Gerth Vogel: „Krise – da machen wir nicht mit“

Schwere Zeiten für Tourismus, Events und Gastronomie. In einem E-Book zeigt Gerth Vogel aus St. Niklaus, was Führung in der Krise bedeutet. (Symbolbild: Kurt Schnidrig)

Gerth Vogel führt im Oberwallis, in St. Niklaus, das „Zentrum für Unternehmensentwicklung“. Es handelt sich dabei um ein Einzelunternehmen, das bereits seit 2004 existiert. Als Unternehmer, Referent und Autor steht Gerth Vogel auf Wunsch den durch die Pandemie gebeutelten Unternehmen zur Seite. „Krise – da machen wir nicht mit“ – so heisst sein E-Book, in dem er erklärt, was Führung in der Krise bedeutet. Die Ratschläge, die Gerth Vogel den kriselnden Unternehmen erteilt, lassen sich schwerpunktmässig in einem 3er-Mindset zusammenfassen. Was braucht es in der Krise? 1. Eine starke Vision. 2. Eine konsequente und schnelle Umsetzung. 3. Begeisterung oder Schmerz bei den Mitarbeitenden um Veränderungen zu ermöglichen.

„Machen Sie sich ein kraftvolles Bild von dem, was Sie sich sehnlich wünschen und glauben Sie fest daran, dass Sie es erreichen werden.“

Aus: „Krise – da machen wir nicht mit“ von Gerth Vogel

Positive und zielführende Gedanken – bestimmt ist dies ein wertvoller Tipp in jeder Krise. Die Massnahmen, die zur Bekämpfung der Pandemie gegenwärtig in Kraft sind, erschweren jedoch womöglich die Umsetzung dieses an und für sich guten Ratschlags in der aktuellen Krise. Der Gastronomie fehlen seit Wochen jegliche Einnahmen. Läden, Einrichtungen und Institutionen sind geschlossen. Positive Gedanken und der Glaube an eine rosige Zukunft sind in dieser Situation vielen bereits abhanden gekommen. Die Hoffnung stirbt zuletzt – aber sie stirbt. So lange es geht, gilt es jedoch, als „Kapitän“ eines Unternehmens das „Schiff“ auf Kurs zu halten und vor dem Untergang zu bewahren.

„Halten Sie Ihre linke Hirnhälfte davon ab, logische Zweifel anzumelden.“

Aus: „Krise – da machen wir nicht mit“ von Gerth Vogel

Die Neurobiologie als Begründung. Sein 3er-Mindset stützt Autor Gerth Vogel mit dem sogenannten „Hemisphärenmodell“, das wir aus der Neurobiologie kennen. Im Linkshirn sollen Elemente wie die Logik, das Rechnen, unsere Zielsetzungen, das Analytische, das Detaildenken und das Faktische angesiedelt sein. Vor dem Linkshirn sollten wir also – gemäss Gerth Vogel – auf der Hut sein, denn Zweifel und das logische Denken könnten in Krisenzeiten kreative Lösungen sabotieren. Folgt man der Argumentation des Autors, wäre also das Rechtshirn in einer Krise zu favorisieren. Im Rechtshirn sollen „weiche“ Faktoren wie die Kreativität, die Musik, das Tanzen, die Vorstellung, die Intuition, die Emotion und das bildhafte Denken angesiedelt sein. Doch lässt sich unser Hirn derart zweiteilen? Modernere Neurobiologen postulieren das Grosshirn als Sitz der Logik. Vielen dürfte es Schwierigkeiten bereiten, das Linkshirn einfach so auszuschalten, insbesondere auch deswegen, weil wir Abendländer über Jahrhunderte in Ausbildung und Kultur vor allem die linke Hirnhemisphäre trainiert haben.

„Erzeugen Sie bei Mitarbeitern, Kollegen, Geschäftspartnern und Kunden Begeisterung oder Schmerz um Veränderung zu ermöglichen.“

Aus: „Krise – da machen wir nicht mit von Gerth Vogel

Begeisterung und Schmerz. Das Begriffs-Paar macht stutzig. Schon klar, die Mitarbeitenden für kreative und originelle Wege aus der Krise begeistern, das leuchtet ein. Aber Schmerz erzeugen? Es ist nachvollziehbar, dass Führungskräfte in Krisenzeiten ab und an mit unliebsamen Massnahmen aufwarten müssen. Unser Bundesrat, der zurzeit harte und – vor allem auch für Unternehmen – schmerzliche Massnahmen zur Eindämmung der Pandemie verhängen muss, liefert ein aktuelles Beispiel dafür. Es ist aber just auch dieses aktuelle Beispiel, das die sehr begrenzte Wirkung von derart „schmerzlichen Massnahmen“ belegt. Bald einmal sind nicht nur die Unternehmen, sondern die gesamte Wirtschaft und das Volk (corona-) müde und befolgen schmerzliche Massnahmen ohne Begeisterung. Schlimmer noch: Führungskräfte, welche in der Krise schmerzhafte Massnahmen diktieren, werden früher oder später an den Pranger gestellt.

Persönlich halte ich die Thesen, Meinungen und Behauptungen aus dem E-Book von Gerth Vogel durchaus für geeignet als Grundlagen-Diskussion. Insbesondere die Forderung nach einer klaren Vision und nach konkreten und lösungsorientierten Wegen, die aus der Krise führen könnten, überzeugt. Ob das 3er-Mindset allerdings den komplexen Zusammenhängen, denen beispielsweise die gegenwärtige Pandemie unterliegt, gerecht wird? Wie die aktuell geltenden Massnahmen des Bundesrates zeigen, fehlen den Unternehmen in Krisenzeiten oftmals die Möglichkeiten zum Handeln. Das 3er-Mindset klammert insbesondere die finanziellen Auswirkungen einer jeden Krise aus. Sind es aber nicht ebendiese wirtschaftlich-ökonomischen Bedingungen, die einem Unternehmen in Krisenzeiten die Existenzgrundlage entziehen? Daran kann weder Begeisterung oder Schmerz bei den Mitarbeitenden, noch eine optimistische Zukunftsvision etwas ändern.

Hören Sie den Podcast aus der Sendung Literaturwelle zum E-Book von Gerth Vogel.
(Quelle: rro / Kurt Schnidrig / Yannick Zenhäusern)

Text, Bild und Radiosendung: Kurt Schnidrig