Buchmarkt 2022: Kleinverlage bereichern die Literaturlandschaft

Professionelle Literatinnen und Literaten geben ihre Bücher in der eigenen kleinen Edition heraus. Im Bild: Dana Grigorcea mit ihrem „Telegramme Verlag“. (Bild: Kurt Schnidrig)

Was bringt der Buchmarkt 2022? Die Begeisterung wächst. Auch in der teuren Schweiz werden wieder neue Buch-Verlage gegründet. Und auch im Oberwallis tut sich etwas. Lange war man der Meinung, dass die Digitalisierung das gedruckte Buch verdrängen würde. Nun sind es vor allem professionelle Literatinnen und Literaten, promovierte Germanistinnen und Germanisten, die ihre Bücher im eigenen Klein-Verlag oder in einer eigenen exklusiven Edition gleich selbst herausgeben. Natürlich erfordert die Buch-Produktion nicht nur viel Arbeit, sondern vor allem auch ein professionelles Knowhow und vor allem ein nationales und internationales Netzwerk. Viel Geld lässt sich mit dem eigenen Klein-Verlag allerdings nicht verdienen, ausser man landet auf der Bestseller-Liste. Die Mehrheit der Bücher, die es kürzlich auf die Longlist und auf die Shortlist des Schweizer Buchpreises geschafft haben, gingen aus Klein-Verlagen von Literatinnen oder von promovierten Germanisten hervor. Angetrieben von viel Pioniergeist und dem Willen, eine exklusive und auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnittene Buchproduktion zu etablieren, sind in den vergangenen Monaten mehrere Klein-Verlage und erfolgreiche Privat-Editionen entstanden, die sowohl national als auch international die Literaturlandschaft bereichern und mit frischen Ideen den Buchmarkt aufmischen. Einige Beispiele mögen den Sachverhalt illustrieren.

Dana Grigorcea, schweizerisch-rumänische Schriftstellerin, studierte Germanistik und lebt seit vielen Jahren mit ihrer Familie in Zürich. Ihre Werke werden in mehrere Sprachen übersetzt und vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem 3sat-Preis beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb. Das Autorenpaar Dana Grigorcea und Perikles Monioudis hat soeben den eigenen Klein-Verlag, den Telegramme Verlag, gegründet. Für die Beiden sei es ein naheliegender Schritt gewesen. Beide kommen sie selbst aus der Literatur-Szene und sie haben bereits ein weitreichendes Netzwerk. Wir trafen Dana Grigorcea am letztjährigen Literaturfestival Leukerbad, wo sie ihren neusten Roman „Die nicht sterben“ präsentierte (Bild oben), mit dem sie nun auf den Bestenlisten Einzug hält. In den vergangenen Monaten sind bei Autorin und Verlegerin Dana Grigorcea fast dreissig Titel erschienen, darunter auch Lyrik- und Essaybände, die sonst bei den traditionellen Verlagen kaum Aufnahme fänden. Dana Grigorcea hat in ihrem „Telegramme Verlag“ auch ein Fenster geöffnet für eine persönliche Liebhaberei, für die Frauenliteratur um 1900. Da findet sich beispielsweise auch die Biographie über Lou Andreas Salomé, der grossen Liebe des Dichters Rainer Maria Rilke. In ihrem Telegramme-Verlag legt Dana Grigorcea jedoch Wert darauf, dass Lou Andreas Salomé nicht bloss als die Muse des Dichters Rilke wahrgenommen wird, sondern als Psychoanalytikerin und Essayistin, die in Zürich studiert hat.

Was kann ein Klein-Verlag besser? Professionell geführte Klein-Verlage und Editionen bieten ein exklusives Literatur-Programm an. Meistens sind es Literaten und Germanisten, die den Schritt hin zu einem „Start-up“-Verlag wagen. Derartige Klein-Verlage gibt es nicht wenige. Der jüngste Schweizer Klein-Verlag nennt sich „Sechsundzwanzig“, dessen Gründerin ist Jill Erdmann, und sie möchte ausschliesslich Texte von Frauen verlegen. Erst kürzlich gegründet wurde auch der Klein-Verlag „Die Brotsuppe“ oder auch der „Kommode Verlag“. Bei derartigen Klein-Verlagen und speziellen Editionen veröffentlichen angesagte Literatinnen und Literaten ihre Bücher, wie beispielsweise Sabine Haupt. Sabine Haupt ist Professorin für Allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft an der Universität Fribourg.

Sabine Haupt, Literatur-Professorin an der Universität Fribourg, publiziert ihren Roman beim Kleinverlag „Die Brotsuppe“.

Sabine Haupt, Literatur-Professorin an der Universität Fribourg, publiziert neben wissenschaftlichen Arbeiten auch für Presse, Radio und Fernsehen. Sie ist im Vorstand des Deutschschweizer PEN-Zentrums. Bereits hat sie auch zwei Erzählbände veröffentlicht sowie zahlreiche Prosatexte in Literatur- und Kulturmagazinen. Nun hat sie im Kleinverlag „Die Brotsuppe“ erfolgreich ihren philosophischen Liebeskrimi „Lichtschaden. Zement“ herausgegeben. Der Schauplatz des Romans ist das Oberwallis und insbesondere das Goms.

Auch im Oberwallis tut sich etwas… Der Literatur CLUB73 hat in den vergangenen Monaten in der eigenen „Literatur CLUB73 international edition“ vier Bücher erfolgreich produziert und herausgegeben. Auf Initiative des damaligen Rottenverlags wurde der Verein „Club73“ im Jahr 2017 gegründet. Als Gründungspräsident und als Herausgeber darf ich auf die grossartige Mitarbeit von äusserst kompetenten Literatinnen und Literaten zählen. Schon früh war uns bewusst, dass wir die engen Grenzen des Deutschwallis sprengen müssen. Wir riefen eine internationale Edition ins Leben, die „Literatur CLUB73 international edition“. Nach der Liquidation der Rotten Verlags AG hat nun diese Edition eine wichtige Bedeutung erlangt. Im Jahr 2020 genehmigte die Generalversammlung eine Statuten-Änderung, so dass die eigene Edition nun auf Vereinsbasis geführt werden kann. Lektorats-Gespräche in Zusammenarbeit mit der Mediathek Wallis sind im vergangenen Herbst erfolgreich angelaufen. Die „Literatur CLUB73 international edition“ ist eine Publikations-Plattform für anspruchsvolle Belletristik. Die Bücher, welche wir herstellen und herausgeben, sollen zudem von internationalem Interesse sein. Filialen in Schweizer Städten, aber auch im Ausland, vor allem in Deutschland, sind im Aufbau begriffen. Auch eine Reihe „English Books“ ist vorgesehen. Sobald etwas mehr Planungssicherheit besteht, ist eine Vernissage in den USA, in Boston, geplant.

Text und Fotos: Kurt Schnidrig