Grängierstuba: Poesie mit Text und Hackbrett

In der Grängierstuba, der „intimsten“ Kleinbühne der Welt, untermalten Ephraim Salzmanns Hackbrett-Klänge die queren Geschichten der „Drachin“ Karin Hopfe. (Foto: Kurt Schnidrig)

Waldemar und Sophie Schön, das Wirtepaar der Grängierstuba, beschert seinem Publikum Grängier Kultur vom Feinsten. Einmal mehr am vergangenen Mittwochabend. Die Kleinbühne, einer gemütlichen Wohnstube in einem Walliser Bauernhaus ähnelnd, sorgt für Publikumsnähe und schafft ein Ambiente wie zu Zeiten des Barock, als die Logentheater für teilprivate Aufführungen inmitten des eigenen engsten Bekanntenkreises sorgten.

Die Protagonisten des Logentheaters sind Karin Hopfe mit queren Geschichten, die sie für einmal aus dem „Drachenjournal“ ihres Laptops befreit, und Ephraim Salzmann, der Karin Hopfes Wortspielereien mit allerhand Klangspielereien auf seinem perkussiven Saiteninstrument abmischt. Je länger der Abend dauert, umso intensiver finden sich Drache und Hackbrett, so dass zu guter Letzt das wohltemperierte Hackbrett und die Dorf- und Stadtgeschichten aus dem Drachenjournal eins werden, sich ergänzen, zueinander finden.

Dr. Karin Hopfes Drachenjournal – wir haben es kürzlich an dieser Stelle vorgestellt – entpuppt sich vornehmlich als ein überraschender Fundus von Geschichten, gespeist mit dörflichen und städtischen Anekdoten und Erzählungen. Häufig sind es Beobachtungen aus dem Alltag, die in Hopfes Geschichten, hervorgehoben und zur Schau gestellt, aus unscheinbaren menschlichen Unzulänglichkeiten unfreiwillige Alltags-Satiren werden lassen. Etwa dann, wenn ein Gemeinderat dringend nach einem Problem sucht, wo eigentlich gar keins vorhanden ist. „Wo ist das Problem?“, fragt der Gemeindepräsident, fragen auch die Gemeinderäte, bis schliesslich ein Suchtrupp das ausgebüchste und nicht wieder auffindbare „Problem“ dingfest machen soll. Karin Hopfes Geschichten nehmen zuweilen experimentellen Charakter an. Wie haben sich Bürgerinnen und Bürger zu verhalten, wenn die Gemeindeversammlung einstimmig beschliesst, die Steinzeit wieder einzuführen? Und wie soll – im Falle einer Rückkehr in die Neuzeit – die Angewöhnung eines Steinzeitmenschen an die Moderne gelingen?

Karin Hopfe hält mit den Geschichten aus dem Drachenjournal ihrem Publikum einen Spiegel vor. (Foto: Kurt Schnidrig)

Ein Delphin im Dorfbrunnen? Auch dies eine märchenhaft angehauchte Geschichte aus Karin Hopfes Drachenjournal. Plötzlich hat sich ein Gemeinderat schlau zu machen über die Lebensweise und die Speisekarte eines Delphins. Als sodann ein Mädchen mit einer roten Kappe und in Begleitung eines Wolfs auftaucht, als schliesslich noch irgendwer den Fischen im Brunnen das „Mantje, Mantje, Timpe, Te“ aus dem Märchen „Der Fischer und seine Frau“ zuruft, wird klar: Die Grimmschen Märchen haben noch nicht ausgedient, zumindest nicht an den Sitzungen eines Gemeinderats, der schliesslich den Delphin im Brunnen als Touristen-Attraktion zur Besichtigung freigibt, womit sich Fiktion und Realität die Hand reichen, wie so oft in Karin Hopfes Geschichten aus dem Drachenjournal.

Ephraim Salzmann entführt mit seinem Hackbrett in Sphären, wie sie Karin Hopfes Geschichten vorgeben. Das Instrument wurde zum Spielen von Akkorden konzipiert, es eignet sich aber auch grandios zum Interpretieren von Texten und von Melodien. Wenn Ephraim Salzmann mit den Hackbrettschlegeln die Saiten anschlägt, dann entführt er sein Publikum in andere Welten, in archaische manchmal, immer aber auch in Erlebnis-Welten. Seine „Hommage an das Leben“, die er ganz zum Schluss zum Besten gibt, verrät viel Tiefgründigkeit. Die kurze Zeitspanne zwischen der tiefschwarzen Nacht und dem Heraufdämmern eines neuen Tages, umgesetzt mit Hackbrett-Klängen, lässt im Kopf eigene Bilder entstehen, lässt einen Film im Kopfkino ablaufen.

Ephraim Salzmanns Hackbrett-Klänge entführen das Publikum in andere Sphären. (Foto: Kurt Schnidrig)

Die Grängierstuba ist eine Kleinbühne, eine gemütliche Wohnstube, ein Logentheater. Angereichert mit Dorf- und Stadtgeschichten und mit sphärischen Hackbrettklängen, wird sie zu einem Mikrokosmos, der die Welt abbildet, im Kleinen wie im Grossen.

Text und Fotos: Kurt Schnidrig