„Ronni vom Rhonegletscher“

Cornelia Zahner stellte in Brig ihr Buch „Ronni vom Rhonegletscher“ vor – eine zauberhafte Drachengeschichte. (Fotos: Kurt Schnidrig)

Liebevoll und einfühlsam erzählte die Autorin Cornelia Zahner den Oberwalliser Kindern in der Briger Buchhandlung ZAP die Geschichte von Ronni, dem kleinen Gletscherdrachen, der am schmelzenden Rhonegletscher aus dem Ei schlüpft und weder Mutter noch Vater oder Geschwister vorfindet. Wegen der Gletscherschmelze sind diese bereits ausgewandert. Auf der Suche nach seiner Familie erlebt Ronni zahlreiche Abenteuer. Die Autorin Cornelia Zahner liess sich von Drachensagen verschiedener Schweizer Regionen inspirieren. Passend und kindgerecht bebildert hat die Drachengeschichte die bekannte Berner Illustratorin Judith Zaugg.

Am Rhonegletscher schlüpft aus einem verlassenen Ei ein kleiner Drache. (Foto: Kurt Schnidrig)

Wegen der klimabedingten Schmelze sind die Gletscherdrachen ausgewandert. Ein Ei allerdings mussten sie bei ihrer Flucht zurücklassen. Eines Sommers schlüpft daraus ein kleiner Drache, Ronni, der nun ganz allein auf sich gestellt ist. Adler, Krähe, Siebenschläfer und andere hilfreiche Tiere bringen Ronni zu den letzten noch lebenden Drachen in unserem Land. Von ihnen erfährt Ronni, dass seine Familie vom Rhonegletscher weggezogen ist, hinauf in den hohen Norden zur Insel des Eises. Da beschliesst Ronni mutig, nach Norden aufzubrechen, immer auf den Spuren seiner Familie. Dazu allerdings ist es vonnöten, dass Ronni das Fliegen erlernt.

Der Rhonegletscher als Ausgangspunkt für eine Drachengeschichte? Eigentlich ist ja „Ronni vom Rhonegletscher“ eine Schweizer Drachengeschichte. Die Schweiz bietet einen reichen Fundus an Drachengeschichten. Drachen hausten in den Beatus-Höhlen am Thunersee, auf dem Pilatus, am Glärnisch oder auf Schloss Lenzburg. Wie kommt da die Autorin auf die Idee, gerade den Rhonegletscher zum Ausgangspunkt all dieser Drachensagen zu nehmen? Sie habe eine Drachengeschichte für Kinder geschrieben, die in einem Lager des WWF versammelt waren, beschied mir die Autorin. „Da ich auch schon Lager für Kinder am Rhonegletscher geleitet habe, lag der Rhonegletscher als Ausgangspunkt einer Drachengeschichte auf der Hand“, berichtet Cornelia Zahner. Gletscherschmelze und Drachensagen – die Autorin kombiniert in ihrem Buch zwei verschiedene Themen. Grundsätzlich hätten Drachen mit Gletschern nicht allzu viel am Hut, lacht die Autorin, bedingt durch das WWF-Lager-Erlebnis sei die interessante Kombination aber zustande gekommen, und aus Drachen seien deshalb in ihrer Geschichte liebenswerte Gletscherdrachen geworden.

Ronni, der Gletscherdrache, musste das Fliegen erlernen, um sich auf die Suche nach seiner Familie zu machen. (Foto: Kurt Schnidrig)

Auf der Suche nach seiner Familie quer durch die ganze Schweiz trifft der Drache Ronni auf seinen Kollegen Ferox am Thunersee, auf den Drachen Pontius auf dem Pilatus, auf Drachenfrau Clarona am Glärnisch und auf den hilfreichen Drachen Fauchi auf Schloss Lenzburg, der dem kleinen Ronni den Weg weist zur Insel des Eises im hohen Norden. Warum denn all diese Drachen schweizweit noch am Leben seien, während bei uns am Rhonegletscher das Drachensterben bereits eingesetzt habe? Auf diese meine Frage erklärte mir die Autorin, dass auch bei uns die Drachen nicht wirklich ausgestorben seien. Sie seien vielmehr lediglich ausgewandert, weil die Gletscher schmelzen und sie deshalb ihren Lebensraum verlören. Aus diesem Grund würden die Drachen nach Norden flüchten, auf einen anderen Gletscher im hohen Norden, der nicht so schnell schmilzt.

„Ronni vom Rhonegletscher“ – ein Märchen? Gemäss der traditionellen Märchen-Struktur macht sich der kleine Drache Ronni auf den Weg der Erkenntnis und kann dabei auf die Dienste von Helfern zählen, wie etwa auf die Murmeltiere Crap und Welsch, auf den Widder Nando, auf den Adler Ari, auf die Elster Elaia, auf die Dohle Kura, auf den Silberreiher Branco oder auf den Siebenschläfer Liro. Ist also Ronni ein Märchenheld? „Ich hatte meine Geschichte nie als Märchen konzipiert, sondern eher als Vorlese-Geschichte“, erläutert Autorin Zahner. Als Held werde Ronni von seinen Drachen-Geschwistern einzig deshalb gefeiert, weil er die Reise zu seiner Familie so mutig angetreten und die Suche zu einem erfolgreichen Ende geführt habe.

Was ist mit dem Drachen aus dem Drachenloch ob Naters, der jedes Jahr zur Fasnachtszeit ausbricht und vertrieben werden muss? (Foto: Kurt Schnidrig)

Die Fasnachts-Gesellschaft „Drachentöter“ aus Naters führt am jährlichen grossen Fasnachts-Umzug einen Drachen mit (Bild oben). Bei Ronnis Familie vermisse ich den Drachen aus dem Drachenloch ob Naters, das bis heute bei uns zur Fasnachts-Zeit ein wichtiges Thema ist. „Ich kann deinen Einwand verstehen“, beschied mir die Autorin, „aber ich hatte für meine Geschichte einzelne Drachensagen aus dem grossen Angebot auswählen müssen. Dabei wollte ich den kleinen Drachen Ronni quer durch die ganze Schweiz reisen lassen. Der Ausgangspunkt seiner Reise ist der Rhonegletscher, das Ziel seiner Reise befindet sich jedoch im hohen Norden.“ Die Natischer „Drachentöter“ lassen auch die Frage aufkommen nach dem Verhältnis von Drachen und Menschen.

„Die Drachen hielten die Menschen für böse.“ (…) „Die Drachen wurden von den Menschen hintergangen.“

Aus: „Ronni vom Rhonegletscher“ von Cornelia Zahner

Das Bild vom schrecklichen Drachen – kann es mit Hilfe eines Buchs korrigiert werden? Das Verhältnis der Menschen zu den Drachen ist wohl im Allgemeinen kein gutes. Der Drache Fairo aus Zahners Buch wurde gar von Menschen getötet. Das Bild vom schrecklichen Drachen zu korrigieren, das sei jedoch nicht unbedingt ihre Absicht gewesen, beschied mir die Autorin. „Ich wollte eine andere Art von Drachen ins Spiel bringen, vor allem den lieben Drachen, weil ich ja den Kindern die Drachengeschichte als Gutenacht-Geschichte vorlesen möchte“, erläuterte Cornelia Zahner. Und sie erinnerte daran, dass es ja in den Drachensagen bereits unzählige böse Drachen gebe, und auch an Legenden von getöteten Drachen mangele es ja keineswegs. Da habe sie in ihrem Buch ein Gegenbeispiel bringen wollen. Zwar würden in ihrem Buch die Drachen den kleinen Ronni vor den Menschen warnen, damit dieser zurückhaltend agiere, die Menschen aber würden deshalb nicht schlecht gemacht.

„Ich wollte in meinem Buch das Bild eines liebenswerten Drachen vermitteln“, erklärt die Autorin. (Foto: Kurt Schnidrig)

„Die Drachen in meinem Buch bereiten den Kindern keine Angst“, sagt die Autorin. Auch wenn natürlich auch dieser oder jener der gefährlichen Drachen im Buch vorkommt, versetzen weder Text noch Bild die lesenden Kinder in Angst und Schrecken. Auch wenn der kleine Drache Ronni vor gefährlichen Drachen, wie etwa dem griesgrämigen Lindwurm auf der Burg Hohenklingen in Stein am Rhein, gewarnt wird, brauchen besorgte Eltern keineswegs zu befürchten, dass die Drachengeschichte vom liebenswerten Ronni den Kindern Albträume bereiten könnte. Im Gegenteil. „Keiner von meinen Figuren passiert etwas, im Buch befinden sich auch keine Bilder, die Ängste schüren könnten“, beschwichtigt Cornelia Zahner.

„Ronni vom Rhonegletscher“ von Cornelia Zahner ist im SAGE UND SCHREIBE VERLAG erschienen und ist in der ZAP Brig vorrätig. ISBN 978-3-9525164-2-3

„Ronni vom Rhonegletscher“ ist eine Geschichte, die zeigt, wie wichtig es ist, anderen zu helfen und auch selber hilfsbereit zu sein. Die Geschichte zeigt aber auch, dass es im Leben entscheidend sein kann, sich auf andere verlassen zu können. Dabei werden auch Umwelt-Themen angesprochen, wie etwa die bedrohliche Gletscher-Schmelze. „Einmal fasst Ronni auch in einen Abfallkübel um Lebensmittel rauszuholen, welche die Menschen achtlos weggeworfen haben“, erzählt die Autorin. Und sie ergänzt: „In meinem Buch sind auch Schweizer Drachensagen angesprochen und aufgeführt, immer mit der methodischen Idee, dass Lehrpersonen daraus auswählen und fruchtbar machen können, was ihnen im Unterricht dienlich sein kann.“ Die Geschichte lasse sich aber auch als herzige Gutenacht-Geschichte verwenden, gibt uns Cornelia Zahner noch mit auf den Weg.

Cornelia Zahner, geboren 1991, lebt in Marthalen im Zürcher Weinland. Sie ist Mittelschullehrerin für Latein, immer aber auch eine passionierte Geschichten-Erzählerin und Vielschreiberin. Die Illustratorin Judith Zaugg, geboren 1970, arbeitet als freischaffende Grafikerin und Illustratorin in Bern. Das von ihr bebilderte Bändchen „Susa Flott und ihre haarsträubende Geschichte“ wurde unter „Die schönsten Schweizer Bücher 2001“ gewählt. 1999 und 2002 erhielt sie den Eidgenössischen Preis für Design.

Engagiert im bestens aufgestellten „SAGE UND SCHREIBE VERLAG“ ist Tina Uhlmann. (Foto: Kurt Schnidrig)

Im „SAGE UND SCHREIBE VERLAG“ von Tina Uhlmann ist „Ronni vom Rhonegletscher“ das erste Buch aus der Sparte Kinder- und Jugendliteratur. „Wir sind ein kleiner Berner Verlag und stellen jährlich lediglich 2-3 Bücher her.“ Zwar würde der Verlag von Manuskripten geradezu überschwemmt, man würde aber ganz bewusst und sehr sorgfältig auswählen. Der erzählenden Literatur habe sich der Verlag verschrieben. Darin kämen Romanen und Geschichten-Sammlungen für Erwachsene ein besonderer Stellenwert zu. Einen weiteren Schwerpunkt des Verlags bilden „Geschichten, die das Leben schrieb“, also Biographien, auch in Roman-Form. Aus dem Wallis hatte man bereits den Roman „Marguerite“ verlegt, eine Walliser Biographie in Form eines französisch-deutschen Wendebuchs.

Hören Sie den Podcast zu „Ronni vom Rhonegletscher“ mit dem Originalton von Autorin Cornelia Zahner. (Quelle: rro / Kurt Schnidrig / Petra Wysseier / Rahel Zimmermann)

Text, Fotos und Radiosendung: Kurt Schnidrig