Wiedersehen mit Federica de Cesco

Federica de Cesco hat bei Generationen von jungen Menschen die Freude am Lesen und Schreiben geweckt. (Foto: Kurt Schnidrig)

Soeben ist die Shortlist eingetroffen für den Schweizer Kinder- und Jugendbuchpreis 2021. Ich werde die fünf „herausragendsten und innovativsten Werke“ in Kürze am Radio und auch an dieser Stelle im Blog Literatur vorstellen. Leider schaffen es Klassiker in der Regel nicht auf eine derartige Shortlist, obschon sie es mehr als verdient hätten. Zum Beispiel die Klassiker von Federica de Cesco. Ihre Bücher haben bei Generationen von jungen Menschen die Freude am Lesen und am Schreiben geweckt, und sie dienen auch heute noch als Türöffner für das Bücherlesen. Federica de Cescos Bücher schlagen Brücken über Generationen hinweg, immer noch. Mittlerweile schreibt Federica de Cesco auch für Erwachsene. Mehrmals hat sie während der vergangenen Jahre auch das Oberwallis besucht. Das Wiedersehen mit ihr war immer wunderbar bereichernd.

Generationen von Leserinnen und Lesern haben Federica des Cescos Bücher mit Sehnsucht und Fernweh im Herzen gelesen. Wer kennt sie nicht, die Klassiker wie „Frei wie die Sonne“, „Wüstenmond“ oder „Die Tochter der Tibeterin“? Unerreicht und weltbekannt jedoch ist ihr Roman-Erstling, den sie im Alter von gerade mal 15 Jahren schrieb. „Der rote Seidenschal“, bereits 1957 erschienen, hat sich seither millionenfach verkauft. Die Geschichte handelt von einem weissen Mädchen, das sich in einen Indianer verliebt und mit ihm so manches Abenteuer besteht. Mittlerweile sind von Federica de Cesco mehr als 100 Bücher erschienen. Neueren Datums sind „Der englische Liebhaber“, ein Roman, in dem sich Federica de Cesco mit ihrer eigenen Familie auseinandersetzt, und „Das Erbe der Vogelmenschen“ aus dem Jahr 2020. In diesem Roman erfährt eine Archäologie-Studentin, dass sie von einem alten Schamanenvolk aus dem mittleren Orient stammt. Sie begibt sich auf eine mystische Abenteuer-Reise auf den Spuren ihrer Vorfahren.

Federica de Cesco zeigt ihr Manuskript für das neue Buch. (Foto: Kurt Schnidrig)

Federica de Cescos aktuelles Buch, das noch nicht erschienen ist, soll ein Krimi werden. Allerdings nicht ein Krimi in gewohntem Stil, nicht so ein dramatischer bluttriefender Krimi, nein, die Bestseller-Autorin setzt auf ein vergnügliches und spannendes Leseerlebnis mit einer exzentrischen Detektivin, die sich verschiedener ausgefuchster Tricks bedient um eine Mafia-Familie zu überführen. Spannung, Tiefgründigkeit und viel Recherche-Arbeit – das sind nur einige der Geheimnisse, die den Erfolg von Federica de Cescos Bücher krönen.

Federica de Cescos Bücher verströmen die Sehnsucht nach fernen Ländern, nach faszinierenden Kulturen und nach packenden Abenteuern. Mit dem Roman „Silbermuschel“ gelang ihr ein aufsehenerregendes Debüt in der Belletristik auch für Erwachsene. Mit betörender Poesie erzählt sie im All-Age-Roman „Wüstenmond“ die bewegende Geschichte von Tamara, einer eigenwilligen Dokumentarfilmerin aus Paris. Tamara bricht in die Sahara auf, um einen Film über vorislamische Ruinen und Felszeichnungen zu drehen. Dieses Vorhaben entwickelt sich aber schon bald zu einer ganz persönlichen Herausforderung, denn Tamars Vaters war ein Targui. Seit seinem Tod lebt ihre Mutter zurückgezogen in Brüssel, eingekapselt in ihre Erinnerungen und Träume, zu denen Tamara bislang keinen Zugang gefunden hat. So wird für die Filmerin aus der Reise zu den Tuareg eine dramatische Konfrontation mit der legendären Vergangenheit ihres Volkes. Nebst der Magie des sagenhaften Sahara-Volkes thematisiert die Autorin in „Wüstenmond“ stimmungsvoll und leidenschaftlich eine Liebesbeziehung. Tamara erfährt von der Härte des heutigen Nomadenlebens und vom Elend des stolzen und unbeugsamen Wüstenvolkes. Wie in „Wüstenmond“ zwingt die Autorin die ganz grossen und dramatischen Themen unseres Lebens in mittlerweile über hundert Geschichten zwischen Buchdeckel. Immer hat sie auch selber erfahren, wovon sie schreibt. So hat Federica de Cesco lange Zeit selber unter den Tuareg gelebt und kann so aus einem reichen, eigenen Erfahrungsschatz schöpfen.

Federica de Cesco verfasst auch Romane für Erwachsene und engagiert sich dabei politisch. (Foto: Kurt Schnidrig)

Federica de Cescos Tibet-Romane überraschen durch den authentischen historischen Hintergrund. In Romanen wie „Weisser Kranich über Tibet“ gelingt der Schriftstellerin eine eindringliche und glaubhafte Darstellung der unerträglichen Lage im besetzten Tibet. Jahrzehntelang stand sie dem tibetischen Volk in dessen Kampf um Freiheit zur Seite. Die Tibet-Romane vermitteln die Eigenart und Kultur dieses fernen Landes auf eine ganz unmittelbare Weise. Mit grosser Liebe fürs Detail sind selbst die sorgenvollen Gedankengänge und Handlungsweisen der Hauptfiguren tibetisch nachempfunden.

„Ich schreibe von Frauen, die immer gewinnen. Jungs und Männer kommen in meinen Büchern vor allem als Feministen vor.“

Federica de Cesco

Meine persönlichen Begegnungen mit Federica de Cesco datieren um die Jahrtausend-Wende. Als Ausklang einer meiner Schreibwerkstätten hatte ich die Schriftstellerin vor Jahren zusammen mit den Teilnehmer*innen eines Schreibseminars ins Restaurant Mühle nach Ried-Brig eingeladen. Bei dieser Gelegenheit verriet sie mir viel über ihr Schreiben. Dabei gestand sie: „Ich schreibe nur von starken Frauen, die immer gewinnen. Auch selber wollte ich in meinem Leben niemals gehorsam sein. In einem Internat hätte man mich bald weggeschickt.“ Ob denn für die Jungs und für die Männer kein Platz sei in ihren Geschichten, wollte ich von ihr wissen. „Jungs kommen in meinen Büchern auch vor. Aber nur als liebe und freundliche Gefährten der Mädchen. Es sind Jungs und Männer als Feministen. Ich mag nur emanzipierte Männer, so wie die Nomaden in meinen Büchern“, antwortete sie mir.

„Ich schreibe bis zu acht Stunden am Tag und schwimme dazwischen jeweils einen Kilometer. Im Laufe der Geschichte kommen die Figuren zu mir und sie sagen mir, was sie tun wollen.“

Federica de Cesco

Federica de Cesco ist eine Vielschreiberin. Trotzdem komme die vertiefende Recherche keineswegs zu kurz, versicherte mir die Schriftstellerin. „Für ein Erwachsenenbuch brauche ich acht bis zehn Monate“, verriet sie mir. Und weiter: „Ich schreibe bis zu acht Stunden am Tag und schwimme dazwischen jeweils einen Kilometer.“ Als Jugendliche habe sie sich „einfach aufs Fudi gesetzt“ und losgelegt mit dem Schreiben, heute müsse sie dem Verleger ein Exposé vorlegen. „Aber meistens halte ich mich nicht daran“, lachte sie. Und Federica de Cesco erklärte: „Wenn ich zu schreiben anfange, weiss ich nichts über die Hauptpersonen. Im Laufe der Geschichte kommen die Figuren zu mir und sie sagen mir, was sie tun wollen. Und da kann es die eine oder andere Überraschung absetzen.“

Mit Federica de Cesco anlässlich eines Schreibseminars in Ried-Brig. (Archivfoto: Kurt Schnidrig)

Seit 60 Jahren lebt Federica de Cesco in der Schweiz. Seit 50 Jahren ist sie mit dem japanischen Fotografen Kazuyuki Katamura verheiratet. Das Paar lebt heute in Luzern. Früher lebte die Tochter eines italienischen Vaters und einer deutschen Mutter mit ihren Eltern in Äthiopien, Italien, Frankreich, Norddeutschland und Belgien. Aus ihrer ersten Ehe mit einem Schweizer hat sie eine Tochter und einen Sohn. Demnächst erscheint das neue Buch von Federica de Cesco. Ein Krimi soll es werden, ein ganz besonderer Krimi. Da dürfen wir mal gespannt sein.

Text und Fotos: Kurt Schnidrig