Der neue Donna-Leon-Krimi spielt vor dem Hintergrund der Pandemie in Venedig

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Die Boote vor San Marco sind vertäut; während der Pandemie ist Venedig von Touristen verschont geblieben, trotzdem geht Commissario Brunetti die Arbeit nicht aus. (Bild: Kurt Schnidrig)

Es ist Commissario Brunettis einunddreissigster Fall. Der neue Krimi von Donna Leon spielt vor dem Hintergrund der Pandemie in Venedig. Touristen hat es fast keine wegen des Lockdowns. Kriminelle Elemente sorgen aber trotzdem dafür, dass Commissario Brunetti die Arbeit nicht ausgeht.

Milde Gaben“ – dies der Titel, den der neue Krimi von Donna Leon trägt. Diesmal sind die kriminellen Elemente im engsten Umfeld von Commissario Brunetti angesiedelt. Seine Jugendfreundin Elsabetha stürmt eines Tages in die Questura, aufs Polizei-Büro, und erbittet sich Hilfe von Commissario Brunetti. Elisabetha ist bereits etwas in die Jahre gekommen, sie ist aber immer noch eine Schönheit. Ganz aufgelöst berichtet sie dem Commissario, dass ihre Tochter Flora bedroht werde. Ob er nicht doch vielleicht inoffiziell und verdeckt ermitteln könne, wer ihrer Tochter Flora schlecht gesinnt sei und sie gar bedrohe? Commissario Brunetti ist gerne bereit zu helfen. Wegen Corona legen nämlich auch die Kriminellen in der Stadt Venedig eine Pause ein. Doch bald schon beginnt der Commissario an den Anschuldigungen seiner Jugendfreundin zu zweifeln. Wird ihre Tochter Rosa tatsächlich bedroht? Sind Elisabethas Ängste berechtigt?

Wirklich viel Dramatisches ereignet sich nicht. Brunettis Mitarbeiter tragen viele Einzelheiten zusammen. Die Mosaik-Steinchen, welche die Ermittler zusammentragen, wollen aber kein stringentes Gesamtbild ergeben. Der 31. Fall des Commissario Brunetti erweist sich zunehmend als äusserst komplex. Die Ermittler tappen im Dunkeln.

Der Canale ist verlassen und die Stadt Venedig wirkt wie ausgestorben – ein unheimliches und ungewohntes Szenario bietet sich den Ermittlern im neuen Krimi von Donna Leon. (Bild: Kurt Schnidrig)

Vorausdeutungen lassen ein furioses Finale erahnen. Geheimnisvoll und seltsam legt die Autorin Spuren. Nur ein Beispiel: Der Ehemann von Elisabetha bleibt immer wieder vor dem geschlossenen Schaufenster eines Geschäftes stehen. Dabei wirkt er angespannt und ängstlich. Eine falsche Spur? Oder weiss Elisabethas Ehemann vielleicht doch mehr, als er seine Frau wissen lässt?

Alle sind so nett. Keine kriminellen Elemente weit und breit. Venedig wirkt friedlich und fast menschenleer. Wir treffen ausschliesslich Menschen an, die anderen Menschen helfen wollen, denn die Pandemie grassiert. Das Corona-Virus verhindert Ansammlungen von Menschen. Elisabethas Ehemann gründet sogar eine Stiftung, die das Pflegepersonal in den Spitälern unterstützen soll. Was sollte daran gefährlich oder gar kriminell sein? Schon möchte Commissario Brunetti seiner Jugendfreundin Elisabetha Entwarnung geben. Sind die Drohungen an Tochter Flora aber wirklich bloss Einbildung?

Ein Einbruch bringt den Fall ins Rollen. Ausgerechnet in die Tierarzt-Praxis, in der Elisabethas Tochter Flora arbeitet, wird eingebrochen. Nur so viel sei verraten: Der neue Donna-Leon-Krimi kommt ganz ohne einen finalen Höhepunkt aus. Der 31. Fall für Commissario Brunetti ist eine Story über Eifersucht, über falsch verstandene Hilfsbereitschaft und über Leichtgläubigkeit. Statt eines spektakulären Showdowns gibt uns Donna Leon eine wichtige Lebensweisheit mit: Erkläre dich niemals vorschnell und allzu leichtfertig bereit, jemandem einen Gefallen zu tun!

Der neue Donna Leon ist schmackhaftes Lesefutter für all jene, die einen psychologischen Hintergrund schätzen und die auch gerne bereit sind, selbst mitzudenken, zu kombinieren und sich an Commissario Brunettis Ermittlungs-Arbeit zu beteiligen.

Text, Bild und Radiosendung: Kurt Schnidrig