Der Bergsturz von Derborence als literarische Inspiration

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Die Gefahren und Risiken in unseren Bergen sind ein begehrter Stoff für Literaten. (Symbolbild: Kurt Schnidrig)

Eine kurvenreiche Bergstrecke führt von Sitten / Conthey hinauf zum Derborence-Tal mit dem gleichnamigen Dorf. Eine fürchterliche Naturkatastrophe, ein immenser Bergsturz, begrub das Tal und das Dorf im 18. Jahrhundert unter sich. Im Jahr 1714 schütteten Gesteins- und Schlammmassen das Dorf fast vollständig zu. Sie rissen 15 Menschen mit in den Tod, vor allem waren es Hirten, die da oben das Vieh sömmerten. Die Gesteinsmassen erschlugen auch mehr als hundert Kühe. Die 50 Chalets im Dorf Derborence verschwanden unter Steinen und Abbruchmaterial. Eine Fläche von fünf Quadratkilometern ist seither verwüstet. Die Landschaft und das Dorf Derborence sind bis heute von der Naturkatastrophe schwer in Mitleidenschaft gezogen. In seinem Roman aus dem Jahr 1934 beschreibt der Schriftsteller Ramuz die unglaublichen Szenen, die sich damals im Dorf Derborence abgespielt haben sollen.

Ein Comics stellt nun in Bild und Text dar, was Ramuz in seinem Roman beschrieben hat. Der Illustrator Fabian Menor hat den Roman zu einer modernen „Graphic Novel“ verarbeitet. Er setzt die Roman-Vorlage von Ramuz grossartig in Bilder um, die in erdig-steinigen Grau-Braun-Tönen an den Bergsturz erinnern, so, als hätte sich die Staubwolke immer noch nicht gelegt. Der unheimlichen Kraft der Natur räumt er in seinem Comics viel Raum und Platz ein. Comics-Autor Fabian Menor zeigt in grossen Panoramen, wie die Flut von Steinen ihren Weg hinunter ins Tal nimmt. Die hellen Gesichter der Menschen heben sich ab von der dunklen Erdmasse des Bergsturzes.

Ein junges Ehepaar hat überlebt, Antoine oben auf der Alp und Thérèse unten im Dorf Derborence. Thérèse steigt über die Gesteinsmassen des Bergsturzes hoch auf die Alp zu ihrem Antoine, der wie durch ein Wunder überlebt hat. Beide können sich überglücklich in die Arme schliessen.

Auf Deutsch und auf Französisch ist der Comic erschienen, und zwar zeitgleich. Da steckt ein pädagogisch-methodisches Konzept dahinter. Die Graphic-Novel mit 128 Seiten eignet sich nämlich sowohl für den Deutsch-Unterricht als auch für den Französisch-Unterricht. Warum nicht in diesen sommerlichen Tagen, in den Ferien, ein klein wenig die jeweils andere Kantons-Sprache üben! Dabei lässt sich wunderbar auch noch eintauchen in ein bisher recht unbekanntes Stück Walliser Geschichte und Literatur. Text und Bild sind leicht verständlich. Eine gewinnende Lektüre besonders für jene, die sprachlich auch noch etwelchen Nachholbedarf aufzuweisen haben.

Hören Sie den Podcast aus der Sendung Literaturwelle zur literarischen Verarbeitung der Katastrophe von Derborence. (Quelle: rro / Kurt Schnidrig / Yannick Zenhäusern)

Text, Bild und Radiosendung: Kurt Schnidrig