Gibt es eine Formel für ewige Liebe?

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„Liebe ist ewig, doch nicht immer beständig“ – Eveline Hasler erzählt Geschichten über Berühmtheiten, die ihre Liebe im Tessin gefunden haben. (Symbolbild: Kurt Schnidrig)

Eveline Hasler liebt ihre Wahlheimat, das Tessin. Seit einem Vierteljahrhundert lebt sie im Tessin, und so ist der Südkanton denn auch der gemeinsame Nenner ihrer Geschichten. Das Tessin kenne verschiedene Wirklichkeiten, die „friedlich ineinander wachsen“, schreibt sie im Prolog ihres aktuellen Buches, in dem sie Liebesgeschichten mit historischem Hintergrund erzählt. Die Historie liefert eine Vielzahl von Liebesgeschichten, die im Tessin ihren Anfang genommen oder ihr Ende gefunden haben. Besonders im vorigen Jahrhundert zog der legendäre Monte Verità die Literaten, Maler und Philosophen magisch an. Es war nicht zuletzt auch die mediterran anmutende südländische Landschaft mit ihren leuchtenden Seen, mit den Palmenhainen und mit der zauberhaften Pflanzenvielfalt, welche die Gemüter in Wallung brachte und bekannte Persönlichkeiten in Liebe zueinander entflammen liess.

Aus Briefen, Notizen und Tagebüchern hat Eveline Hasler den Stoff für ihre Liebesgeschichten bezogen. Dass sie dabei lediglich die Liebe von Berühmtheiten beschreibt, mag dem öffentlichen Interesse geschuldet sein. Ob berühmt oder eher berüchtigt – der Traum von der ewigen Liebe ist für alle irgendwann einmal ausgeträumt. Ernüchternd fügt Eveline Hasler ihrem Buch den Nachsatz bei, dass es in der Liebe „kürzere oder längere Ewigkeiten“ gebe.

Die leuchtenden Seen und die mediterrane Tessiner Landschaft liessen so manche Berühmtheiten in Liebe zueinander entflammen. (Foto: Kurt Schnidrig)

Die gebürtige Glarnerin Eveline Hasler, 87-jährig geworden, hat nun ihren Lebensmittelpunkt nach Ronco sopra Ascona über den Lago Maggiore verlegt. Es leuchtet ein, dass sie viel Verständnis hat für Menschen, die einst – vor allem der Liebe wegen – sich im Tessin niederliessen. Zu den Berühmtheiten mit historischem Hintergrund, die im Tessin ihre Liebe suchten, gehörte beispielsweise Else Lasker-Schüler, die deutsch-jüdische Dichterin. Die Liebe zu einem verheirateten südländischen Politiker hatte sie im Tessin auch für ihr lyrisches Werk inspiriert. Else Lasker-Schüler habe eine „ungelebte Liebe“ zu einem verheirateten Mann still ausgehalten, schreibt die Autorin. So ganz sicher ist man sich als Leser jedoch nicht, inwieweit die zwölf Liebesgeschichten von Berühmtheiten sich auch tatsächlich so, wie beschrieben, zugetragen haben. Tessin ist der erklärte „Sehnsuchtsort“ der Autorin, was auch für manche romantisch und fiktiv aufgehübschte Episode in diesem Buch wohlwollendes Verständnis erfordert.

Gibt es eine Formel für ewige Liebe? Eveline Hasler spricht in ihren romanhaften Geschichten von „kürzeren und längeren Ewigkeiten der Liebe“. Der bekannte Paartherapeut Christian Hemschemeier pflichtet dem in seinem Sachbuch „Der Liebescode“ durchaus bei. Ewige Liebe bis zum Lebensende? Oftmals handelt es sich dabei bloss um einen Wunschtraum, den wir durch Filme und Bücher verinnerlicht haben. Der Paartherapeut ist sich sicher: „Ewige Liebe gibt’s schon längst nicht mehr.“ Laut einer kürzlich von ElitePartner durchgeführten Studie wünschen sich zwar 88 Prozent aller Frauen, dauerhaft mit einem Partner oder einer Partnerin zusammenzuleben, möglichst ein Leben lang. Doch sorgt der moderne Lebensstil für wesentlich kürzere Beziehungen.

„Das Leben ist schneller, bunter, vielseitiger und in jeglicher Hinsicht auch freier als noch vor 50 oder 70 Jahren. Diese Schnelllebigkeit spiegelt sich auch in den Beziehungen wider.“

Christian Hemschemeier

Der Blick zurück erklärt tiefgreifende Veränderungen im Beziehungs-Verhalten. Früher hätten die Leute mehr um eine Beziehung gekämpft und ihre Unzufriedenheit länger ausgesessen, weiss Hemschemeier. Es komme hinzu, dass Scheidungen gesellschaftlich noch nicht so akzeptiert gewesen seien wie heute. Auch habe früher eine Heirat insbesondere für Frauen grössere Freiheiten mit sich gebracht. Frauen durften früher oftmals nur arbeiten oder Bankkonten eröffnen, wenn sie verheiratet waren, schreibt Henschemeier.

Die Verwirklichung der eigenen Person steht heute anscheinend höher im Kurs als eine ewige Bindung. Doch werde die erfüllende Liebe dadurch nicht geschmälert, nur weil sie endlich ist, schreibt der Paartherapeut. Dennoch kennen wir sie alle, diese Paare, die bis in alle Ewigkeit hinein wie für einander gemacht scheinen. In seinem Buch „Ja ich will. Wenn Liebe ewig währt“ (Verlag wörterseh) hat der Schweizer Autor Ueli Oswald erfolgreiche Paare über ihre langjährige Beziehung erzählen lassen. Als gemeinsamer Nenner für eine langdauernde Beziehung hat er dabei den gegenseitigen Respekt benannt. Es liege zwar auf der Hand, dass die Schmetterlinge im Bauch nicht ewig flattern würden, gesteht Oswald in seinem Buch zu. Aber einander respektieren, das könne man schliesslich ein Leben lang. Und es brauche auch eine gewisse Grosszügigkeit, um 40, 60 oder gar 80 Jahre das Leben gemeinsam zu meistern und um die Liebe zu konservieren.

Was hält Paare zusammen? In seinem Buch „Ja, ich will“ hat der Autor Ueli Oswald die Lebenswege erfolgreicher Paare studiert. Ein Schicksalsschlag zum Beispiel könne enorm stark zusammenschweissen, hat er herausgefunden. Auch Krisenzeiten liessen Ehepaare zusammenrücken. Das Wichtigste aber: Die ewige Liebe ist nicht einfach nur ein romantischer Zauber, auch keine Magie und schon gar kein Wunder. Die ewige Liebe ist vielmehr das Ergebnis einer intensiven Beziehungsarbeit. Am Schluss aller Studien und Elaborate über die Liebe steht die lapidare Feststellung, dass die Liebe dort hinfällt, wo sie will, dass die Liebe einschlägt, bei wem sie will und wann sie will. Dem ist dann jeweils nichts mehr beizufügen.

Hören Sie auch den Podcast zum Thema „Ewige Liebe“ aus dem Archiv der Literaturwelle. (Quelle: rro / Kurt Schnidrig / Petra Imsand)

Text, Fotos und Radiosendung: Kurt Schnidrig