Ein Musik-Roman aus dem Oberwallis

Samuel Schnydrig hat einen musikalischen Generationen-Roman über die 90er-Jahre geschrieben (Symbolbild: Kurt Schnidrig)

Samuel Schnydrig ist Gitarrist und Sänger bei der Indie-Formation „Them Fleurs“. In diesem Frühjahr gibt er im Berner Zytglogge-Verlag einen „musikalischen Generationenroman“ heraus. Das Werk trägt den Titel „KLAUS – Leben vor dem Steinschlag“. Der Autor erzählt davon, wie sich seine Figur Klaus vom Teenager in den 90er-Jahren zum Mitdreissiger der Gegenwart entwickelt hat. In einem ruhigen Städtchen in den Schweizer Bergen aufgewachsen, hat Klaus die Musik für sich entdeckt und früh schon eine eigene Band gegründet. Er hat sich unsterblich verliebt, hat sich sodann aus seiner Stammbeiz verabschiedet und ist in die weite Welt hinausgezogen, wo er schlussendlich doch noch sein Glück gefunden hat.

Die pralle Lebensgeschichte eines Musikers fasziniert vor allem durch den Erfindergeist und die Kreativität des Protagonisten, der 17 Jahre lang ganz nach der Chaos-Theorie gelebt und so manches versucht hatte. Vieles ist er dilettantisch und anfängerhaft angegangen, einiges aber auch hoch professionell, insbesondere all das, was mit Musik zu tun hat. Rund um die Figur des Klaus begegnen wir auch noch anderen Charakter-Typen, etwa dem Beizer Marcel, dem Philosophen Viktor, der Eigenbrötlerin Aiko oder dem Jugendfreund Basters. Der Autor und Musiker hat seinen ersten Roman gespickt mit Zitaten aus seinen Songs. (Samuel Schnydrig: Klaus. Leben vor dem Steinschlag. Verlag Zytglogge, Bern 2021, 320 Seiten. Erscheint demnächst).

Den Soundtrack der 90er-Jahre und die Berg-und-Tal-Fahrt eines Musikerlebens atmet die Coming-of-Age-Story, die Autor Samuel Schnydrig veröffentlicht. Heute ist er Mitglied der Band „Them Fleurs“. Bereits in den frühen Nullerjahren stürmten die fünf Musiker die Konzertbühnen der Schweiz. Der Musikstil von „Them Fleurs“ hat dabei verschiedenste Elemente aus der Musikszene aufgesogen und verinnerlicht – vom Punk über Pop bis hin zum Elektronischen. Im März 2014 erschien das Debutalbum BACK AND SO ON, danach rockten die Them Fleurs rund 100 Konzerte, darunter war auch ein Auftritt am Open-Air Gampel. 2016 folgte die Rückkehr ins selbsteingerichtete Studio in zwei entlegenen Walliser Berghütten. 2017 erschien das Album RUN, danach eine ausgedehnte Tour durch die Schweiz und Deutschland. Heute attestiert die Musikszene den „Them Fleurs“ einen eigenen Sound, angesiedelt irgendwo zwischen Pop und sphärischem Rock. Unterschiedlichste Einflüsse haben die Musiker in Kompositionen eingebettet, welche die Band mit viel Wucht schlüssig umsetzt.

Eine Indie-Formation? Als Literatur-Rezensent ist man sich ja eine kunterbunte und vielfältige Kundschaft gewohnt. Wenn aber ein Musiker einen Roman schreibt, öffnen sich zuweilen auch einem Literaten geheimnisvolle Türen zu Anderswelten. Was bitte schön ist eine Indie-Formation? Schon klar, zurzeit ist der Begriff Indie-Rock äusserst populär. Ständig treten neue Bands auf den Plan mit einer Musik, die unterschiedlicher nicht sein könnte, trotzdem aber fällt vieles davon unter den Oberbegriff „Indie-Rock“. Womöglich lässt sich der derzeitige Indie-Trend mit dem Beginn der Punkbewegung vergleichen, die Ende der 1970er Jahre insbesondere in England zum Mainstream avancierte. Als Pioniere für die Indie-Musik in Deutschland haben sich Bands der sogenannten „Hamburger Schule“ erwiesen, die deutsche Texte mit Gitarrenmusik und einem je eigenen Gepräge verbinden.

In andere (Musik-)Welten eintauchen. Der musikalische Generationen-Roman von Gitarrist, Sänger und Autor Samuel Schnydrig öffnet Türen zu sehr persönlichen Insider-Welten. Dies besonders auch für jene, welche die Musik der 1990er Jahre vor allem beiläufig aus dem Radio oder auf der Tanzfläche in Bars und Clubs verinnerlicht haben. Davon jedoch werden Sie, liebe Leserin, lieber Leser, im Roman „Klaus“ rein gar nichts erfahren. Auch nichts von der Mainstream-Musik der 90er. Da war doch vor allem „Smells Like Teen Spirit“ mit Kultstatus von Nirvana aus dem Jahr 1991, die Grunge-Hymne schlechthin. Oder für romantische Geister vielleicht auch Sinead O’Connors „Nothing Compares to You“, womit die irische Sängerin demonstrierte, wie schön sich Liebeskummer verpacken lässt. Und ja, auf vielen Hochzeiten der 1990er Jahre rauf und runter gespielt: „I Will Always Love You“ von Whitney Huston, die Gänsehaut-Ballade. Und – wissen Sie, liebe Leserin, lieber Leser, wie die mit 4,5 Millionen Einheiten nach wie vor meistverkaufte Single aller Zeiten heisst? Natürlich. „Candle in the Wind“, ein ganz besonderer Nachruf, den Elton John seiner adeligen Freundin, der Prinzessin Diana, widmete und anlässlich ihrer Beerdigung im Jahr 1997 zu Tränen gerührt vortrug. Im gleichen Jahr übrigens liess Celine Dijon mit „My Heart Will Go On“ die Titanic nochmals untergehen. Das Liebesdrama um Jack und Rose auf der untergehenden Titanic hat anno 1997 der Filmgeschichte den einprägsamsten Soundtrack geschenkt. Aber, wie gesagt, nichts davon, rein gar nichts, im immerhin als „musikalischer Generationenroman“ etikettierten Erzählwerk „Klaus“.

Romane über Musik haben in der Literaturgeschichte einen hohen Stellenwert. Und – wie auch im Roman „Klaus“ – paart sich das Musikalische meist mit einem aussergewöhnlichen Musikerleben. So etwa in „Schlafes Bruder“. Der Autor Robert Schneider erzählt die Geschichte des Musikers Johannes Elias Alder, der zweiundzwanzigjährig sein Leben zu Tode brachte, nachdem er beschlossen hatte, nicht mehr zu schlafen. Der Debütroman über das Leben und Sterben eines musikalischen Genies geriet zu einem Welterfolg. Eingegangen in die Literaturgeschichte ist auch Thomas Manns „Doktor Faustus“. In der Lebensgeschichte Adrian Leverkühns – der fiktiven Romanbiographie eines Komponisten, der sich dem Teufel verschreibt – fasst Thomas Mann alle Entwicklungsstufen der alten Faust-Sage zusammen und verknüpft sie mit der drohenden Problematik unserer Zeit, dem Rückfall des hoch- und überentwickelten Geistes in archaische Primitivität. Nach dem Mauerfall prägten in Deutschland die Scorpions mit „Wind of Change“ den Zeitgeist der 1990er Jahre.

„Es geht im Leben nicht darum, Rockstar zu werden, sondern sich selbst und seinen eigenen Weg zu erkennen. Halte deine Nase in den Wind und lebe deinen Traum!“

Rudolf Schenker, Gründer der Scorpions

Was vielen Musik-Romanen gemeinsam ist: Sie erzählen von kreativen und erfinderischen Genies, deren pralle Lebensgeschichte einen reichen Fundus für Musikstücke und Songs bereitstellt, welche den Geist und die Gestimmtheit der jeweiligen Zeit präzise treffen. Diesem literarischen Kanon folgt auch „Klaus“ von Samuel Schnydrig.

Hören Sie den Podcast aus der Sendung Literaturwelle zum Musik-Roman „Klaus“.
(Quelle: rro / Kurt Schnidrig / Simon Kalbermatten)

Text, Bild und Radiosendung: Kurt Schnidrig