„Der Camenisch ist der Camenisch und die Rolling Stones sind die Rolling Stones!“

Nun hat er es doch getan – sich selbst neu erfunden: Arno Camenisch. (Copyright Bild: Kurt Schnidrig)

Im vergangenen Winter war’s, da sass ich nach einem grossartigen Auftritt mit Arno Camenisch zusammen. Lachend versicherte mir der sympathische Bündner, den Camenisch-Sound wolle er auch weiterhin pflegen. Zu einer Kehrtwende in seinem literarischen Schaffen sehe er sich keineswegs veranlasst, auch wenn die Literatur-Kritik motze und ihm nahelege, er müsse sich nun allmählich neu erfinden um weiterhin erfolgreich zu sein. „Die Rolling Stones sind die Rolling Stones und der Camenisch ist der Camenisch“ schwadronierte er selbstbewusst und charmant in mein Mikrofon. Trotzdem war die Aufbruch-Stimmung zu spüren, die Camenisch erfasst hatte. Soeben hatte er mit „Der Schatten über dem Dorf“ sein insgesamt 12. Buch abgeliefert. „Das 12. Buch ist gleichzeitig auch der Schlüssel zu meinen anderen Büchern, da laufen alle Fäden zusammen“, erklärte er mir.

Nun hat sich Arno Camenisch neu erfunden. Ist er vor der Literaturkritik eingeknickt? Das wäre zu bedauern. Denn dieselbe Literaturkritik, die ihm nahelegte, er müsse sich nun endlich neu erfinden um weiterhin erfolgreich zu sein, beschert ihm und seinem neuen Buch nun einen veritablen Verriss. Sein Charisma und seine universalen Themen, dazu seine überaus sympathische Bündner Bergler-Sprache hatten während der letzten Jahre seine Fan-Gemeinde stetig anwachsen lassen. Nun holt ihn die Literaturkritik grösstenteils vom hohen Sockel und degradiert ihn zu einem egozentrischen Schwafler. Zu Unrecht, finde ich. Denn Arno Camenisch ist sich selbst auch im neuen Roman „Die Welt“, erschienen im Diogenes Verlag, treu geblieben.

„Die Welt“, so heisst das neue Buch von Arno Camenisch. Darin berichtet ein Ich-Erzähler von den Jahren, als er in den Zwanzigern war, die Welt bereiste, erste Erfahrungen in der Liebe sammelte und sorglos das Leben genoss. Alles war im Aufbruch, alles war im Wandel. Die Rolling Stones verpassten dieser Zeit ihren Soundtrack. Dem Ich-Erzähler in „Die Welt“ ist es vergönnt, das Gefühl der Enge abzustreifen und zu neuen Ufern aufzubrechen.

„Was ich erzähle, geht den Menschen nahe, sie erkennen sich darin“, sagt Arno Camenisch im rro-Interview. Und: „Meine Texte tönen nach mir!“ Auf eine bevorstehende Kehrtwende in seinem literarischen Schaffen angesprochen, gab sich der Autor bis vor kurzem noch bedeckt. Man dürfe nie verraten, was jetzt noch komme, das bringe Unglück, meinte er schalkhaft.

Ich möchte mich zeigen, und zwar komplett ungefiltert.

Arno Camenisch im Interview mit Kurt Schnidrig

Auch im soeben erschienenen Buch „Die Welt“ nimmt Arno Camenisch kein Blatt vor den Mund. „Der Erzähler im Buch, der bin immer ich“, sagt er. Er erzähle seine Geschichte, und zwar so, wie sie sich auch tatsächlich abgespielt habe. Das Roman-Ich weist viele Züge des realen Camenisch auf. Hätte der Autor weiterhin in der Surselva, im kleinen Dorf Tavanasa, seine Geschichten ansiedeln sollen? „Da hat es alles, was auch die Welt ausmacht“, sagte mir damals Arno Camenisch ins Mikrofon. Und: „Es sind die zeitlosen Fragen, die mich interessieren“. Weshalb also dieser Aufbruch aus der Enge des kleinen Dorfes hinaus in die grosse weite Welt? Der Wechsel von der kleinen Dorfbühne hinaus ins grosse Welttheater hat sich aufgedrängt. Es liesse sich von einem literarischem Brain Drain sprechen. Von einer Abwanderung zwecks Selbstentfaltung und Weiterentwicklung. Sowas braucht Zeit. Als Schriftsteller verfügt Arno Camenisch über die Fähigkeiten, bald auch die grosse Weltbühne zu rocken. Wir sind auf die Fortsetzung gespannt!

Hören Sie das Interview mit Arno Camenisch, entstanden im Rahmen des Multimedia-Festivals „Berg Buch Brig“. (Quelle: rro / Kurt Schnidrig)

Text, Bild und Radiosendung: Kurt Schnidrig