Wissenschaft gegen Glauben: Beda Stadler ist „glücklich ungläubig“

Albert Einstein gilt als Inbegriff des Forschers und Genies. Er nutzte seine Bekanntheit auch ausserhalb der naturwissenschaftlichen Fachwelt, dies im Gegensatz zu heutigen Wissenschaftlern wie Beda Stadler. (Bild: Kurt Schnidrig)

Der Visper Wissenschaftler Beda Stadler stellt am 1. September in Brig seine Biographie vor. Ein Ereignis, das für Diskussions-Stoff sorgen wird. Denn Beda Stadler diskutiert scharf, er schreibt bissige und giftige Kolumnen und Artikel und er scheut vor keinem Tabu-Thema zurück. Doch obschon Beda Stadler ein streitbarer Zeitgenosse ist, wirkt er trotzdem meistens auch unterhaltsam und anregend. Geboren ist Beda Stadler 1950 in Visp. Er war Professor an der Universität Bern, wo er zusätzliche Bekanntheit erlangte als Direktor des Instituts für klinische Immunologie. Insbesondere während der kritischen Monate der Pandemie hatte er als Impf-Turbo den Hass der Impf-Skeptiker auf sich geladen. Die Wissenschaft geht bei Beda Stadler über alles. Für Glauben und besonders für Religiöses hingegen hat er nicht viel übrig. Dies unterscheidet ihn von anderen grossen Forschern und Genies, die nebst ihrem naturwissenschaftlichen Engagement auch noch auf geisteswissenschaftlichem Gebiet zu punkten verstanden.

Albert Einstein gilt als Inbegriff des Forschers und Genies. Er war ein gebürtiger deutscher Physiker mit Schweizer und US-amerikanischer Staatsbürgerschaft. Als theoretischer Physiker zählt er zu den Allergrössten der Wissenschaftsgeschichte, weltweit gehört er zu den bekanntesten Wissenschaftlern der Neuzeit. Mit seinen Forschungen zur Struktur von Materie, Raum und Zeit, insbesondere auch zum Wesen der Gravitation, veränderte er das bis anhin geltende Newtonsche Weltbild. Seine weltweite Bekanntheit nutzte Albert Einstein auch ausserhalb der naturwissenschaftlichen Fachwelt. Albert Einstein setzte sich ein für Völkerverständigung, Frieden und Sozialismus. Dieser Einsatz, auch auf geisteswissenschaftlichem Gebiet, unterscheidet ihn von vielen heutigen Forschern und Wissenschaftlern.

Beda Stadler hat der Irrationalität den Kampf angesagt. Sein Leben sei ein Zweikampf zwischen dem Verstand und der Irrationalität, schreibt er. Dies, nachdem es eine Zeit gegeben habe, in der er gar nicht existiert habe. Er sei dem Tod haarscharf von der Schippe gesprungen. Was ist passiert? Per Zufall hatte man bei einer Untersuchung in seinem Hirn ein Aneurysma gefunden, die Ausstülpung eines Blutgefässes. Eine Hirnoperation erwies sich als unumgänglich. Die Operation scheint nicht planmässig verlaufen zu sein. Einer Blutung wegen hatte man den Patienten drei Wochen lang in ein künstliches Koma versetzen müssen. Das Hirn habe „neu verdrahtet“ werden müssen, schreibt der Autor. Zusätzlich habe er sich im Spital auch noch mit dem Corona-Virus infiziert. „Wenn ich gestorben wäre, dann wäre ich als Corona-Toter in die Statistik eingegangen“, sagt er. Damit spricht er auch schon einen Teil seiner Kritik am staatlichen und politischen Management während der Pandemie an. Die Statistik habe wenig Rücksicht genommen auf die Vorerkrankungen der Corona-Toten.

Mehr Wissenschaft, weniger Glauben brauche es, meint Beda Stadler. Während der Monate der Pandemie habe sich dieser Anspruch deutlich gezeigt. Die Menschen würden heutzutage der Wissenschaft häufig feindlich gegenüberstehen. Die Wissenschafts-Feindlichkeit habe ihren Anfang bereits bei den ersten Atombomben-Einsätzen genommen, da habe die Wissenshaft ihre Unschuld verloren. Unter der Wissenschafts-Feindlichkeit gelitten habe insbesondere die Gentechnik. Viele würden auch heute noch die Gentechnik als Feind der Natur betrachten. Doch das sei völlig falsch. Erstaunlich allerdings sei, dass sich die Wissenschafts-Feindlichkeit unserer Tage keineswegs unisono gegen alle technischen Neuerungen richten würde. Zum Beispiel hätten alle von uns ein Handy, und das würde kaum noch Diskussionen auslösen. Während der Corona-Pandemie hätte sich Beda Stadler mehr Tempo beim Impfen gewünscht. Er ist im Übrigen überzeugt, dass die neuartigen mRNA-Impfungen in den kommenden Jahren auch gegen andere Krankheiten erfolgreich sein könnten.

„Glücklich ungläubig“ – so heisst die Autobiographie von Uni-Professor Beda Stadler, der jetzt seinen Ruhestand geniesst. Warum „ungläubig“? Sein ganzes Leben lang hat Stadler für die Wissenschaft und gegen den Glauben gekämpft. Zwar ist Beda Stadler als Kind religiöser Eltern im katholischen Oberwallis aufgewachsen. Als kleiner Junge habe er verschiedenste Erlebnisse gehabt, berichtet er. Zum Beispiel habe er als Kind auf den Knien seines Götti sitzen dürfen. Doch seine Eltern hätten ihn augenblicklich vom Götti weggeholt, der sei nämlich Kapuziner-Novize gewesen und vom Abt im Kloster missbraucht worden. Dies sei ein Grund gewesen, den Götti als schwul und als pädophil zu betrachten.

Beda Stadler, der Atheist, nimmt kein Blatt vor den Mund. Als kleiner Junge habe er noch fast alles geglaubt. Er sei früher zu hundert Prozent überzeugt gewesen, dass es einen Himmel gibt. Heute jedoch frage er sich, wie nur jemand daran glauben könne, dass ein Mensch mit Löchern in den Händen am Tag der Auferstehung in den Himmel fliegen könne.

Unser Hirn und erwachsene Menschen sind bereit, das Dümmste zu glauben. Gleichzeitig kämpfen sie erbittert darum, dass man sie ernst nimmt.

Beda Stadler

Der Weg vom gläubigen Jugendlichen hin zum Atheisten scheint lange und erkenntnisreich gewesen zu sein. Da war zuerst das Studium an den Universität Bern, dann folgte die Auswanderung mit seiner Frau Heidi in die USA, wo er in der biomedizinischen Forschung arbeitete. Zurück an der Uni Bern lehrte er als Professor für Biotechnologie. In der Wissenschaft existiere kein Glaube, den gebe es nur in der Religion, ist Stadler überzeugt. Für Beda Stadler zählt einzig die Wissenschaft, alles, was mit Glauben zu tun hat, ist ihm verdächtig. Für alternativmedizinische Themen beispielsweise hat er bloss ein Lächeln übrig. Ebenso für die Bio-Landwirtschaft mit ihrem Bio-Gemüse. Überhaupt für alles, was nicht hieb- und stichfest wissenschaftlich ist.

Eine persönliche Einschätzung zu Stadlers Thesen? Professor Stadler argumentiert ausschliesslich als Naturwissenschaftler. Als Geisteswissenschaftler und auch als Philosoph ist mir sowas zu einseitig. Nein, der Mensch tickt nicht so einfach, wie das Beda Stadler sieht. Der Mensch ist ein hoch komplexes Wesen. Bei Stadlers Thesen vermisse ich das Psychologische. Das Mentale. Natürlich ist vieles wissenschaftlich, rein kognitiv, erklärbar. Aber das Unterbewusstsein, das Mentale, das Psychologische im Menschen lässt sich nun mal nicht ausklammern. Beda Stadler ist eine aufklärerische Persönlichkeit. Die Epoche der Aufklärung liegt weit zurück, eingesetzt hatte sie um 1700. Es war dies eine Epoche, die das rein rationale und vernunftbasierte Denken propagierte und damit den Fortschritt erzwingen wollte. Man wollte damals Akzeptanz schaffen für das neue Wissen, das man im Zuge der naturwissenschaftlichen Revolution gewonnen hatte. Damals erhob man die Vernunft, das Rationale und Kognitive, zu einer universellen Urteils-Instanz. Diesem Denken lassen sich durchaus auch positive Seiten abgewinnen. Die Vordenker der Aufklärung waren fortschritts-optimistisch. Die amerikanische Revolution ist daraus entstanden und auch die französische Revolution von 1789. Der Rationalisierungsprozess ist damit zu einem Kennzeichen der Moderne geworden.

Die Gegenbewegung zum Rationalisierungsprozess der Aufklärung fiel heftig aus. Die Kritik am Vernunft-Glauben ist unter den Aufklärern selbst schon früh entstanden. Später manifestierte sich die Gegenbewegung zum rein Rationalen in den Epochen des Sturm und Drang und der Romantik. Wo bleiben die menschlichen Gefühle? Wo bleibt der Respekt vor der Tiefenpsychologie, vor all den Kräften, die in unserem Innern schlummern? Der Respekt vor dem Mentalen? Wissenschaft à la Beda Stadler vermag mit Bestimmtheit einiges zu bewirken. Stadlers Thesen greifen jedoch zu kurz. Derartige Thesen reduzieren den Menschen auf das rein Kognitive. Das Gefühlsleben des Menschen blenden sie aus. Die Naturwissenschaften allein ermöglichen uns lediglich einen sehr begrenzten Zugang zur Welt. Die Ergänzung durch die Geisteswissenschaften ist unabdingbar.

Text, Bild und Radiosendung: Kurt Schnidrig