44. Solothurner Literaturtage: Impressionen und Höhepunkte aus persönlicher Sicht

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Die 44. Solothurner Literaturtage boten alles, was das Literaten-Herz begehrt. (Alle Fotos: Kurt Schnidrig/ pomona.media)

80 Schreibende und viel Publikum. Mit mehr als 140 meist ausverkauften Veranstaltungen und mit 80 Autorinnen und Autoren aus der ganzen Schweiz und dem Ausland feierten die Solothurner Literaturtage ein überzeugendes Comeback in den Gassen der Altstadt und stimmungsvoll auf der Aussenbühne vor der St. Ursen Kathedrale. Publikumsmagnet Milena Moser zeigte mit ihrem Buch „Mehr als ein Leben“ die Möglichkeit auf, das eigene Leben in mehreren Versionen zu erfahren.

Milena Moser auf der Aussenbühne inmitten der Solothurner Altstadt. (Foto: Kurt Schnidrig)

Bestseller-Autor Catalin Dorian Florescu erwies sich mit seinem Werk „Der Feuerturm“ als ein Meister des epischen Erzählens. Darin offenbart er auch die Kapriolen der kriegerischen Gegenwart und thematisiert die Kraft des Widerstands dagegen.

Er ist ein Meister des epischen Erzählens: Catalin Dorian Florescu mit Moderatorin Anna Rosenwasser. (Foto: Kurt Schnidrig)

Der „Grand Prix Literatur“ wird vom Bundesamt für Kultur jeweils im Vorfeld der Solothurner Literaturtage verliehen. Der Bündner Schriftsteller Reto Hänny durfte diesen Preis für sein Gesamtwerk entgegennehmen. Reto Hänny präsentierte sein Lebenswerk mit den beiden immer wieder überarbeiteten Werken „Sturz“ und „Flug“. Sein literarisches Lebenswerk erzählt von einem, der in die Welt hinauszieht und das Fürchten und das Staunen lernt. Ebenfalls im Stadttheater durfte sich die Autorin Johanna Schaible über den Schweizer Kinder- und Jugendbuchpreis freuen, den sie für ihr Bilderbuch „Es war einmal und wird noch lange sein“ erhielt. Erschienen ist das Bilderbuch im Hanser Verlag. Darin stellt die Autorin die grossen Fragen des Lebens aus kindlicher Sicht: Wer sind wir? Woher kommen wir und wohin gehen wir?

Reto Hänny (links) durfte den „Grand Prix Literatur“ für sein Gesamtwerk entgegennehmen. (Foto: Kurt Schnidrig)

Die Suche nach dem Blockbuster. Für Schreibende boten die Literaturtage im „Campus Solothurn“ manch erhellenden Blick hinter die Kulissen des Literaturbetriebs. Verlage in der Schweiz haben den Stellenwert von kulturellen Institutionen. Sie ermöglichen eine grosse Vielfalt an Textsorten – von Lyrik über Spoken Word und Erzählungen bis zu Sachbüchern und Comics. Auch kleine und kleinste Verlage können professionell arbeiten, dies offenbarte eine Analyse. Es lohnt sich herauszufinden, welcher Verlag für die eigene Publikation der geeignete ist. Nicht selten gehen die Blockbuster aus kleinsten Verlagen hervor, die das „Match-Making“ zwischen Autor, Verlag und Publikum derart geschickt handhaben, dass der Autor oder die Autorin in der Buchbranche „auf dem Heiratsmarkt bleibt“, wie dies der Fachjargon umschreibt.

Die Zusammenarbeit zwischen Autor*in und Verlag gestaltet sich nicht immer einfach. Darüber diskutierten Lucien Leitner (Verleger), Gabriela Kasperski (Autorin), Camille Luscher (Übersetzerin) und Regula Bähler (Beraterin). Foto: Kurt Schnidrig.

Eine Renaissance der kurzen Form. „Mein Herz ist ein grosses Hotel“ – mit dieser Botschaft holte sich Rolf Hermann im vollbesetzten Theatersaal des Stadttheaters Solothurn den Applaus des Publikums. Er sprach an, was die Solothurner Literaturtage ausmacht: Vielseitigkeit und Vielstimmigkeit. Inmitten einer imposanten Werkschau des schweizerischen Literaturschaffens fand das Podium „Achtung Lyrik!“ einen ganz besonderen Anklang. „In Zeiten von grösseren Katastrophen bekommt Lyrik, bekommen Gedichte eine neue Bedeutung, weil sie auf wenig Raum viel Gewichtiges sagen können“, erklärte Rolf Hermann den glanzvollen Auftritt gegenüber den Oberwalliser Medien. Die Lyrik könne sehr schnell auf Umwälzungen reagieren.

Rolf Hermann (2. von rechts) berichtete über seine Arbeitstechnik ebenso wie Simone Lappert und Eva Maria Leuenberger. Das Podiumsgespräch wurde vom Kulturjournalisten Manfred Papst moderiert.

Rolf Hermanns unterschiedliche Sparten. Wallisertitsch, Spoken Word, Erzählungen, Hörspiele, Theatertexte und nun die angesagte Lyrik – all dies findet Platz in Hermanns literarischem Schaffen. Dafür öffne er auch sein Herz, einem grossen Hotel gleich, in dem alles mit allem im Austausch stehe, sagte er. Mit bildlichen Vergleichen hielt Rolf Hermann nicht hinter den Berg. Er komme sich vor wie jemand, der nicht nur ein Hotel, sondern auch noch einen Garten habe. „In diesem Garten gibt es mehrere Beete, die man begiessen kann, und dann spriesst immer etwas, vor allem auch viel Unterschiedliches“, sagte er.

Mit spielerischem Ernst. Rolf Hermanns neuem Gedichtband liegt eine Recherche-Arbeit mit vier späten, französisch geschriebenen und im Wallis entstandenen Gedichtzyklen Rainer Maria Rilkes zugrunde. „Ich habe diese Texte durch eine mehrstufige Computerübersetzung gejagt und dann in etwas Eigenes verwandelt, so dass das Buch schliesslich in ein dystopisches Langgedicht mündet, in dem der Erzähler durch ein verlassenes Biel irrt“, berichtete Rolf Hermann vor staunendem Publikum. Sein Gedichtband „In der Nahaufnahme verwildern wir“ ist damit eine Über- und Fortschreibung, eine Arbeitstechnik, der auch Simone Lappert und Eva Maria Leuenberger im Podiumsgespräch huldigten, das vom bekannten Kulturjournalisten Manfred Papst moderiert wurde. „Ich konnte die Rilke-Gedichte neu verorten“, fasste Rolf Hermann sein Schaffen mit Hilfe von poetischen Verfahren zusammen.

Erlebnisreiche Literatur-Tage in der Solothurner Altstadt werden mir in bester Erinnerung bleiben.

Überwältigt von der Stimmung während dieser drei Tage war auch Dani Landolf, der Geschäftsführer der Solothurner Literaturtage: „So viele glückliche Menschen, so ein aufmerksames und dankbares Publikum habe ich bei Literaturveranstaltungen noch selten gesehen“, sagte er gegenüber den Medien.

Text, Fotos und Interviews: Kurt Schnidrig

(Hinweis: Meine Texte und Fotos zu den Solothurner Literaturtagen erschienen auch im „Walliser Bote“, im Online-Portal der pomona.media und im Live-Programm von Radio Rottu Oberwallis).