Das Schreibseminar des Literatur CLUB73 war ein Aufbruch zu neuen Ufern

Joanne Gattlen (Organisation) und Kurt Schnidrig (Leitung) durften am 22. und 23. November 2022 in Leukerbad ein Schreibseminar zusammen mit spannenden Autor*innen erleben. (Bild: Kurt Schnidrig)

Hervorgegangen aus dem Unterstützungs-Verein für den ehemaligen Rottenverlag, dem CLUB73, hat sich der Verein inzwischen abgenabelt und verselbständigt. Der neu gegründete „Literatur CLUB73“ arbeitet mit einem bewährten und bestens harmonierenden Vorstand, der auch die Statuten überarbeitet und angepasst hat, und der auch ein lebendiges und spannendes Clubleben pflegt.

Mit der „Literatur CLUB73 international edition“ ist es gelungen, mit viel Arbeit und Aufwand für das Deutschwallis eine Edition zu etablieren, die seit Frühjahr 2022 als Startup-Unternehmen und als Mitglied eng mit dem Schweizerischen Buchhändler- und Verlegerverband SBVV zusammenarbeitet. Bereits konnten einige Werke herausgegeben werden, bestens lektoriert und begleitet von den Fachleuten, den Sprach- und Literaturwissenschaftlern und den erfahrenen Literaten des Literatur CLUB73. Die Jahreszahl 1973 im Clubnamen erinnert an die Wurzeln, an das Gründungsjahr des ersten Deutschwalliser Verlags, des Rotten Verlags, im Jahr 1973.

Inmitten einer inspirierenden Natur gestaltete sich das Schreibseminar vielversprechend und eröffnete allen Teilnehmenden neue Perspektiven für ihr Schreiben. (Bild: Kurt Schnidrig)

Zwei Tage und eine Nacht lang spürten die Schreibenden im Hotel Beau-Séjour in Leukerbad ihrer schriftstellerischen Berufung nach. Die Förderung von Schreiblust und von Schreibmotivation sind grundlegende Komponenten des Schreibseminars. Das Handwerk des Schreibens jedoch will auch gelehrt, gelernt und geübt sein. Schreibtechniken und Kunstmittel können in einem Schreibseminar besser vermittelt werden als in einer auch zeitlich knapp angesetzten Schreibwerkstatt. So war denn das Schreibseminar des Literatur CLUB73 in Leukerbad explizit aus dem Wunsch von Schreibenden heraus entstanden, die sich eine „gehobenere“ Art und Weise des Schreibens gewünscht hatten, als dies notgedrungen in kleinen, zeitlich und vom Angebot her eingeschränkten Schreibwerkstätten möglich ist.

Das Schreibseminar ging aus den „Lektoratsgesprächen“ hervor, die der Schreibende im Herbst 2021 in der Mediathek Wallis in Brig durchgeführt hatte. In Absprache mit der Mediathek Wallis konnte nun ein perfektes Angebot aufgegleist werden: Die Mediathek mit Organisatorin Daniela Furrer bietet die „Schreibwerkstatt“ an, während der Literatur CLUB73 das weiterführende „Schreibseminar“ anbietet. Selbstverständlich können die „Schreibwerkstatt“ oder das „Schreibseminar“ auch unabhängig voneinander besucht werden, je nach der eigenen Schwerpunktsetzung des Zielpublikums.

Das Angebot des Schreibseminars richtet sich einerseits nach den Bedürfnissen der Teilnehmenden, andererseits stehen auch experimentelle und neuste Schreibtechniken zur Diskussion, wie sie beispielsweise an der „Frankfurter Buchmesse“, an der „Buch Basel“ oder an anderen Literaturfestivals und Buchmessen zu beobachten sind. Im Literatur CLUB73 werden neue literarische Techniken, Kunstmittel und Inputs jeweils diskutiert und auf ihre Umsetzung und Vermittlung im eigenen Schreibseminar geprüft.

Im Zentrum stehen jedoch die eigenen Texte der Teilnehmenden. Es handelt sich dabei um Texte, die noch nicht druckfertig sind. Was sind ihre Techniken und Eigenheiten? Wo schöpft ein Autor oder eine Autorin sein / ihr Potenzial noch nicht aus? Und wie kann die Weiterarbeit aussehen? Die Schreibenden haben die Möglichkeit, ihre Texte im Schreibseminar zur Diskussion zu stellen. Sie bekommen einen Einblick in verschiedene Schreibprozesse und erfahren gleichzeitig, wie ihr Text auf unterschiedliche Schreibende des Schreibseminars wirkt.

Die Nacht von Leukerbad werden die Teilnehmenden am Schreibseminar in bleibender Erinnerung behalten. Einige hatten bisher unbewusste Zugänge zum eigenen Schreiben entdeckt, andere hatten ihr Schreiben weiterentwickelt. Es galt auch, die mannigfachen und gezielt auf die Weiterarbeit der vorliegenden Texte ausgerichteten Inputs aus der modernen Schreibtheorie zu verarbeiten. Wie lassen sich Schreibziele planen? Soll ich nun „plotten“ oder einfach mal drauflosschreiben? Wie lassen sich beim Schreiben auch Emotionen vermitteln? Und wie fange ich meinen Text an? Mit einem Prolog oder mit einem ersten Kapitel? Und wie fahre ich weiter: Mit einem Plot oder mit einer Story? Wie geschieht die narrative (erzählerische) Vermittlung? Gibt es so etwas wie ein „Erzähl-Schema“? Und was tun, wenn nichts mehr geht, wenn ein Schreibstau oder gar eine Schreibbarriere droht? Hilft in diesem Fall vielleicht ein „literarischer Twist“? Und wie lässt sich drohende Langeweile in einem längeren Text vermeiden? Können „Fallhöhe“ und „Dramatik“ einen längeren Text nochmals spannend gestalten? Dies nur einige markante Inhalte, die den Teilnehmerinnen und Teilnehmern möglicherweise künftig in ihrem Schreiben wie Leuchttürme den Weg weisen dürften.

Wie sieht die Weiterarbeit aus? Viele Manuskripte verschwinden oftmals in irgendwelchen Schubladen. Das müsste nicht sein. Ein häufiger Grund dafür ist, dass die „extrinsische“ oder die „intrinsische“ Motivation nicht ausreicht, um sich bis zum endgültigen Ergebnis durchzuschreiben, besser gesagt durchzukämpfen. Ein Schreibseminar lebt einerseits von informativem Dozieren, Analysieren und Synthetisieren des Seminarleiters, andererseits aber auch vom „sozialen Austausch“ der Teilnehmenden, die nicht selten für eine Vielfalt von Denkanstössen sorgen. Ein einzelner Schreibender hat letztlich jedoch immer die Wahl. Er kann die Vorschläge für seinen Text fruchtbar machen oder auch einfach ablehnen. Schlussendlich ist es immer der Autor oder die Autorin, die über eine Weiterarbeit entscheidet.

Ein Aufbruch zu neuen Ufern war das Schreibseminar in Leukerbad allemal. Der Versuch, allen Teilnehmenden das erträumte und ersehnte neue Ufer in Gestalt eines originellen und spannenden literarischen Produkts zu visualisieren, verlief erfolgreich. Doch mehr sei dazu (noch) nicht verraten.

Text, Fotos und Radiosendung: Kurt Schnidrig