiten des Arztes Dr. Daniel Koch. Die persönliche Begegnung mit ihm entsprach denn auch einem innigen Wunsch meinerseits. Die Buchhandlung ZAP in Brig hatte alles vorgekehrt, um „Mister Corona“ und mir einen sicheren Verlauf des Gesprächs zu ermöglichen. Nebst der Aktualität mit den steigenden Fallzahlen wünschte ich mir von Daniel Koch auch sehr persönliche Auskünfte darüber, wie es ihm gelingt, trotz randvoller Agenda eine funktionierende Work-Life-Balance zu pflegen.

Rückkehr als Krisenmanager im Neuen Jahr 2021? Daniel Koch ist und bleibt die Identifikationsfigur der Krise dieses unsäglichen und traurigen Jahres 2020. Angesichts der stagnierenden Fallzahlen und verängstigt durch die Virus-Mutationen, wünschten sich nicht wenige Bürgerinnen und Bürger eine Rückkehr von Daniel Koch als Krisenmanager im Neuen Jahr. Ganz ausschliessen mag Daniel Koch dieses Szenario nicht.

„Ich bin ja schon mehrere Monate nicht mehr im Amt. Ich kenne die Mitarbeiter nicht mehr und ich weiss auch nicht, welche Hilfsmittel mir bei einer Rückkehr zur Verfügung stünden.“

Daniel Koch im Gespräch mit Kurt Schnidrig

Mit Blick in die Zukunft sei es nun wichtig, Fortschritte zu erzielen. Die Fäden würden aktuell bei der externen wissenschaftlichen Taskforce zusammenlaufen. Manchmal jedoch würde sich die Situation aus wissenschaftlicher Sicht als zu eng präsentieren, warnt Daniel Koch. „Es geht um die Gesundheit der Bevölkerung, da muss man die Probleme etwas breiter anschauen“, meint der Praktiker Koch.

„Das Praktische ist wichtig. Es gilt, die Bedürfnisse der Leute zu kennen und darauf einzugehen.“

Daniel Koch im Gespräch mit Kurt Schnidrig

„Bevormundung ist nicht Schweizer Art“. Einer reinen Verbotsstrategie kann Daniel Koch nicht viel abgewinnen. Er setzte bereits früh in der Krise auf eine Mischung aus Eigenverantwortung, Schutz der vulnerablen Gruppen und Verboten für die Bevölkerung. Eine solche Strategie würde er auch jetzt empfehlen, denn „Bevormundung ist nicht Schweizer Art“, gibt sich Daniel Koch überzeugt. Besser sei es, sich der Bevölkerung gegenüber gut und nachvollziehbar zu erklären und Massnahmen zu ergreifen, die verstanden werden. Daniel Koch bleibt dieser Strategie auch dann treu, wenn es um das heiss diskutierte Thema der Impfung geht. Selbstverständlich werde er sich gegen das Coronavirus impfen lassen. Überhaupt sollten sich „aus Solidarität“ alle Menschen impfen lassen, die keine Kontraindikationen haben, wünscht sich Daniel Koch. Denn nur wenn mehr als die Hälfte der Bevölkerung sich impfen lasse, zeige sich ein Effekt auf die Gesamtsituation.

Daniel Koch, Leser und Läufer. Im ausgiebigen Gespräch mit Daniel Koch stellten sich zumindest zwei Gemeinsamkeiten zwischen ihm und mir heraus. Begeistert erzählte er mir, dass auch er ein Herz habe für die Literatur. Beim IKRK habe er lange Reisezeiten überstehen müssen. Bücher seien da immer eine gute Möglichkeit gewesen zur Entspannung, zum Ausgleich und zur Verarbeitung. Unterwegs im Kriegsgebiet, habe er immer auch drei Bände von Tolkiens „The Lord of the Rings“ mit im Gepäck gehabt. In seinem eigenen Buch „Stärke in der Krise“ gibt Daniel Koch weitere Aspekte seines Lebens preis, eines Lebens, das sich oftmals in den Wäldern und in Gesellschaft seiner drei Hunde Akira, Chili und Troy abspielt. Mit seinem treuen Hund Troy hatte er 2019 die Europameisterschaft im „Canicross“ gewonnen. „Diesen Titel möchte ich im Neuen Jahr verteidigen“, sagt Daniel Koch, und in seinen Augen glaube ich ein herausforderndes Strahlen und Leuchten zu erkennen.

Hören Sie das ungeschnittene Gespräch, das ich im Oktober 2020 mit Daniel Koch geführt habe. (Quelle: rro / Kurt Schnidrig)

Text und Radiosendung: Kurt Schnidrig; Foto: ZAP Brig.