Schreibende Menschen 2021: Die Komische

Sie wurde im vergangenen Jahr mit dem Förderpreis für „Komische Literatur“ ausgezeichnet: Anaïs Meier. (Foto. Kurt Schnidrig)

Sie gilt als „die Komische“ unter den Schreibenden des vergangenen Jahres: Anaïs Meier, geboren 1984 in Bern. Ihr schriftstellerisches Werk hält sich bis anhin rein zahlenmässig in Grenzen. Trotzdem spricht man von ihr. Dies wohl vor allem deshalb, weil ihre Werke so unglaublich „komisch“ sind. Komisch? Synonyme für „komisch“ sind etwa „seltsam“, „merkwürdig“ oder „witzig“. Komisch sind nur schon die Titel der zwei Werke, die man von ihr kennt. Da ist einmal der Kurzprosaband „Über Berge, Menschen und insbesondere Bergschnecken“ aus dem Jahr 2020. Ihre neuste Errungenschaft ist der Debütroman „Mit einem Fuss draussen“, den sie im vergangenen Herbst an der „Buch Basel“ vorstellte (Bild oben).

Der Roman hat es über die Schweizer Grenze hinaus bis nach Kassel in Deutschland geschafft, wo er in die Hände des Oberbürgermeisters Christian Geselle von der SPD geriet, welcher der Stiftung „Brückner-kühner“ nahesteht. So nahe, dass sich die Stiftung „Brückner-kühner“ erkühnte, einen „Förderpreis für Komische Literatur“ für das Jahr 2022 auszuloben. Dass nun ausgerechnet die Schweizer Autorin Anaïs Meier zur „Komischen“ des Neuen Jahres 2022 gekürt werden soll, ist an sich schon als „komisch“ zu werten. Oder hat da vielleicht das Literaturinstitut in Biel seine Kontakte spielen lassen? Immerhin wird berichtet, dass Anaïs Meier daselbst als Studentin ein- und ausgegangen sein soll.

In ihrem Romandebüt „Mit einem Fuss draussen“ sorgt eine eigenwillige (komische) Erzählerfigur für Ruhe und Ordnung in einem Park. Es handelt sich dabei um Kommissär Gerhard, der die Ruhe des Parks gestört sieht, gestört durch einen Fuss. Der Fuss lauert im Teich des Parks, der sich in einer mittelgrossen Schweizer Stadt befindet. Der schrullige und eigenwillige (komische) Kommissär Gerhard macht jeden Morgen und jeden Abend am Ufer des Parks seinen „Flamingo“, eine spezielle Turnübung, bei der man Kontakt zum Universum herzustellen versucht. Beim „Flamingo“ stellen Kommissär Gerhards Augen jedoch eines Tages den Kontakt her zu einem Fuss, der aus dem Wasser des Teiches ragt. Ein Verbrechen? Gerhard, der einsiedlerisch am Rande der Gesellschaft lebt, will den Frieden im Park wieder herstellen. Und weil er nun schon mal Kommissär ist, will er den vermuteten Kriminalfall lösen. Als Leser ist man sich nicht so sicher, wer da spricht. Ist es der Kommissär oder ist es der Fuss, der aus dem Wasser ragt? Oder beide, der Kommissär und der Fuss?

„Ich atme in den Schilfbast und hoffe, dass sie mich nicht sehen. Haben sie aber. Hier, im hinteren Bast des Sees. Jetzt werden sie mich herausholen, aber vorher werden sie noch ihre Gummihosen anziehen müssen, weil sie ohne nicht Mumm genug sind. Wie ich hierher gekommen bin, in der nassen Erde liegend, ganz kalt im Bauch. Ist alles die Schuld vom Fuss, der im See ist. Es ist mein Selbstverständnis, ihn herauszuholen. Um ihn zu untersuchen, woher er kommt und woher er will. Einer muss das tun. Ausser mir scheint niemand sich dafür zu interessieren.“

Aus: „Mit einem Fuss draussen“ von Anaïs Meier

Die Ermittlungen des Kommissärs Gerhard lassen das eigentliche Anliegen des „komischen“ Romans zutage treten: Die Autorin möchte den Blick ihrer Leserschaft schärfen für all die „komischen“ Figuren, die am Rand der Existenz leben. Zusammen mit Kommissär Gerhard treffen wir auf biertrinkende Angelfischer mit ihrem komischen Vereinspräsidenten Krückenpatrick, auf eine dauerbekiffte Jugendgang, auf nachtwandelnde Hundehalterinnen, auf einen schmierigen Lokalreporter und auf die Parkwächterin Blüehler, die komischerweise gar nicht so schlimm ist wie anfangs gedacht. Sie alle bewegen sich am Rand der Existenz, schwimmen mit Enten und haben nicht mehr als den Park – aber der ist ihre Welt.

Anaïs Meier, die „Komische“, erzählt vom Leben am Rand, sie erzählt vom Aufgeschmissensein in einem Miniatur-Kosmos, in dem die Enten sprechen, in dem den Angelfischern nicht zu trauen ist und in dem eine Leiche aus dem Teich auftaucht. Alltagserzählungen vom Alltagsmüll, in dem selbst die Enten etwas Besseres sein wollen. „Die Ente immer, mit ihrem Mirnichts-dir-nichts-Gehabe, die denkt wohl, sie sei was Besseres!“, ist in Anaïs Meiers komischem Erzählwerk nachzulesen. Komisch? Ja, aber nicht nur. Die Autorin spart einerseits nicht mit irren und schrägen Einfällen. Doch dann wartet sie auch immer wieder mit absurden Wendungen auf. Haben wir eben noch schenkelklopfend gelacht, finden wir uns ein paar Seiten später erschrocken und kopfschüttelnd wieder. Echt komisch.

Text und Foto: Kurt Schnidrig