Literatur CLUB73 und Mediathek: Erfolgreiche Lektoratsgespräche

Die Mediathek Wallis und der Literatur CLUB73 führten von September bis November erstmals Lektoratsgespräche für Autor*innen durch. Im Bild: Organisatorin Daniela Furrer und Leiter Kurt Schnidrig. (Foto: Mediathek)

Das Ergebnis darf sich sehen lassen: Es sind gleich mehrere Buchprojekte und publikationsreife Texte entstanden. Der Aufbau der Lektoratsgespräche hat sich bewährt. In einer ersten Zusammenkunft Ende September ging es darum, die Schreiblust zu wecken. Wer jedoch seine Texte veröffentlichen möchte, den erwartet nebst der Schreiblust auch ein gerüttelt Mass an Textarbeit, der wir uns im Oktober widmeten. Die Krönung von Schreiblust und Textarbeit waren publikationsreife Texte und Buchprojekte, die teils auch schon über mehrere Dutzend druckreife Seiten gediehen waren. Ob die Buchprojekte und die publikationsreifen Texte, die aus den „Lektoratsgesprächen“ hervorgegangen sind, auch realisiert werden können? Darüber unterhielten wir uns anlässlich einer Zusatzrunde im November, die auf ausdrücklichen Wunsch von ambitionierten Teilnehmerinnen zustande gekommen war.

Mit „Schreiblust“ starteten die Lektoratsgespräche im September 2021 mit viel Enthusiasmus und mit frischen Ideen. Eingeladen waren alle, die offen waren für ein spannendes Schreibexperiment. Als Leiter der Lektoratsgespräche ging ich von einem Ansatzpunkt aus, der für viele Schreibende, für Einsteiger wie für Routiniers, immer wieder ein Auslöser für Motivation und Kreativität ist: Wir schreiben darüber, was uns geprägt hat. Es sind vor allem die Prägungen aus der Kindheit, die besonders stark unsere Persönlichkeit und unsere Gefühlswelt bestimmen. Wir sprechen in der Psychologie vom „Inneren Kind“, das ein Leben lang in uns wohnt. Das „Innere Kind“ steuert uns auch noch im Erwachsenenalter, es bestimmt unser Erleben und unsere Handlungen. Das „Innere Kind“ ist also eine machtvolle psychische Instanz, ein wichtiger Bestandteil unserer Persönlichkeit. Deshalb ist es auch von grosser Wichtigkeit, dass wir uns der eigenen Bilder und Prägungen aus der Kindheit auch als Erwachsene bewusst werden. Dies kann zum Beispiel anlässlich eines Schreibseminars geschehen. Wir holen die Bilder der eigenen Kindheit aus dem Unterbewusstsein und setzen sie um in Texte.

Was bringt ein derartiges Schreibseminar den Teilnehmenden? Das „Innere Kind“ in uns macht uns auch noch im Erwachsenenalter zu schaffen, im Positiven wie auch im Negativen. Eine wichtige Bedingung ist aber, dass wir uns der eigenen Bilder aus der Kindheit bewusst werden. Wer sich den Prägungen aus der Kindheit bewusst wird, der generiert Sicherheit, Klarheit und inneren Halt. Mit anderen Worten: Er gewinnt das „Urvertrauen“ zurück. Dieser Prozess kann zum Beispiel beim Schreiben von Texten in einem Schreibseminar in Gang gesetzt werden. Als Leiter des Schreibseminars habe ich den Teilnehmenden verschiedene Schreibimpulse vermittelt. In einem ersten Schritt ging es mir darum, dass die Autor*innen spontan-assoziativ schreiben. Sie verfassten beispielsweise Texte zu „paradiesischen“ Situationen aus ihrer Kindheit und schrieben diese in einen goldenen Rahmen. Später lernten die Teilnehmer*innen, in lyrischen Kleinformen zu texten. Oder sie „mixten“ sich buchstäblich einen „Heimat-Cocktail“. Das Suchen nach sogenannten „tempus fugit-Motiven“ liess sich überaus spannend an und die Verpackung dieser Motive führte zu überraschenden Texten. Das Suchen nach „Leuchttürmen“, die uns in früher Kindheit in den sicheren Hafen gelotst haben, setzte ungemein kreative Schreibimpulse frei. Wer veröffentlicht, wer für ein Publikum schreibt, der darf hin und wieder auch seine selbstdarstellerische Seite ausleben: den wilden Kerl in sich oder die „dunkle Seite“.

Freude, Spontaneität, Neugierde, Offenheit und Begeisterungsfähigkeit führen zu aussergewöhnlichen und originellen Texten. Gerne fordere ich die Teilnehmenden in einem Schreibseminar auf: „Träumen Sie, schicken Sie Ihr Inneres Kind ins Literaturcafé, spendieren Sie ihm einen Caffé macchiato und gönnen Sie sich mit dem folgenden Schreibimpuls eine Spielwiese zum Träumen!“ Was dabei herausgekommen ist? Es sind Texte mit Titeln wie diesen: „Winterzeit ist Kinderzeit“; „Dann war da Old Shatterhand“; „Der Hobbit in mir“; „Der Pfannenflicker“; „Völlig benommen bleibe ich liegen“; „Aus meinem Leben“; „Blau“; „Kleopatra“ usw. Nur schon diese Überschriften lassen erahnen, wie viel Kreativität und Phantasie der erste Teil der Lektoratsgespräche, die „Schreiblust“, freilegten.

Die Autor*innen setzten während der Schreibwerkstatt meine Schreibimpulse mit viel Kreativität und Phantasie in druckreife Texte um. (Foto: Mediathek Brig)

Nach dem Spiel die harte Arbeit. Im Oktober setzten wir die Lektoratsgespräche fort. Die Teilnehmenden hatten inzwischen nach Anleitung an ihren eigenen Texten gefeilt. Wir unterhielten uns nun darüber, wie die Texte druckreif und publikumswirksam werden könnten. Die Teilnehmenden hatten die Möglichkeit, die eigenen Texte zur Diskussion zu stellen. Sie erfuhren dabei auch – ganz im Sinne des sozialen Lernens – wie ihre Texte auf unterschiedliche Lesende wirken. Entstanden sind – nebst zahlreichen Kurztexten – so spannende literarische Produkte wie ein Roman als „Road Movie“, ein Konzept für einen Band mit Kurzgeschichten, eine Novelle oder auch ein Bilderbuch. Ob die literarischen Produkte demnächst auch in Buchform erscheinen? Pläne dazu wurden zumindest ausgeheckt. Doch auch hier gilt: Der Weg ist das Ziel. Die Lektoratsgespräche offenbarten den Teilnehmenden viel über ihr eigenes Schreiben. Was sind deren Stärken und Eigenheiten? Diese Selbsterkenntnis allein schon hat für die Mühen und den Aufwand entschädigt. Der Königsweg aller Schreibseminare und Lektoratsgespräche allerdings mündet in der Produktion eines eigenen Buches. Lassen wir uns überraschen, wie viele Buchproduktionen aus den Lektoratsgesprächen hervorgehen werden.

Text, Fotos und Radiosendung: Kurt Schnidrig