Eine Frau, die sagt, was Sache ist!

Shida Bazyar (links) kämpft in Deutschland gegen Rassismus und Ausgrenzung, hier am Literaturfestival Leukerbad im Gespräch mit Radio SRF2-Moderatorin Irene Grüter. (Foto: Kurt Schnidrig).

Ihre Eltern gehörten im Iran der kommunistischen Widerstandsbewegung gegen den Schah an, deshalb mussten sie fliehen. In Deutschland, in Rheinland-Pfalz, fanden sie ein neues Zuhause. 1988 wurde Shida Bazyar daselbst geboren. Es scheint jedoch, als sei sie dort nie angekommen, denn sie schreibt über Deutschland als von einem Land, in dem der Rassismus seit der unseligen Nazi-Zeit immer noch Urständ feiert. Ihren Roman „Drei Kameradinnen“ präsentierte sie am Literaturfestival Leukerbad (Bild oben) und zettelte dort eine Diskussion an zur Frage: Ist Deutschland ein rassistisches Land?

Findet man die Nazis von damals jetzt unter den Jugendlichen Deutschlands? Trotz mahnender Worte seitens der Radio SRF2-Moderatorin Irene Grüter, hielt sie im Gespräch auf der Bühne des Literaturfestivals Leukerbad an ihrer vorgefassten Meinung fest. „Könnte sowas nicht auch in der Schweiz passieren?“, fragte die Moderatorin. „Mein Buch-Cover ist in den Deutschland-Farben Schwarz-Rot-Gold gehalten – und Deutschland brennt!“, beschied Shida Bazyar. Und: „Deutschland ist ein rassistisches Land!“ Gleich mehrmals war diese Behauptung zu vernehmen. Daran vermochten auch die sachlichen Einwürfe der Moderatorin nicht viel zu ändern: „Könnte sowas nicht auch in der Schweiz geschehen?“ Dann immerhin einige diplomatische Formulierungen seitens der Autorin Bazyar: „Das Buch richtet sich an ein Publikum, das wir sind!“ Von Toni Morrison, der „Stimme der Literatur“, sei der Ratschlag bekannt: „Schreibe das Buch, das du lesen würdest!“ Trotzdem wird harsche Kritik laut an der Haltung von Shida Bazyar und an ihrem Buch „Drei Kameradinnen“. Eine Zuhörerin meinte: „Da wird man niedergemacht!“

Schwarz-Rot-Gold in Flammen!

„Drei Kameradinnen“, so heisst der umstrittene Roman von Shida Bazyar. Darin erzählt sie von den Spannungen und Ungeheuerlichkeiten der Gegenwart. Als Protagonistinnen wählt sie drei junge Frauen aus, die zusammen durch dick und dünn gehen. Seit ihrer Jugend fühlen sich Hani, Kasih und Saya in tiefer Freundschaft verbunden. Die drei jungen Frauen fühlen sich bedrängt und gequält von all dem rechten Terror mit seinen Sprüchen und mit dem tiefen Hass, der ihren Alltag in Deutschland bestimmt. Sie fühlen sich aufgrund ihres Migrations-Hintergrunds diskriminiert, ausgegrenzt und in Frage gestellt. Nun kämpfen sie in Deutschland um ihren Platz in der Gesellschaft. Shida Bazyar zeigt in ihrem Buch aber auch, wie sich Gewalt, Hetze und Ignoranz mit Solidarität begegnen lässt. (Shida Bazyar: Drei Kameradinnen. Kiepenheuer und Witsch Verlag, Köln 2021. 352 Seiten. ISBN 9783462052763).

Die Identitätspolitik auf dem Prüfstand. Die Protagonistin Kasih gebärdet sich in „Drei Kameradinnen“ belehrend, in dem sie der „weissen Dominanzgesellschaft“ immer wieder erklärt, was so alles schiefläuft im Lande. Protagonistin Saya dagegen ist eine Frau der Tat. Sie zündet das Mehrfamilienhaus an, in dem ein Neonazi wohnt. Die Romanstory wirkt durch den im Hintergrund ablaufenden NSU-Prozess bedrohlich und einseitig aktivistisch. Mit den Gegnern gehen die drei Kameradinnen recht unzimperlich um. Auffallend ist die impulsive und kompromisslose Erzählstimme der Autorin. Mitunter wird in rüdem und harschem Ton resümiert und angeklagt. Was objektiv festgehalten werden darf: Die Autorin erzählt mit provozierender Härte und schert sich kaum um Zwischentöne. Die Erzählerin gibt sich als Frau, die sagt, was Sache ist. Ob das Buch auch diesen oder jenen Widerspruch ertragen würde? Die Antwort auf diese Frage würde ich lieber meinen Leser*innen überlassen.

Text und Bild: Kurt Schnidrig