„Sophie Scholl – Lesen ist Freiheit!“

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In München leistete Sophie Scholl mit Flugblättern Widerstand gegen die Hitler-Diktatur und wurde hier auch zum Tode verurteilt. Im Bild der Marienplatz in Münchens Altstadt. (Foto: Kurt Schnidrig)

Heute Sonntag, 9. Mai 2021, jährt sich der Geburtstag von Sophie Scholl zum 100. Mal. Als Widerstandskämpferin gegen den Nationalsozialismus ist sie in die Geschichte eingegangen. Als Studentin an der Münchner Universität hatte sie eine Widerstandsgruppe gegründet mit dem Namen „Weisse Rose“. Mitte Februar 1943 hatte sie zusammen mit ihren Studienkolleg*innen ein Flugblatt gestaltet und mit dem Aufruf versandt, das NS-Regime zu stürzen und ein „neues geistiges Europa“ zu errichten. Zusammen mit ihrem Bruder Hans verteilte Sophie ca. 1700 Flugblätter auch in der Münchner Universität. Beim Verteilen der Flugblätter wurden sie vom Hausschlosser und Hörsaaldiener Jakob Schmid, einem SA-Mann, entdeckt und dem Rektorat übergeben. Danach wurden Sophie und Hans Scholl von Hitlers Geheimpolizei Gestapo festgenommen und inhaftiert. Nur vier Tage später, am 22. Februar 1943, wurden Sophie und Hans Scholl in München vom Volksgerichtshof unter Vorsitz des aus Berlin angereisten Richters Roland Freisler wegen „landesverräterischer Feindbegünstigung, Vorbereitung zum Hochverrat (und) Wehrkraftzersetzung“ zum Tode verurteilt. Gegen 17 Uhr desselben Tages wurden Sophie und Hans Scholl zusammen mit weiteren Kommilitonen im Strafgefängnis München-Stadelheim mit der Guillotine enthauptet.

„Sophie Scholl – Lesen ist Freiheit“ ist ein berührendes Buch, das die Historikerin Barbara Ellermeier mit Materialien und Dokumenten aus dem Nachlass der Scholl-Familie zusammengestellt hat. Sie hat eine beeindruckende Collage aus Texten und Zeichnungen von Sophie Scholl erstellt. Ellermeiers Buch-Collage fördert vor allem zu Tage, wie sehr das Lesen stark machen und Freiheit bedeuten kann. Bücher können uns Türen öffnen und Mut machen, das Leben höheren Zielen zu widmen. Vor allem aber lässt sich aus guten Büchern viel Kraft schöpfen für den Einsatz gegen das Böse und für mehr Zivilcourage.

„Ich habe im Laufe der Zeit eine ganze Menge Bücher in meinem Spind angesammelt, und sie sind wirklich das einzige, was dem Tag noch ein bisschen Inhalt gibt.“

Brief von Sophie an ihre Freundin Susanne Hirzel vom 26. Mai 1941. Aus: „Sophie Scholl – Lesen ist Freiheit“, S. 41

Sophie Scholl hatte auch ihren Freundes- und Bekanntenkreis zum Bücherlesen animiert. Im Jahr 1937 lernte sie bei einer Tanzveranstaltung Fritz Hartnagel kennen, den Sohn eines Münchner Unternehmers. Fritz wählte die Offiziers-Laufbahn. Kurz vor Ausbruch des Krieges verbrachten die Beiden einen gemeinsamen Urlaub. Fritz war angetan von Sophies Mission für das Lesen:

„Sich stur und konsequent vornehmen, jeden Tag ein paar Seiten zu lesen. Vielleicht tun sich dadurch plötzlich ganz neue Gesichtspunkte auf, und man kommt auf einem ganz anderen Weg zum Ziel, als man vermutet hatte.“

Fritz Hartnagel in einem Brief an Sophie Scholl. Aus: „Sophie Scholl – Lesen ist Freiheit“, S. 52

Mit vielen Freunden schrieb Sophie über Bücher. Autorin Barbara Ellermeier berichtet, Sophie sei auch selber bereit gewesen, solche Bücher zu lesen, die andere gerade beschäftigen. In dieser für sie bedrückenden Zeit habe Sophie Scholl die Zeit und Kraft gefunden, über Bücher zu diskutieren. Auch mit jungen Soldaten habe sie oftmals Buchempfehlungen ausgetauscht. „Seitenlang geht es in ihren Briefen um Friedrich Hölderlin, Thomas von Aquin, Aristoteles, Stefan George, Goethes Dichtung. Und es bleibt nicht mit Briefen.“ („Lesen ist Freiheit“, S. 118).

Barbara Ellermeier, die Autorin des Buchs „Sophie Scholl – Lesen ist Freiheit“, liebt es, aktuelle Forschungs-Ergebnisse in spannende Geschichten zu verwandeln. Mit dem Leben von Sophie Scholl beschäftigt sie sich seit vielen Jahren. Sie verfasste die erste Biografie über Sophie Scholl, die grosse Beachtung fand. Wie sehr die Autorin von Sophie Scholls Briefen angetan und berührt ist, geht aus der Widmung hervor, die sie ihrem Buch beifügt. Wenn Sophie Scholl propagiert hatte „Lesen ist Freiheit!“, dann ist Autorin Barbara Ellermeier das beste Beispiel dafür, was die Freiheit des Lesens zu bewirken vermag:

„Für die besten Deutschlehrer, die ich je hatte. Heimlich hatte ich als 13-jährige unter der Schulbank Sophie Scholls Briefe gelesen – während des Unterrichts. Ihr habt mich lesen lassen. Ich sollte, habt Ihr nur gesagt, darüber schreiben.“

Barbara Ellermeiers Widmung in ihrem Buch „Sophie Scholl – Lesen ist Freiheit!“
Hören Sie auch den Podcast aus der Sendung Literaturwelle mit dem Buchtipp zu „Sophie Scholl – Lesen ist Freiheit!“ (Quelle: rro / Kurt Schnidrig / Rafael Heinen)

Text, Fotos und Radiosendung: Kurt Schnidrig