Oberwalliser Lyrik: Neue Wege und neue Arbeitstechniken

Rolf Hermann nach seinem Auftritt im Stadttheater Solothurn im Gespräch mit Kurt Schnidrig. (Foto: pomona.media)

Die Lyrik erlebt einen Aufschwung. Lyrik, das sind die kleinen poetischen Texte, die Gedichte. „Wir leben in Krisen-Zeiten, in kriegerischen Zeiten, in Zeiten von kleineren und grösseren Katastrophen. In diesen Zeiten erhält die Lyrik eine neue Bedeutung, weil Lyrik auf kleinem Raum gewichtige Dinge sagen kann“, erklärte Rolf Hermann im Interview. Er hatte soeben einen brillanten Auftritt im Stadttheater Solothurn zum Thema „Achtung Lyrik!“ hinter sich. In Krisen-Zeiten könne Lyrik recht schnell auf Umwälzungen reagieren, fasste er zusammen.

Neue Wege und neue Arbeitstechniken drängen sich auf. „Mein Herz ist ein grosses Hotel“, brachte Rolf Hermann den Sachverhalt auf den Punkt. Für seine lyrischen Arbeiten recherchiere er wie ein Journalist, dann aber stelle sich auch die Frage, wie sich das recherchierte Material kreativ gestalten lasse. Bei diesem Arbeitsschritt sei auch das spielerische Element gefragt. Bei seinem aktuellen Lyrikband ist Rolf Hermann von bestehendem Material ausgegangen. Er hatte Rilke-Gedichte bearbeitet und daraus etwas Neues, etwas Eigenes geformt. Die Rilke-Gedichte hatten unter seiner Regie eine Eigendynamik entwickelt. Bei dieser Arbeitstechnik gehe es darum, etwas Bestehendes genauer zu untersuchen und dessen Struktur herauszufinden, erklärte mir Rolf Hermann. Anhand der herausgearbeiteten Struktur eröffne sich ihm sodann viel spielerische Freiheit. Nachdem die Funktionsweise eines Textes entschlüsselt sei, könne der Text kreativ weiterentwickelt werden. Entstanden ist auf diese Weise der Lyrikband „In der Nahaufnahme verwildern wir“.

In unterschiedlichen Sparten tätig sein, dies sei ein Gebot der Stunde, meint Rolf Hermann. „Mein Herz ist ein grosses Hotel“, gesteht er freimütig. Er sei in so ganz unterschiedlichen Sparten tätig wie beispielsweise in Spoken Word, in Wallisertitsch, in der Produktion von Lyrik, Erzählungen, Theater-Texten oder auch von Hörspielen. Auf diese Weise versuche er, auf die Umwälzungen der heutigen Zeit reagieren zu können. In blumiger Bildersprache vergleicht er seine schriftstellerische Arbeit mit der Arbeit eines Gärtners. Sein „Garten“ verfüge über viele Beete, die er je nach Bedarf begiessen könne, dann wachse da immer wieder etwas Neues und etwas Anderes.

Hinweis: Die Sendung „Literaturwälla“ auf Radio Rottu Oberwallis befasst sich am 18. Juni mit dieser Thematik.

Text, Interview, Foto und Radiosendung: Kurt Schnidrig.